Angriffe auf syrische Rebellenhochburg

Mehr als 50 Menschen sollen bei den großangelegten Angriffen auf Qusayr durch Assads Truppen getötet worden sein.

Syrische Regierungstruppen haben mit Luft- und Artillerieangriffen auf die Rebellenhochburg Qusayr (Qusair/Kusseir) begonnen. Qusayr, an der Grenze zum Libanon im Westen gelegen, ist strategisch bedeutsam. Laut der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden am Sonntag mindestens 52 Menschen getötet. Der syrische Staatschef Bashar al-Assad schloss unterdessen einen Rücktritt aus und das Verhältnis zu Israel bleibt extrem angespannt.

Stadtzentrum eingenommen

Laut der Beobachtungsstelle flog die Luftwaffe Sonntag früh Angriffe auf Qusayr. Zudem habe es Artilleriebeschuss gegeben. Armeeeinheiten nahmen nach eigenen Angaben das Stadtzentrum ein. "Die syrische Armee kontrolliert den Hauptplatz von Qusayr und die umliegenden Gebäude", sagte ein Armeevertreter der Nachrichtenagentur AFP. Ein Regierungssoldat erklärte im Staatsfernsehen, einhundert bewaffnete Männer seien in heftigen Kämpfen getötet worden.

Die Beobachtungsstelle sprach von mindestens 52 Getöteten, darunter 21 Rebellen. Die Regierungstruppen wurden offenbar von der schiitischen Hisbollah-Miliz unterstützt. Ein Hisbollah-naher Informant sagte AFP, vier Mitglieder der libanesischen Miliz seien in Qusayr getötet worden.

Die Armee und regierungstreue Kämpfer versuchen seit Wochen, die strategisch wichtige Stadt zwischen Damaskus und der Mittelmeerküste unter Kontrolle zu bringen. Qusayr war seit mehr als einem Jahr in der Hand der Rebellen, die seit März 2011 gegen Assad kämpfen.

In der Provinz Deraa entführten unterdessen Bewaffnete am Samstag nach Angaben aus Regierungskreisen und der Beobachtungsstelle den Vater des syrischen Vizeaußenministers Faisal Mektad. Der 84-Jährige sei aus dem Haus der Familie im Dorf Ghossom in die Provinzhauptstadt Deraa gebracht worden, hieß es aus Regierungskreisen. In Damaskus wurden am Samstag laut Staatsfernsehen mindestens drei Menschen durch eine Autobombe getötet.

Internationale Aufrufe

Die wichtigste syrische Oppositionsgruppe Nationale Koalition fordert ein Ende des "Massakers" in Qusayr und beklagte "barbarische und zerstörerische Luftangriffe" auf die Stadt. Die Arabische Liga berief für Donnerstag eine Dringlichkeitssitzung ein.

Das französische Außenministerium erklärte, Paris sei "zutiefst besorgt" über die Lage in Qusayr. Alle Beteiligten müssten sich dafür einsetzen, "ein neues Massaker an der syrischen Zivilbevölkerung zu verhindern", erklärte ein Sprecher.

70.000 Tote

Im syrischen Bürgerkrieg sind nach UNO-Angaben bereits mehr als 70.000 Menschen getötet worden, Hunderttausende wurden in die Flucht getrieben. Die Hilfsorganisation Oxfam befürchtet zunehmende gesundheitliche Probleme bei syrischen Flüchtlingen in Jordanien und im Libanon. Schon jetzt hätten immer mehr Flüchtlinge mit Durchfall-und Hauterkrankungen zu kämpfen, teilte die Organisation am Montag mit. Die bevorstehende Sommerhitze mit Temperaturen über 40 Grad werde die Lage verschlimmern.

Rücktrittsforderungen aus den USA wies Syriens Präsident Bashar al-Assad zurück. "Ich weiß nicht, ob (US-Außenminister John) Kerry oder jemand anderes vom syrischen Volk die Macht bekommen hat, in seinem Namen zu sagen, wer gehen und wer bleiben soll", sagte Assad im Interview der argentinischen Nachrichtenagentur Telam und der Tageszeitung Clarin. Über die künftige Führung des Landes werde bei der Präsidentschaftswahl 2014 entschieden.

Chemiewaffeneinsatz

Zu Vorwürfen, seine Regierung habe Chemiewaffen eingesetzt, sagte Assad: "Wenn diese Waffen gegen eine Stadt oder ein Viertel eingesetzt worden wären, ist es glaubwürdig, dass es nur 10 oder 20 Opfer gibt?" Die Frage verneinte er demnach sogleich selbst. "Ihr Einsatz würde den Tod von Tausenden oder Zehntausenden binnen wenigen Minuten zur Folge haben. Wer könnte so etwas verheimlichen?" Die Anschuldigungen sollten wahrscheinlich als "Auftakt" für ein internationales militärisches Eingreifen in den Konflikt dienen, sagte Assad.

US-Präsident Barack Obama hatte den Einsatz von Chemiewaffen als "rote Linie" für ein Eingreifen im Syrien-Konflikt bezeichnet. Laut Kerry verfügen die USA inzwischen über "solide Beweise" für einen Chemiewaffeneinsatz durch die syrische Führung.

Konferenz zur Lösung des Konflikts

Assad zeigte sich offen für Pläne der USA und Russlands, eine internationale Konferenz zur Lösung des Konflikts zu organisieren. Jedoch glaube er nicht, "dass viele westliche Länder wirklich eine Lösung für Syrien wollen". Die Weltgemeinschaft mache sich falsche Vorstellungen. "Sie glauben, dass eine politische Konferenz den Terrorismus beenden kann. Das ist unrealistisch." Als Terroristen bezeichnet die syrische Regierung die von islamistischen Kämpfern unterstützten Rebellen im Land.

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