Ukraine: 4.000 Wärmestuben gegen "schlimmsten Winter seit Zweitem Weltkrieg"

Ukraine: 4.000 Wärmestuben gegen "schlimmsten Winter seit Zweitem Weltkrieg"
Der Winter werde aufgrund regelmäßiger Stromausfälle "schlimm", so Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko. Die Regierung reagiert mit dem Einrichten von 4.000 Wärmestuben.

In der Ukraine müssen nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj noch etwa 2.000 von russischen Truppen besetzte Städte und Dörfer befreit werden. Das sagte Selenskyj nach Angaben des Präsidialamtes in Kiew am Dienstag in einer Videobotschaft für französische Kommunalpolitiker. Einige Dutzend Orte wie die Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer oder Wolnowacha im Gebiet Donezk seien durch russische Angriffe völlig zerstört worden.

Die Ukraine versuche, in den knapp 1.900 zurückeroberten Ortschaften das Leben rasch wieder zu normalisieren, sagte Selenskyj. Sein Land sei deshalb dankbar für alle Hilfen bei der Verteidigung und beim Wiederaufbau. Wo die russische Armee sich zurückziehe, plündere sie die besetzten Städte und Dörfer noch einmal aus und zerstöre die Infrastruktur.

4.000 Wärmestuben für den Winter

Am Dienstagabend hat Selenskyj deshalb die Einrichtung von mehr als 4.000 Wärmestuben für die von Kälte und Dunkelheit geplagte Bevölkerung des angegriffenen Landes angekündigt. "Alle grundlegenden Dienstleistungen werden dort bereitgestellt", sagte er in seiner abendlichen Videoansprache am Dienstag. "Dazu gehören Strom, mobile Kommunikation und Internet, Wärme, Wasser, Erste Hilfe. Völlig kostenlos und rund um die Uhr."

Ukraine: 4.000 Wärmestuben gegen "schlimmsten Winter seit Zweitem Weltkrieg"

Selenskyj nannte die Einrichtungen in Verwaltungsgebäuden oder Schulen "Stabilitätspunkte". Der offizielle Name auf einer Website der Regierung lässt sich auch mit "Punkte der Unerschütterlichkeit" übersetzen. "Ich bin sicher, dass wir diesen Winter gemeinsam überstehen werden, wenn wir uns gegenseitig helfen", sagte er.

"Sollte es erneut zu massiven russischen Angriffen kommen und die Stromversorgung nicht innerhalb weniger Stunden wiederhergestellt werden können, wird die Arbeit der "Stabilitätspunkte" aktiviert", sagte Selenskyj. Die lokalen Behörden sollten darüber informieren, "wo man im Falle eines längeren Stromausfalls Unterstützung finden kann". Auch Unternehmen seien gebeten, Räume oder Hilfen zur Verfügung zu stellen.

Klitschko: "Schlimmster Winter seit Zweitem Weltkrieg"

Der Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, rechnet wegen der Stromausfälle mit einem dramatischen Winter für die etwa drei Millionen Einwohner zählende Hauptstadt der Ukraine. "Das ist der schlimmste Winter seit dem Zweiten Weltkrieg", sagte er der BILD.

Man müsse auf das "schlimmste Szenario" von flächendeckenden Stromausfällen bei tiefen Temperaturen vorbereitet sein: "Dann müssten Teile der Stadt evakuiert werden", sagte er. "Aber so weit wollen wir es nicht kommen lassen!"

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Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko

Der Ex-Box-Weltmeister warf dem russischen Staatschef Wladimir Putin vor, durch Angriffe auf die zivile Infrastruktur die Ukrainer zur Flucht aus Kiew treiben zu wollen. "Putin will die Menschen terrorisieren, sie frieren lassen, ohne Licht." So solle Druck auf den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ausgeübt werden.

"Aber das wird nicht passieren. Mein Eindruck ist: Die Menschen werden nur noch wütender, noch entschlossener. Wir werden nicht sterben oder fliehen, so wie Putin es möchte", sagte Klitschko. Er bat Deutschland, neben Waffen zur Verteidigung dringend auch Generatoren, Schutzkleidung und humanitäre Güter zu schicken.

Kuleba: "EU darf nicht müde werden"

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hat an die Europäische Union appelliert, angesichts des Krieges in der Ukraine nicht "müde" zu werden. "Ich rufe meine Kollegen in der EU auf", "alle Zweifel" und "Müdigkeit" beiseite zu stellen und "das neunte Sanktionspaket", das "seit langem überfällig" sei, "so schnell wie möglich fertigzustellen", sagte er am Dienstag bei einer Online-Pressekonferenz.

Ukraine: 4.000 Wärmestuben gegen "schlimmsten Winter seit Zweitem Weltkrieg"

"Wenn wir Ukrainer nicht müde sind, hat der Rest Europas weder ein moralisches noch ein politisches Recht, müde zu sein", hieß es weiter. Kuleba forderte, insbesondere den staatlichen Atombetreiber Rosatom wegen seiner Rolle bei der Besetzung des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja zu bestrafen.

Wichtig seien auch Sanktionen, die es ermöglichen, die russische Rüstungsindustrie zu "bremsen". "Russlands Fähigkeit, neue Raketen zu produzieren, muss zerstört werden, um zu verhindern, dass sie zusätzliche Ressourcen haben, um Ukrainer zu töten, ukrainische Städte und das Energiesystem zu zerstören", argumentierte er.

USA unterstützen mit weiteren 4,5 Mrd. Dollar

Die US-Regierung erklärte unterdessen, sie werde die Ukraine über die Weltbank mit 4,5 Milliarden Dollar (4,4 Milliarden Euro) unterstützen, um die wirtschaftliche Stabilität zu fördern und die wichtigsten staatlichen Dienstleistungen zu unterstützen. "Diese Mittel werden in den kommenden Wochen ausgezahlt", erklärte Finanzministerin Janet Yellen.

Die US-Gelder kommen "zu einem kritischen Zeitpunkt, da das Land mit schwerwiegenden Unterbrechungen der Energieversorgung und kälterem Wetter konfrontiert ist", erklärte Weltbankpräsident David Malpass. Die Weltbank hat laut Malpass bisher fast 17,8 Milliarden Dollar an Soforthilfe zur Unterstützung der ukrainischen Bevölkerung mobilisiert, von denen mehr als 11,4 Milliarden Dollar ausgezahlt wurden.

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