Kroatien schickt Flüchtlinge nach Ungarn weiter
Ungarn hat am Freitagnachmittag seine Grenze zu Kroatien geöffnet. Laut der Nachrichtenagentur MTI ließen die Behörden rund 1.500 Flüchtlinge auf ungarisches Gebiet. Hier konnten sie nach Medienberichten 21 Busse besteigen. Ihr tatsächliches Ziel war spätabends umstritten. Manche Berichte sprachen von Österreich, manche von ungarischen Lagern. Ungarn Regierungssprecher erklärte, Kroatien habe gehandelt, ohne Budapest zu informieren, Kroatische Polizisten seien sogar auf ungarischem Boden entwaffnet worden.
Wie die Sprecherin des ungarischen Polizeipräsidiums auf APA-Anfrage erklärte, werden die illegalen Migranten zu Registrierstellen in den westungarischen Orten Vamosszabadi und Szentgotthard transportiert. Vamosszabadi liegt in der Nähe von Györ und damit unweit von Nickelsdorf, Szentgotthard an der ungarischen Seite des Grenzübergangs in Heiligenkreuz im Lafnitztal.
Die Behörden hoffen, dass die Migranten bei der Registrierung kooperieren. Freilich ist nicht ausgeschlossen, dass sie dies nicht tun und stattdessen die Grenze zu Österreich überqueren. Das Innenministerium in Wien sei von den ungarischen Behörden im Vorfeld nicht informiert worden, dass Busse mit Flüchtlingen in Registrierungsstellen nahe der österreichischen Grenze gebracht werden, hieß es am Freitagabend.
Österreich ist vorbereitet
Weiters erklärte ein Sprecher des Ministeriums, die Behörden seien aber vorbereitet, sollte es wieder zu Übertritten von Flüchtlingen aus Ungarn nach Österreich kommen. Bei Heiligenkreuz im Südburgenland bereiteten sich am Freitagabend die Einsatzkräfte auf das Eintreffen jener Flüchtlinge vor, die von Kroatien zur ungarischen Grenze gebracht und von dort aus Medienberichten zufolge in Richtung Österreich weitergeschickt worden waren. Noch gebe es keine genauen Informationen: "Wir harren der Dinge, die da kommen", so Polizeisprecher Helmut Marban zur APA.
Es gebe diverse Medienberichte über 21 Busse, die von der kroatisch- ungarischen Grenze Richtung österreichische Grenze unterwegs seien - mit verschiedenen Angaben betreffend eine Aufteilung in zwei Registrierungslager. "Wir sind da vorbereitet, wir sehen der Situation ins Auge, wenn sie eintrifft", sagte Marban. "Wir sind den ganzen Tag vor Ort, auch das Bundesheer ist vor Ort, es sind die nötigen Vorbereitungen im Gang", schilderte der Polizeisprecher.
Scharfe Worte aus Ungarn
Ungarns Außenminister Peter Szijjarto beschuldigte die kroatische Regierung, Migranten massenweise zum illegalen Grenzübertritt zu ermutigen. Es gebe keine Koordination der Aktionen beider EU-Staaten. Zugleich warf Ungarn dem EU-Nachbarn Kroatien "Versagen" bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise vor.
Szijjarto sprach von einem "kläglichen Verhalten" von Kroatiens Ministerpräsidenten Zoran Milanovic. In der ungewöhnlich scharfen Erklärung Szijjartos, die am Freitag in Budapest verbreitet wurde, hieß es: "Vielleicht sollte er einmal die Frage beantworten, was er (....) alles verbockt hat."
Kroatien völlig überfordert
Die rechtsgerichtete Regierung in Budapest hatte diese Woche schärfere Gesetze eingeführt, um den Zustrom von Migranten zu stoppen. An der Grenze zum Nicht-EU-Land Serbien hat Ungarn einen Grenzzaun errichtet, sodass viele Migranten nun versuchen, über Kroatien weiter Richtung Österreich und Deutschland zu gelangen. Die kroatische Regierung wiederum erklärte, mit der Registrierung und Aufnahme der Migranten überfordert zu sein und diese deshalb weiterziehen zu lassen.
Den Berichten zufolge war auf ungarischer Seite viel Militär und Polizei präsent. Die Stimmung sei aber nicht angespannt gewesen. Erst vor zwei Tagen war es am ungarisch-serbischen Grenzübergang Röszke zu Ausschreitungen mit Tränengas zwischen ungarischen Sicherheitskräften und Flüchtlingen gekommen. Dort hatte Ungarn die Grenze zu Serbien in ihrer gesamten Länge abgeriegelt.
Seitdem versuchen Tausende Migranten, über Kroatien nach Westeuropa zu gelangen. Bis Freitagmorgen registrierten die Zagreber Behörden 14.000 Flüchtlinge. Milanovic erklärte, sein Land könne den Andrang der Flüchtlinge nicht mehr bewältigen: "Ich sehe kein Problem, dass diese Leute durch Ungarn und Slowenien nach Österreich und Deutschland reisen." EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat Kroatien zur Bewältigung des Flüchtlingsstroms jedenfalls technische und logistische Unterstützung angeboten.
Merkel telefonierte mit Milanovic
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat mit dem kroatischen Ministerpräsidenten Zoran Milanovic wegen der Flüchtlingssituation in dessen Land telefoniert. Milanovic habe über die Anstrengungen Kroatiens gesprochen, seinen Verpflichtungen vollständig nachzukommen und dabei eine menschenwürdige Behandlung aller Flüchtlinge zu gewährleisten, berichtete Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitagabend. „Die Bundeskanzlerin und der Ministerpräsident stimmten überein, dass das Problem an den Außengrenzen der Europäischen Union gelöst werden müsse.“
Flüchtlinge an der Grenze: Bilder aus Südosteuropa
Ungarn errichtet weiteren Grenzzaun
Ungarn versucht wiederum, die Flüchtlinge mit einer scharfen Vorgangsweise von seinem Gebiet fernzuhalten. Dazu zählt auch ein stacheldrahtbewehrter Zaun an der 175 Kilometer langen Grenze zu Serbien. Nun soll auch an einem 40 Kilometer langen Abschnitt an der Grenze zu Kroatien im Eiltempo ein Zaun errichtet werden. Außerdem traten verschärfte Gesetze in Kraft, wonach illegaler Grenzübertritt als Straftat gilt und mit Haft oder Abschiebung bestraft werden kann.
Treffen in Wien
Hochrangige sozialdemokratische Spitzenpolitiker Europas treffen einander zum Thema Flüchtlingskrise am Freitag und Samstag in Wien. Daran werden Kanzler Werner Faymann, seine Amts- und Parteikollegen aus Frankreich und Schweden, Manuel Valls und Stefan Löfven, sowie der deutsche Vizekanzler Sigmar Gabriel und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz teilnehmen.
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