Katz- und Maus-Spiel geht weiter: Was wird aus Julian Assange?
Auch nach Ende der Ermittlungen in Schweden traut sich der Wikileaks-Gründer nicht aus Ecuadors Botschaft in London.
19.05.17, 16:01
Alle warten auf
Julian Assange. Aber am Freitag guckt erstmal nur die Botschaftskatze, die einen mit Herzen verzierten Schlips trägt, aus dem Fenster. Die Bürgersteige sind voller Journalisten, die Polizei ist da, direkt nebenan liegt das Kaufhaus Harrods.
Vor fast fünf Jahren hat sich der Wikileaks-Gründer in die ecuadorianische Botschaft in London geflüchtet. Setzt er einen Fuß vor die Tür, wird ihn Scotland Yard festnehmen.
The national flag of Ecuador flutters outside the Embassy of Ecuador in London on May 19, 2017.
WikiLeaks founder Julian Assange, who had a rape investigation against him in Sweden dropped on May 19, 2017, has lived in Ecuador's embassy in London for nearly five years to avoid arrest. / AFP PHOTO / Justin TALLIS
Jahrelang hatten sich schwedische Staatsanwälte ein juristisches Tauziehen mit Assanges Anwälten geliefert. In
Schweden soll der Australier 2010 eine Frau vergewaltigt haben. Weitere Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen
Assange sind bereits verjährt. Der beteuerte seine Unschuld und versuchte immer wieder, eine Aufhebung des Haftbefehls zu erreichen.
Nach fast sieben Jahren geht es am Freitagmorgen plötzlich Schlag auf Schlag: Die schwedischen Behörden verkünden, die Ermittlungen gegen den 45-Jährigen seien beendet. Der Verdacht gegen ihn sei zwar nicht aus der Welt, macht Anklägerin Marianne Ny am Freitag klar. Doch ohne, dass Assange sich in
Schweden einem Prozess stellt, treten die Staatsanwälte in dem Fall auf der Stelle: "Wir sehen keine Möglichkeiten, die Ermittlungen weiter voranzutreiben."
"Ernsthaft? Oh mein Gott", freut sich Assange nach Angaben seines Anwalts. Dazu twittert er ein Bild von sich, auf dem er in die Kamera strahlt.
Doch das heißt nicht, dass er ein freier Mann ist.
Denn kurz darauf stellt die Londoner Polizei klar: Assange wird immer noch gesucht - aber wegen eines "viel weniger schweren" Vergehens. Damit dürfte ein Verstoß gegen die Auflagen gemeint sein, die der Australier 2012 hatte. Damals war er auf Kaution frei.
Ob er das Londoner Exil mit der Adresse 3 Hans Crescent jetzt trotzdem verlassen wird? Oder zeigt er sich den Kameras wenigstens auf dem Balkon im ersten Stock wie 2012 und 2015? Vor fünf Jahren war Assange in die Botschaft geflüchtet, weil er fürchtete, dass Schweden ihn an die USA ausliefern könnte.
A cat sits in the window of the flat of the Embassy of Ecuador in London on May 19, 2017.
WikiLeaks founder Julian Assange, who had a rape investigation against him in Sweden dropped on May 19, 2017, has lived in Ecuador's embassy in London for nearly five years to avoid arrest. / AFP PHOTO / Justin TALLIS
Dort gab es zuletzt Spekulationen darüber, dass die Behörden wegen der Enthüllungen seiner Plattform
Wikileaks eine Anklage gegen ihn vorbereiten könnten. Sie machen ihn dafür verantwortlich, dass brisante Dokumente aus den Kriegen in
Afghanistan und im
Irak an die Öffentlichkeit gelangten. Auf seinem Twitter-Account nennt sich Assange "Flüchtling" und lässt sein Gastland hochleben: "
Viva el
Ecuador!"
Die einen halten Assange für einen Aufklärer und Robin Hood der Internetwelt, die anderen für einen Selbstdarsteller, der mit
Wikileaks sogar das Leben von Menschen aufs Spiel gesetzt hat.
(FILES) This file photo taken on February 05, 2016 shows WikiLeaks founder Julian Assange looking out of a window at the Ecuadorian embassy in central London.
Swedish prosecutors dropped a seven-year rape investigation into Julian Assange on May 19, 2017, a legal victory for the WikiLeaks founder who has been holed up in the Ecuadoran embassy in London since 2012. / AFP PHOTO / BEN STANSALL
Als politischer Aktivist ist er längst Zeitgeschichte und Teil der Popkultur.
Benedict Cumberbatch hat ihn in einem Film gespielt.
Lady Gaga hat ihn interviewt, auch der US-Bürgerrechtler
Jesse Jackson und der Filmemacher
Michael Moore besuchten ihn.
Vivienne Westwood erzählte einmal: "Ich quetsche ihn nach neuen Ideen aus. Ich denke, er ist genial." Der Botschafts-Kaffee sei wirklich gut.
Nach Medienberichten lebt Assange in seinem Exil auf zwanzig Quadratmetern. Gemeinsam mit der Katze, die ihm seine Kinder geschenkt haben, wie die britische BBC berichtet. Gut geht es dem Wikileaks-Gründer dort aber laut seiner Mutter nicht: "Sein Körper gibt langsam auf, er hat schon Herzprobleme, eine chronische Lungenentzündung und schwere Schulterschmerzen", hatte sie dem australischen Rundfunksender ABC im Februar 2016 gesagt.
A policeman walks past as members of the media wait outside the Embassy of Ecuador in London on May 19, 2017.
British police said May 19, 2017 that they would have to arrest WikiLeaks founder Julian Assange for breaching his bail if he leaves Ecuador's embassy after a Swedish rape investigation against him was dropped. / AFP PHOTO / Justin TALLIS
Dazu, ob und wann Assange nach der Entscheidung vom Freitag die Botschaft verlassen wird, will sein schwedischer Anwalt
Per E. Samuelson aber nichts sagen. "Ich weiß nur, dass
Schweden ihn nicht daran hindert, das zu tun.
Schweden ist aus dem Spiel." Es scheint, dass der Fall für die Skandinavier damit abgeschlossen ist. Doch das Katz- und Maus-Spiel geht weiter.
"7 Jahre lang ohne Anklage festgehalten (...), während meine Kinder großgeworden sind und mein Name verleumdet wurde", schrieb der 45-jährige Australier am Freitag auf
Twitter. Er fuhr fort:"Ich vergebe und vergesse nicht."
Assange spielte mit seiner Äußerung auf die knapp fünf Jahre seines Aufenthalts in der Botschaft Ecuadors von 2012 bis 2017 sowie auf eine frühere Festnahme 2010 in Großbritannien an.
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