Ermittlungen gegen Assange wegen Vergewaltigung eingestellt

Ein entsprechendes Statement gab die schwedische Staatsanwältin heute ab. Dem WikiLeaks-Gründer droht trotzdem die Verhaftung, sollte er Ecuadors Botschaft in London verlassen.

Die schwedische Staatsanwaltschaft stellt die Ermittlungen gegen WikiLeaks-Gründer Julian Assange wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung ein. Das teilte die Anklage am Freitag in Stockholm mit.

Staatsanwältin Marianne Ny habe beschlossen, die Ermittlungen nicht weiterzuführen, erklärte die Staatsanwaltschaft am Freitag in Stockholm. Im Fall der Vergewaltigungsvorwürfe sieht die schwedische Staatsanwaltschaft die Schuldfrage als nicht geklärt an. "Wir haben die Entscheidung, die Ermittlungen nicht weiterzuführen, nicht getroffen, weil wir alle Beweise in diesem Fall ausgewertet haben, sondern weil wir keine Möglichkeiten sehen, die Ermittlungen weiter voranbringen."

Das sagte Anklägerin Marianne Ny bei einer Pressekonferenz in Stockholm. "Wir treffen keine Aussagen zur Schuld." Das Ende der schwedischen Ermittlungen hängt nicht mit einer möglichen Strafverfolgung des WikiLeaks-Gründers durch die US-Behörden zusammen. "Die Entscheidung, die heute getroffen wurde, hat nichts mit möglichen Aktionen der US-Regierung zu tun", sagte Ny.

Assange lebt seit 2012 im Exil in der ecuadorianischen Botschaft in London, weil er eine Auslieferung an die schwedische Justiz befürchtete.

Drohende Verhaftung

Allerdings erklärte Scotland Yard, dass er sofort verhaftet würde, sollte er die Botschaft verlassen. Das geht aus einer Mitteilung der Londoner Polizei vom Freitag hervor. "Wir sind dazu verpflichtet, den Haftbefehl durchzusetzen", erklärte die Polizei.

Wann und ob Assange sein Exil nach der Nachricht vom Freitag verlassen würde, war zunächst unklar. Assange hatte angekündigt, im Falle der Freilassung von Whistleblowerin Chelsea Manning freiwillig in die USA zu gehen, hatte das später aber wieder relativiert.

Die britische Regierung wollte sich am Freitag nicht dazu äußern, ob bereits einen Auslieferungsantrag für den Wikileaks-Gründer Julian Assange vorliegt. Man werde dies weder bestätigen, noch dementieren und sich auch nicht zu Spekulationen äußern, heißt es in einer Mitteilung. Der amerikanische Justizminister Jeff Sessions sprach sich dafür aus, Assange einzusperren.

Der 45-jährige Australier war Mitte November in der diplomatischen Vertretung zu Vergewaltigungsvorwürfen befragt worden, die eine Schwedin gegen ihn erhoben hatte. Assange bezeichnete das Verfahren als politisch motiviert; es habe sich um einvernehmlichen Sex gehandelt.

Der schwedische Anwalt von Julian Assange hat die Einstellung der schwedischen Ermittlungen am Freitag als Sieg gefeiert. „Wir haben den Fall gewonnen“, sagte der Jurist dem schwedischen Rundfunk. „Das ist ein totaler Sieg für Julian Assange. Er ist natürlich froh und erleichtert.“

Der Australier befürchtete, von Schweden aus in die USA ausgeliefert zu werden, wo ihm eine Verurteilung für die Enthüllungen seiner Plattform WikiLeaks droht.

Chelsea Manning frei

Bekannt wurde die Enthüllungsplattform unter anderem durch die Veröffentlichung von brisanten US-Dokumenten aus den Kriegen in Afghanistan und im Irak. Eine der wichtigsten Quellen war dabei die US-Whistleblowerin Chelsea Manning.

Ermittlungen gegen Assange wegen Vergewaltigung eingestellt
This portrait released by Balestramedia on May 18, 2017 shows transgender former soldier Chelsea Manning one day after being released from a top-security US military prison. Manning, a former army intelligence analyst, posted a picture of herself on social media with short blonde hair, lipstick and mascara, wearing a V-neck navy blue top with white trim. The photo replaced an old Twitter profile picture that had shown Manning in her previous incarnation as Bradley Manning, a male soldier in military uniform and beret. / AFP PHOTO / BALESTRAMEDIA / Eric BARADAT / RESTRICTED TO EDITORIAL USE - MANDATORY CREDIT "AFP PHOTO / COURTESY OF CHELSEA MANNING " - NO MARKETING - NO ADVERTISING CAMPAIGNS - DISTRIBUTED AS A SERVICE TO CLIENTS

Manning, vor ihrer Geschlechtsumwandlung noch Bradley benannt, hatte im Irak-Krieg als Computerexperte für die US-Streitkräfte gearbeitet und große Datenmengen geheimen Materials an die Enthüllungsplattform Wikileaks weitergeleitet. Chelsea Manning habe am Mittwochmorgen nach sieben Jahren Militärhaft das US-Militärgefängnis in Fort Leavenworth (Kansas) verlassen.

