Keir Starmer muss sich vor "Verrätern" in Acht nehmen

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Der britische Premier ist so unbeliebt wie kein Landeschef in Europa (außer Emmanuel Macron). Was zuletzt dazu beitrug und wie wahrscheinlich seine Zukunft als Landeschef ist.

Die britische Politik ist immer theatralisch. Wenn der Premierminister in der holzvertäfelten Unterhauskammer neue Pläne präsentiert, erinnern die befürwortenden „Ayes!“ der Kollegen und das spöttische Gelächter der Opposition stets ein wenig an eine Shakespeare-Aufführung. Doch diese Woche wurde die Downing Street mehr denn je zum Reality-Drama.

„Ich bin ein Loyaler – kein Verräter“, beteuerte Labour-Gesundheitsminister Wes Streeting im britischen Morgenfernsehen. Eine gekonnte Anspielung auf die Serie „Celebrity Traitors“, die kürzlich mit 12 Millionen Zusehern ins Finale ging. Und wie bei der Reality-Show, in der Stars die versteckten Verräter unter sich aufdecken müssen, blieben auch die BBC-Zuschauer skeptisch. 

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Gesundheitsminister Wes Streeting (re.) werden Ambitionen auf den Chefposten nachgesagt. 

Könnte doch etwas an den Gerüchten sein, dass Wes Streeting, oder vielleicht die neue Innenministerin Shabana Mahmood, Keir Starmer den Platz streitig machen möchten

Nur Macron ist unbeliebter

Anlass gebe es jedenfalls. Während Keir Starmer ein Monat nach seinem Amtsantritt noch 36 Prozent der Briten auf seiner Seite und 43 Prozent gegen sich hatte, klafft diese Schere laut YouGov nun dramatisch auseinander. Nur mehr 17 Prozent der Briten befürworten seine Arbeit, 73 Prozent missfällt sie. Damit ist Keir Starmer unbeliebter als fast alle europäischen Landeschefs (mit Ausnahme von Emmanuel Macron). 

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Die unbeliebtesten Landeschefs Europas: Starmer und Macron.

Dabei gab es im September kurzen Aufwind. Nach seiner energischen Rede bei der Labour-Jahreskonferenz in Liverpool wedelten die rot-weiß-blauen Fähnchen fast so heftig wie nach seinem Wahlsieg in der Downing Street. 

Starmer, der Vielreisende

Aber danach hat Starmer Großbritannien wieder schnell verlassen. Er flitzte zunächst  zu einem europäischen Polit-Gesprächsgipfel nach Kopenhagen, traf dann den indischen Premierminister Narendra Modi in Mumbai, anschließend US-Präsident Donald Trump in Sharm El Sheikh. Es folgte ein Eurofighter-Termin in Ankara und schließlich ein Pre-COP30-Besuch in Rio de Janeiro

Wie ungut Starmers internationale Reisen (33 seit seinem Amtsantritt) bei der Bevölkerung ankommen, zeigt sich schon darin, dass die Liste einen eigenen Wikipedia-Eintrag bekommen hat. „Wir könnten zumindest ein paar verdammte Bäume pflanzen“, monierte ein Labour-Abgeordneter daher unlängst im Polit-Magazin New Statesman

Britain's Green Party leader Zack Polanski poses for a portrait in London

Die grüne Partei wurde unter Zack Polanski die drittstärkste im Land. 

Denn die in England bis dato eher ungefährliche Grüne Partei ist derzeit auf Überholkurs.

Südafrika statt Staatsbudget

Doch anstatt sich auf die Budgetrede Ende November vorzubereiten, die Starmer weitere Unbeliebtheitswerte einbringen dürfte, packt Keir Starmer kommende Woche seine Koffer für den G20-Gipfel in Johannisburg

Wie gefährlich ist die Situation also für den Premier? „Es liegt Blut im Wasser und die Haie kreisen“, urteilt Tim Bale, Politikprofessor an der Queen Mary University. „Premierminister – insbesondere Premierminister der Labour-Partei – überleben zwar oft länger, als man denkt, aber in Starmers Fall sind seine Umfragewerte und die seiner Partei sehr schlecht. Es ist schwer vorstellbar, dass er eine mögliche Herausforderung überstehen wird.“ 

Die Frage für die Herausforderer sei daher weniger ob, sondern wann sie den Schritt wagen. „Ich vermute“, ergänzt Bale, „dass sie warten, bis Labour bei den Kommunalwahlen 2026 eine katastrophale Niederlage erleidet.“ 

Doch ebenso wie der Verräter bei den „Traitors“ handeln muss, bevor ihn die Tafelrunde aus dem Schloss verbannt, könnten die Anwärter auf den Landeschef-Posten zur verfrühten Handlung gezwungen werden. Nämlich dann, wenn die Lage der gesamten Partei in Gefahr ist. 

 

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