Mit Kochtöpfen gegen den Radikalkurs des neuen Präsidenten

Manchmal entscheiden ein paar Augenblicke über den Erfolg oder Misserfolg einer politischen Karriere. Ein Lachen zum falschen Zeitpunkt, ein misslungenes Gesetz, das richtige Krisenmanagement. In Argentinien könnte dieser Augenblick genau 15 Minuten und 20 Sekunden lang gewesen sein. So lange dauerte die per TV-Ansprache landesweit in TV- und Radio übertragene Rede des neuen argentinischen Präsidenten Javier Milei. Und in dieser Rede ging der libertäre Ökonom auf volles Risiko.
Es war ein Frontalangriff auf das bestehende Gesellschaftsmodell und ein radikaler Kurswechsel hin zu einem freien und deregulierten Markt. Genau das hatte Milei im Wahlkampf so angekündigt und dafür war er auch mit elf Prozentpunkten Vorsprung ins Präsidentenamt gewählt worden. Doch nun bekamen die Argentinier schwarz und weiß nachzulesen und zu hören, wie Milei das krisengeschüttelte Land umbauen will.
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Unter anderem sollen zahlreiche Gesetze etwa zur Regulierung des Arbeitsmarktes und zur Eindämmung von Mieten aufgehoben werden. Staatsbetriebe wie die Fluglinie Aerolinas Argentinas sollen in Aktiengesellschaften umgewandelt werden, um sie später zu privatisieren.

Argentiniens neuer Präsident Milei
Deutlich wurde Milei auch beim Thema Exporte: „Ab heute ist es verboten, Ausfuhren zu verbieten“.
Den Markt entfesseln
Kurzum: Milei will den freien Markt entfesseln. „Die Preise in US Dollar, rette sich, wer kann“, kommentierte der linksgerichtete Sender CN5 die Aussetzung des derzeit gültigen Mietrechts.
Stunden vor der Rede waren Tausende Menschen auf die Plaza de Mayo geströmt, um dort ihren Protest gegen die zuvor ausgedrückten Sparmaßnahmen auszudrücken. Doch das war eine von den vielen Demonstrationen, die Buenos Aires ohnehin wöchentlich erlebt. Die Menge blieb aber vergleichsweise überschaubar.
Die neue und offenbar nervöse Regierung reagierte mit einem Großaufgebot an Sicherheitskräften. Viel spannender war dagegen die Reaktion der Menschen nach der Rede Mileis am späten Abend. Spontan schlugen in einigen Stadtteilen die Menschen auf Kochtöpfe – eine in Südamerika populäre Art Protest auszudrücken.
In Buenos Aires strömten die Menschen nach Mitternacht zum Kongress und demonstrierten gegen die Milei-Maßnahmen. Es könnte der Auftakt zu einer harten gesellschaftlichen Auseinandersetzung über den weiteren wirtschaftspolitischen Kurs des Landes sein.
Machtkampf
Mit seiner Rede hat Milei die üblichen „Flitterwochen“ nach dem Wahlsieg einer neuen Regierung abrupt verkürzt und den Machtkampf eingeläutet. Sein Kurs ist eine Mischung aus Mut und Waghalsigkeit einerseits, aber auch unberechenbarer Experimentierfreude auf Kosten nicht weniger Wendeverlierer der anderen Seite.
„Für Milei ist das ein Vabanque-Spiel. Alles oder nichts“, sagte der in Buenos Aires lebende unabhängige Wirtschaftsanalyst Carl Moses. Und so können am Ende es denkwürdigen Tages und einer lauten Nacht 15 Minuten und 20 Sekunden über den weiteren Verlauf einer Präsidentschaft entscheiden, die gerade einmal zehn Tage alt ist.
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