Assange erklärte in der Vergangenheit stets, er befürchte, von Schweden an die USA ausgeliefert zu werden. Er blieb deswegen in der Londoner Botschaft Ecuadors.

Ecuador will seine diplomatischen Bemühungen in London verstärken, um Julian Assange Asyl in dem südamerikanischen Land zu gewähren. Das berichtete die britische Nachrichtenagentur PA am Freitag und zitierte eine nicht näher genannte Quelle aus dem Außenministerium.

Ecuadors Botschaft in London wollte dazu nicht Stellung nehmen. Sie kündigte aber an, dass der ecuadorianische Außenminister am Nachmittag eine Stellungnahme in Südamerika abgeben wolle.

August 2010: Schwedische Staatsanwälte erlassen Haftbefehl gegen Assange, heben ihn aber kurz darauf wieder auf. Die Justiz wirft dem Australier vor, er habe bei einem Besuch im Land zwei Frauen vergewaltigt und sexuell genötigt.

Dezember 2010: Assange wird von der britischen Polizei wegen eines neuen Haftbefehls aus Schweden festgenommen. Gegen Kaution und unter Auflagen kommt er frei. Er hält die Vorwürfe für politisch motiviert.

Februar 2011: Ein Londoner Gericht hält eine Auslieferung nach Schweden für rechtens, Assange geht Anfang März in Berufung. Er fürchtet die Auslieferung an die USA, wo ihm eine lange Haft wegen Geheimnisverrats drohen könnte.

November 2011: Der britische High Court entscheidet, dass Assange an Schweden ausgeliefert werden darf. Der legt Einspruch ein.

Juni 2012: Der Einspruch scheitert. Am 19. Juni flieht Assange in die Botschaft von Ecuador in London und beantragt politisches Asyl.

Juli 2014: Seine Anwälte beantragen in Schweden eine Aufhebung des vier Jahre alten Haftbefehls. Der Antrag scheitert.

August 2015: Die schwedische Staatsanwaltschaft lässt die Vorwürfe der sexuellen Nötigung und des Missbrauchs wegen Verjährung fallen. Der Vergewaltigungsvorwurf bleibt aber bestehen.

Februar 2016: Nach Ansicht von UNO-Rechtsexperten kommt Assanges Aufenthalt in der Botschaft einer willkürlichen Haft gleich. Sie fordern, er müsse sich wieder frei bewegen können.

November 2016: Schwedische Staatsanwälte befragen Assange in London.

April 2017: Medienberichten zufolge bereiten die USA eine Anklage gegen ihn vor.

Mai 2017: Schwedens Justiz gibt bekannt, dass sie die Ermittlungen gegen Assange einstellt.

Der Journalist Julian Assange gilt als maßgeblicher Mitbegründer der Enthüllungsplattform WikiLeaks. Seine Kritiker warfen dem 45-jährigen gebürtigen Australier vor, mit der Veröffentlichung heikler Informationen sogar das Leben anderer Menschen aufs Spiel zu setzen.

Zuletzt war Assange während der heißen Wahlkampfphase in den USA nach der Veröffentlichung vertraulicher E-Mails von Servern der Demokraten ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Der Hackerangriff war als gezieltes Störfeuer gegen die Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton gewertet worden. Den Vorwurf, WikiLeaks habe gemeinsame Sache mit russischen Hackern gemacht, wies Assange stets vehement zurück.

Bei der Gründung von WikiLeaks 2006 spielte Assange eine zentrale Rolle. Unter den Aktivisten kam es jedoch immer wieder zu Streit. Die Vorwürfe sexueller Vergehen, die in Schweden gegen Assange erhoben wurden, brachten ihm auch in der Hackerszene Kritik ein.

Bekannt wurde die Enthüllungsplattform unter anderem durch die Veröffentlichung von brisanten US-Dokumenten aus den Kriegen in Afghanistan und im Irak. Eine der wichtigsten Quellen war dabei die Whistleblowerin Chelsea Manning - damals noch Bradley Manning -, die deswegen 2013 zu 35 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden war und später von US-Präsident Barack Obama begnadigt wurde. Nach fast sieben Jahren in US-Militärhaft kam sie vor wenigen Tagen wieder auf freien Fuß.

Auch Assange könnte eine Haftstrafe in den USA drohen. Ein Auslieferungsantrag der USA ist allerdings nicht bekannt.

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