„Machen uns kampfbereit“: Großbritannien rüstet auf
„Securing Britain’s Future” - die Zukunft Großbritanniens sichern - stand in weißen Lettern auf Keir Starmers Rednerpult. Und auch wenn dieser Slogan in der Vergangenheit verwendet wurde, um den Fortbestand der Stahlindustrie, die Stärkung des Gesundheitsdienstes NHS oder wirtschaftliches Wachstum anzukündigen, hatte es an diesem Tag einen anderen Beigeschmack.
„Wenn wir von Staaten mit hoch entwickelten Streitkräften direkt bedroht werden“, begann der britische Premierminister mit ungewohnt ernstem Blick, „ist es am wirksamsten, sie abzuschrecken.“
Friede müsste künftig wieder durch Stärke geschaffen werden. Um das zu erreichen, kündigte der britische Premier zu Wochenbeginn ein Maßnahmenpaket an:
Sechs neue Munitionsfabriken, zwölf neue Angriff-U-Boote und Tausende Langstreckenwaffen sollen gebaut, 17,7 Milliarden Euro in die Entwicklung Nuklearsprengköpfe und 2,3 Milliarden Euro in Drohnen investiert sowie die Wohneinrichtungen sowie Ausrüstung der Soldaten aufgewertet werden. Damit soll eine „kampfbereite, gepanzerte Nation“ entstehen.
„Direkte Bedrohungen“
Insgesamt 62 Empfehlungen hat der frühere Labour-Verteidigungsminister George Robertson der Regierung in einem 140 Seiten starken Bericht unterbreitet (er hatte seit vergangenem Juli an dem Maßnahmenpaket gearbeitet) – jede einzelne davon wurde von der Regierung angenommen. Denn die Zeiten sind ernster geworden.
Premier Keir Starmer und Verteidigungsminister John Healy (2. v. re.) im Gespräch mit Marineoffizieren.
Erstmals seit dem Kalten Krieg sei das Land mit „mehreren, direkten Bedrohungen“ für seine Sicherheit konfrontiert: Da seien der Krieg in Europa und eine wachsende russische Aggression, aber auch neue nukleare Risiken und bereits tägliche Cyberangriffe im eigenen Land.
Frage der Finanzierung
Doch während sich die Labourpartei bereits als größter Verteidiger Europas feiern möchte, gehen der Opposition die Ansagen nicht weit genug. Die geplante Aufstockung des Verteidigungsbudgets auf 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2027 werde nicht ausreichen, um die Vorhaben zu finanzieren, warnen Reform UK, Konservative und die Liberaldemokraten.
Keir Starmer besuchte am Montag die neue Schiffsbau-Akademie in Glasgow
Auch ein Vergleich mit den NATO-Ländern zeigt Nachholbedarf. Mit aktuell 2,33 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für die Landesverteidigung liegt Großbritannien nur auf Platz neun der investitionsstärksten NATO-Staaten.
Am meisten gibt Polen mit 4,12 Prozent aus, gefolgt von Estland mit 3,43 und den USA mit 3,38 Prozent. Selbst Starmers „Ambition“ zu einem noch unspezifischen Zeitpunkt 3 Prozent zu erreichen, liegt 0,5 Prozentpunkte unter dem Ziel, das Donald Trump fordert – und auf das er, bei einem Treffen später im Juni wohl bestehen dürfte.
Kleinste Armee seit napoleonischer Ära
Die britische Verteidigung wurde in den vergangenen Jahrzehnten – besonders unter der konservativen Regierung – stark vernachlässigt. Der Bau neuer Panzerfahrzeuge geriet ins Stocken und die Munitionsabgaben an die Ukraine haben Lagerbestände stark dezimiert.
Mit nur 70.860 voll ausgebildeten Soldaten ist die britische Armee derzeit die kleinste seit der napoleonischen Ära zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Sie sei, urteilte der Telegraph unlängst, „nur noch ein blasser Schatten seines früheren Selbst“.
Bis zur nächsten Legislaturperiode soll die Truppenstärke zumindest auf 76.000 Soldaten erhöht werden. Auch die freiwilligen, jugendlichen Kadettengruppen sollen um ein Drittel vergrößert werden. Das erfordert Engagement der gesamten Bevölkerung.
Beim Pressetermin hatte Keir Starmer die versammelte Arbeiterschaft im Rücken.
Diese Aufforderung wurde beim Pressetermin auch bildlich vermittelt. Starmer hielt seine Rede nicht nur in der neuen Schiffsbau-Akademie des Rüstungsunternehmens BAE, sondern auch mitten unter den Arbeitern.
Dutzende Personen, jung wie alt, blickten mit Schutzhelmen und ernsten Gesichtern in die Kamera – und stärkten ihm, jedenfalls symbolisch, den Rücken.
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