Putin gibt Ukraine Schuld an "Terrorakt" auf Krim-Brücke

Putin gibt Ukraine Schuld an "Terrorakt" auf Krim-Brücke
Hintergründe weiter unklar. Laut Kreml soll der ukrainische Geheimdienst SBU für die Explosion verantwortlich sein Zwölf Menschen laut Kiew in Saporischschja getötet.

Kurz nach der Explosion auf der Brücke zwischen Russland und der annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim hat die russische Armee Ziele im Süden der Ukraine angegriffen. Kiew meldete zwölf Tote und Dutzende Verletzte in der Stadt Saporischschja. Den Angaben nach hatte Russland dort Wohnhäuser bombardiert. Im südukrainischen Gebiet Cherson bereiteten die russischen Besatzer unter dem Druck ukrainischer Gegenoffensiven die Evakuierung von Zehntausenden Zivilisten vor.

Prestigeprojekt Krim-Brücke

Die schwere Explosion auf der einzigen Verbindungsbrücke zwischen Russland und der von Moskau annektierten Halbinsel Krim weckte international Befürchtungen vor einer weiteren Eskalation des Konflikts. Nach Angaben Moskauer Ermittler soll ein von russischer Seite kommender, mit Sprengstoff beladener Lastwagen explodiert sein. Durch die Detonation gerieten mehrere mit Diesel gefüllte Kesselwagen eines Güterzuges auf der höher gelegenen Eisenbahnbrücke in Brand. Drei Menschen starben demnach.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat den ukrainischen Geheimdienst SBU für die schwere Explosion auf der Krim-Brücke verantwortlich gemacht. "Es gibt keine Zweifel. Das ist ein Terrorakt, der auf die Zerstörung kritischer ziviler Infrastruktur der Russischen Föderation ausgerichtet war", sagte Putin am Sonntagabend.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj äußerte sich nicht zu Gerüchten, sein Land sei bei der Explosion beteiligt gewesen. In der Ukraine sei es großteils sonnig und warm gewesen, "auf der Krim leider bewölkt, obwohl auch dort warm", sagte er in seiner täglichen Videoansprache in Anspielung auf die Detonation. Näher ging er auf den Vorfall nicht ein.

Kapazität eingeschränkt

Die Explosion dürfte nach Ansicht britischer Experten die Kapazität der Straßenverbindung erheblich verringert haben. Zwei der vier Fahrspuren seien auf einer Länge von 250 Metern eingestürzt. Die anderen beiden Spuren würden aber wahrscheinlich wieder genutzt, hieß es im täglichen Geheimdienst-Update des britischen Verteidigungsministeriums. Wie schwer die Schienenverbindung beschädigt ist, sei unklar, "aber jegliche schwerere Störung ihrer Kapazität wird höchstwahrscheinlich einen erheblichen Einfluss auf die bereits angespannten Fähigkeiten Russlands haben, seine Kräfte in der Südukraine zu versorgen", so die Mitteilung.

Der Zugverkehr lief nach russischen Angaben am Sonntag aber wieder nach Plan. Die Güter- und Fernverkehrszüge rollten im normalen Betrieb, teilte das Verkehrsministerium in Moskau mit. Am Abend solle auch der Regionalverkehr wieder beginnen, hieß es. Die Aufräumarbeiten dauerten demnach an. Im Autoverkehr kam es zu stundenlangen Wartezeiten an der Brücke, wie Medien berichteten.

In seinem Telegram-Kanal veröffentlichte unterdessen Selenskyj Bilder schwer zerstörter Hochhäuser in Saporischschja. Dort sollen nach Angaben der ukrainischen Nachrichtenagentur Ukrinform zwölf Menschen getötet und 89 verletzt worden sein, darunter elf Kinder. Selenskyj sprach vom "absoluten Bösen"; die "Terroristen" würden vom Befehlsgeber bis zum Täter zur Verantwortung gezogen. Die Stadt Saporischschja wird anders als große Teile des gleichnamigen Gebiets nicht von russischen Truppen kontrolliert. Sie war bereits mehrfach Ziel von Angriffen. Nach ukrainischen Militärangaben sollen die russischen Truppen mindestens zwölf Raketen auf Wohngebäude abgefeuert haben. Eine russische Bestätigung gab es dafür nicht.

