Kramp-Karrenbauer will Flüchtlingspolitik seit 2015 prüfen
Die neue CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer will sämtliche migrationspolitische Maßnahmen seit Beginn der Flüchtlingskrise 2015 auf den Prüfstand stellen. "Unsere Sicherheitsbehörden müssen durchsetzungsfähiger werden, auch im Bereich der gesamten Migration", sagte Kramp-Karrenbauer der "Welt am Sonntag".
Noch im Februar wolle die CDU "dazu ein Werkstattgespräch führen". Dabei gehe es "um eine Generalaussprache beginnend mit den Entscheidungen 2015 bis heute".
"Wir werden uns die gesamte Einwanderungsfrage von dem Schutz der Außengrenze über die Asylverfahren bis zur Integration unter dem Gesichtspunkt der Wirksamkeit anschauen", sagte Kramp-Karrenbauer. Zusammen mit Experten von der EU-Grenzschutzbehörde Frontex bis zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) werde geprüft, "was an welcher Stelle verbessert werden" müsse.
Merkel: "Verplemperte Zeit"
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat laut "WamS" das Reden über das Jahr 2015 als "verplemperte Zeit" bezeichnet. Kramp-Karrenbauer widersprach dieser Auffassung: "Sie wäre verplempert, wenn wir diese Debatte darauf verengen. Es wäre aber ebenfalls ein seltsamer Zustand, wenn wir in der CDU das Thema umfassend behandeln und das Jahr 2015 ausklammern würden", sagte die neue Parteichefin.
Einen Monat nach Kramp-Karrenbauers Wahl an die Parteispitze kommt der Bundesvorstand der Christdemokraten am Sonntag in Potsdam zu einer zweitägigen Klausurtagung über das Arbeitsprogramm 2019 zusammen. Kramp-Karrenbauer nannte in der "WamS" die Konjunkturpolitik als weiteres wichtiges Thema. "Wir müssen überlegen, wie wir die Binnenkonjunktur und unsere Wettbewerbssituation stärken können, etwa indem wir die Abgabenlast für Betriebe verringern durch eine Unternehmenssteuerreform", sagte die CDU-Chefin.
Sie kritisierte, dass der deutsche Finanzminister Olaf Scholz (SPD) Steuerentlastungen erst bei einer konjunkturellen Eintrübung vorsehe. Die deutsche Bundesregierung solle damit nicht darauf warten, "dass die Konjunktur schwächer wird". SPD und Linkspartei warf Kramp-Karrenbauer vor, die Diskussion über die Abschaffung des Solidaritätszuschlags für eine Neid-Debatte zu missbrauchen.
Systemwettbewerb mit China
"Sie bezeichnen die zehn Prozent der Bevölkerung, die bisher nicht entlastet werden, als superreich", kritisierte Kramp-Karrenbauer. Dass es sich dabei oft um kleinere und mittlere Unternehmen handle, die zum Wohle aller Bürger entlastet werden sollten, verschwiegen die beiden Parteien.
Der Handelskrieg zwischen den USA und China setze die deutsche Industrie unter Druck. Gleichzeitig befände sich Deutschland mit der sozialen Marktwirtschaft in einem Systemwettbewerb etwa mit der chinesischen Wirtschaft. "All das sind Entwicklungen, die wir aktiv angehen müssen", sagte die CDU-Chefin.
Kramp-Karrenbauer kritisierte überdies Wortmeldungen von CDU-Politikern zu Kanzlerkandidaturen als "völlig überflüssig". EU-Kommissar Günter Oettinger hatte sich Anfang Jänner für eine Kanzlerkandidatur von Friedrich Merz ausgesprochen. "Wir haben eine Kanzlerin. Bevor wir über Kandidaturen reden, müssen wir gemeinsam die CDU in den Zustand bringen, der erfolgreiche Wahlkämpfe zulässt", mahnte Kramp-Karrenbauer.
Sie beanspruchte für sich das Recht, den Kanzlerkandidaten vorzuschlagen. "Das galt für alle Vorsitzende der CDU und das wird auch für mich gelten", sagte sie der "WamS".
Wieder deutlich weniger Asylanträge in Deutschland
In Deutschland haben im vergangenen Jahr deutlich weniger Menschen Asyl beantragt als im Jahr zuvor. Nach Informationen der "Bild am Sonntag" wurden von Jänner bis Dezember 2018 insgesamt 185.853 Asylanträge gestellt, 16,5 Prozent weniger als im Jahr davor. 2017 wurden insgesamt 222.683 Anträge in Deutschland registriert.
Der für Migration und Rückführung zuständige Staatssekretär im deutschen Innenministerium, Helmut Teichmann, sprach in der Zeitung von einem "kontinuierlichen Rückgang des Zugangsgeschehens nach Deutschland" seit dem Höhepunkt im Herbst 2015. Ursächlich dafür sei auch der "Masterplan Migration".
Union legt offenbar leicht zu
Die Union in Deutschland unter ihrer neuen CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer steigt in der Wählergunst. Dem Meinungsforschungsinstitut Emnid zufolge kämen CDU/CSU derzeit auf 31 Prozent der Stimmen, zwei Prozentpunkte mehr als Ende Dezember, wie die "Bild am Sonntag" im Voraus berichtete.
Die Grünen verlieren demnach einen Punkt auf 18 Prozent, gefolgt von der SPD mit unverändert 15 und der AfD mit ebenfalls unveränderten 14 Prozent. Die Linke erreiche wie zuletzt 9 Prozent, die FDP verliere einen Punkt auf acht Prozent. Für die Umfrage wurden den Angaben zufolge zwischen dem 3. und 9. Jänner 2019 insgesamt 1.964 repräsentativ ausgewählte Personen befragt.
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