Erschießung, Verurteilung, Wahl: Kolumbien wird zum Pulverfass

Er gilt als eine Ikone der Rechten und als Hassfigur der Linken: Ex-Präsident Alvaro Uribe polarisiert in Südamerika wie kaum ein anderer Politiker. Nun ist er zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Die zuständige Richterin wirft dem von 2002 bis 2010 regierenden rechten Hardliner Prozessbetrug und Zeugenbestechung vor.
Uribe niedergeschossen
Es ist der zweite schwere Schlag gegen die rechte Opposition innerhalb weniger Wochen. Vor gut zwei Monaten wurde der potenzielle Präsidentschaftskandidat Miguel Uribe (nicht mit dem Ex-Präsidenten verwandet) niedergeschossen. Am Montag verlor er den Kampf gegen den Tod.
Der Anschlag erinnert an schlimmste Zeiten. Die Verurteilung und das Attentat treibt die ohnehin große Polarisierung im Land voran. Ex-Präsident Uribe gilt für viele Kolumbianer als ein Volksheld, weil er mit harter Hand die damals starke linksextreme FARC-Guerilla zurückdrängte, die mit Entführungen und Bombenanschlägen die Bevölkerung terrorisierte.
Solidaritätsmärsche
Zur Hochphase seiner Regierung erreichte er Zustimmungsraten von 80 Prozent. Seine Anhänger haben nach der Verurteilung landesweite Solidaritätsmärsche angekündigt. Das kolumbianische Militär beging damals allerdings auch schwere Menschenrechtsverletzungen.
Unter anderem wird Uribe vorgeworfen für den Skandal um die „falsos positivos“, also gefälschte Beweise, politisch verantwortlich zu sein. Dabei wurden unschuldige Zivilisten getötet und als Guerilleros ausgegeben, um Prämien des Militärs zu kassieren. Uribe galt stets als ein enger Verbündeter der USA, Kolumbien ist heute das einzige NATO-Partnerland in Südamerika. Der amtierende linksprogressive Präsident Gustavo Petro vertritt ideologisch entgegengesetzte Positionen.
Kokain-Schwemme
Im Jahr 2022 galt er vor allem bei vielen jungen Kolumbianern als Hoffnungsträger, denn Petro versprach einen Friedensprozess mit allen bewaffneten Banden. Die durch Friedensprozess begründete Zurückhaltung des Militärs nutzten allerdings die linksextreme Guerillabanden und rechtsextremen Paramilitärs, um sich neu zu organisieren und zu alter Stärke zurückzufinden.
Inzwischen kontrollieren sie wieder zahlreiche Unruheregionen, tausende Menschen werden vertrieben. Die Kokain-Produktion ist ebenso deutlich gestiegen wie die Abholzung im Amazonas-Regenwald. Die aktuelle Kokain-Schwemme in Europa ist auch der Überproduktion in Kolumbien geschuldet. In der Unruheprovinz Catatumbo tobten blutige Kämpfe zwischen den rivalisierenden linksgerichteten Guerillagruppen ELN und FARC.
Mehr als 100 Tote
Die Auseinandersetzungen haben über 100 Tote und zehntausende Vertriebene gefordert. An der Pazifikküste verhängte die ELN eine Ausgangssperre gegen die Zivilbevölkerung. Zudem gibt es schwere Vorwürfe gegen Petro wegen persönlichen Fehlverhaltens. Ex-Außenminister Alvaro Leyva wirft dem Präsidenten Drogenabhängigkeit vor, es gibt Videos, die nahelegen, dass Petro betrunken auftrat. Auch Vizepräsidentin Francia Marquez kritisierte Petro scharf und warf ihm vor sie gezielt ausgenutzt zu haben: „Wir sind nützlich, um Wahlen zu gewinnen, aber nicht, um zu regieren.“
Die Umweltaktivistin ist die erste afrokolumbianische Frau im zweithöchsten Staatsamt. „Man will uns auf Fotos, aber nicht an den Entscheidungstischen. Man will uns als Symbol, aber nicht als Volk mit einer Stimme.“
Ruf nach "starkem Mann"
Nun wird in der kolumbianischen Gesellschaft der Ruf nach einem „starken Mann“ wieder laut, wie es einst Alvaro Uribe war. In genau einem Jahr endet die Amtszeit Petros, allerdings liebäugelt der Präsident mit einer Wiederwahl. Die ist allerdings in der Verfassung nicht vorgesehen. Sein Kabinettschef Alfredo Saade, ein evangelikaler Pastor, ließ wissen, er wolle Petro am liebsten 20 Jahre im Amt sehen.
Dazu wäre eine verfassungsgebende Versammlung notwendig. Vor drei Jahren im Wahlkampf hatte Petro versprochen, dass es genau das nicht geben würde. Viele Kolumbianer, die damals Angst hatten, dann würde Kolumbien zu einem zweiten Venezuela werden, glaubten dem Linkspolitiker. Inzwischen sucht Petro tatsächlich die Nähe zu Venezuela.
Eine binationale Zone der beiden Länder solle den Handel vorantreiben. Damit erkennt Petro de facto aber den linksextremen Machthaber Nicolas Maduro in Caracas an. Maduro werden schwerste Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt, vor allem aber massiver Wahlbetrug bei den Präsidentschaftswahlen 2024.
Kritik aus Washington
Die Handelszone ist nun eine Hintertür, durch die sich Maduro aus seiner politischen Isolation befreien kann. Und die schafft einen Raum, in dem sich die Guerillabanden zwischen beiden Ländern problemlos bewegen können. Das Urteil gegen Uribe löste internationale Reaktionen aus. US-Außenminister Marco Rubio kritisierte: „Die Instrumentalisierung der kolumbianischen Justiz durch radikale Richter hat einen besorgniserregenden Präzedenzfall geschaffen“. Petro wies den Vorwurf zurück. Eine Einmischung in die Justizangelegenheiten eines anderen Landes sei eine Verletzung der nationalen Souveränität.
Die Welt müsse die Richter Kolumbiens respektieren, von denen viele ermordet worden seien. Richterin Sandra Liliana Heredia beteuerte, im Prozess sei es nicht um die politische Geschichte Kolumbiens gegangen und er sei auch nicht Rache geführt worden. Es handele sich nicht auch um eine Verschwörung, um einen Akt der Opposition oder der Politik. „Es handelt sich um einen Akt der Gerechtigkeit und nur um Gerechtigkeit.“
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