Neuer Kommandant

Nach zahlreichen Niederlagen bei ihrem Angriffskrieg haben die russischen Truppen in der Ukraine einen neuen Kommandanten. Der 55 Jahre alte Armeegeneral Sergej Surowikin sei von Verteidigungsminister Sergej Schoigu eingesetzt worden, um die "militärische Spezialoperation" zu führen, teilte Ministeriumssprecher Igor Konaschenkow in Moskau mit. Schoigu kommt damit nach Meinung von Kommentatoren seinen Kritikern entgegen, die angesichts von Niederlagen eine Neuaufstellung der Truppen in der Ukraine gefordert hatten.

Rund siebeneinhalb Monate nach Kriegsbeginn hat Russlands Inlandsgeheimdienst FSB der Ukraine insgesamt mehr als 100 Angriffe auf russisches Staatsgebiet vorgeworfen - alleine seit Anfang Oktober. Insgesamt seien in den vergangenen Tagen 32 Ortschaften in den an die Ukraine grenzenden Gebieten Brjansk, Kursk und Belgorod beschossen worden, teilte der FSB am Sonntag mit. Damit habe die Zahl der Angriffe zuletzt deutlich zugenommen. Unabhängig überprüft werden konnte das nicht. Bei den Angriffen seien ein Mensch getötet und fünf weitere verletzt worden, hieß es aus Moskau weiter.

Evakuierung von Zehntausenden Zivilisten

Nach dem Abzug russischer Truppen aus der Stadt Lyman im Osten der Ukraine fanden die Behörden wiederum nach eigenen Angaben rund 200 Gräber und ein Massengrab. Mit den Exhumierungen sei bereits begonnen worden, schrieb der Militärgouverneur des Gebiets Donezk, Pawlo Kyrylenko, in seinem Kanal im Nachrichtendienst Telegram. Die zeitweise von russischen Truppen besetzte strategisch wichtige Kleinstadt war von den Ukrainern Anfang Oktober zurückerobert worden. Bei den Toten könne es sich ersten Erkenntnissen zufolge sowohl um ukrainische Soldaten als auch um Zivilisten handeln, hieß es.

Unter dem Druck ukrainischer Gegenoffensiven in dem von Moskau annektierten südukrainischen Gebiet Cherson bereiten die russischen Besatzer die Evakuierung von Zehntausenden Zivilisten vor. Unter anderem seien die russischen Regionen Krasnodar und Stawropol zur Aufnahme von Kindern und Erwachsenen bereit, schrieb der Besatzungschef von Cherson, Wladimir Saldo. In der Region Cherson hat die Ukraine dem Militär zufolge im Rahmen ihrer Gegenoffensive 1.170 Quadratkilometer zurückerobert. Die Ukraine mache Fortschritte, sagt die Sprecherin des Militärkommandos im Süden, Natalia Humenjuk. Es müsse aber noch viel getan werden, um die Geländegewinne zu halten.

Im weitgehend von Russland besetzten Gebiet Luhansk im Osten ihres Landes hat die Ukraine hat eigenen Angaben zufolge in den vergangenen Tagen sieben Orte zurückerobert. Dazu zählten etwa die Dörfer Nowoljubiwka und Grekiwka, schrieb der ukrainische Verwaltungschef für Luhansk, Serhij Hajdaj, am Sonntag auf Telegram. Bereits am Freitag hatte Präsident Selenskyj von sechs befreiten Luhansker Ortschaften gesprochen. Da diese aber nach der Vertreibung der russischen Truppen noch abgesichert werden mussten, könnten die Details erst jetzt genannt werden, meinte 

Kommentare