Streit in Frankreich um Putins Einmischung
Das Lob von Kreml-Chef Wladimir Putin für den konservativen französischen Präsidentschaftskandidaten Francois Fillon löst in dessen Lager heftigen Widerspruch aus. "Das ist das erste Mal, dass der russische Staatschef seinen Kandidaten ... in einer französischen politischen Wahl aussucht", kritisierte Fillons parteiinterner Gegner Alain Juppé am Donnerstagabend bei einem TV-Duell.
Fillon gilt als russlandfreundlich und tritt im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) für eine Koalition mit Moskau ein. Fillon warb zudem in einem Namensbeitrag für die Zeitung Le Monde für das Ende der europäischen Sanktionen gegen Russland. Putin hatte den 62-Jährigen Kandidaten gelobt. "Wir haben sehr gute persönliche Beziehungen", sagte Putin.
Fillon als Favorit
Fillon geht als Favorit in die Stichwahl der Konservativen um die Kandidatur für das Amt des Staatspräsidenten am Sonntag. Die Präsidentenwahlen sind im April und Mai kommenden Jahres geplant.
Juppé iwiederum sagte, als Staatspräsident würde er Putin sagen, dass er die russische Annexion der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim nicht akzeptiere. Auch das Minsk-Abkommen für einen Frieden in der Ukraine müsse eingehalten werden.
Einen breiten Raum in der Debatte nahm die Wirtschafts- und Sozialpolitik ein. Ex-Premierminister Fillon sagte, Frankreich müsse saniert werden. Er tritt deshalb für einschneidende Sparmaßnahmen ein. So plädiert er für eine Verlängerung der Regel-Arbeitszeit. Über fünf Jahre hinweg will er 500.000 Posten im öffentlichen Dienst abbauen und das Budget um 100 Milliarden Euro entlasten.
Fillon: "Mein Projekt ist radikaler"
"Er bleibt im System, will es nur verbessern. Mein Projekt ist radikaler und vielleicht auch schwieriger", sagte Fillon. Der als gemäßigt geltende Juppé (71) sagte, auch er wolle Reformen - aber "ohne Brutalität". Sein Kontrahent konterte: "Alain Juppé will nicht wirklich etwas ändern. Wenn man will, dass das Land wieder auf die Beine kommt, müssen sich alle anstrengen."
Fillons Ansagen dürften bei den Wählern besser angekommen sein. In einer Umfrage nach der TV-Konfrontation bezeichneten 57 Prozent der Wähler Fillon als den "überzeugenderen" Kandidaten, lediglich 41 Prozent votierten für Juppe.
Fillon diente unter Präsident Nicolas Sarkozy von 2007 bis 2012 als Premierminister. Sarkozy war am vergangenen Sonntag bei der ersten Runde der Konservativen-Vorwahl gescheitert, Fillon setzte sich mit gut 44 Prozent der Stimmen deutlicher durch als erwartet. Im Vorfeld hatte Juppé als haushoher Favorit gegolten.
Francois Fillon: "Mister Nobody" ist plötzlich Favorit
Den einstigen Premierminister von Staatschef Nicolas Sarkozy (2007 bis 2012) hatte lange niemand auf der Rechnung - doch mit einem überraschenden Triumph in der ersten Runde der Präsidentschaftsvorwahl ist er zum klaren Favoriten aufgestiegen. Der 62-jährige Abgeordnete profitierte nicht nur davon, dass viele Franzosen eine Rückkehr des unbeliebten Sarkozy in den Elysee-Palast unbedingt verhindern wollten. Er überzeugt bürgerliche Wähler auch mit einem äußerst wirtschaftsliberalen und zugleich wertkonservativen Programm - und mit seiner unerschütterlichen Ruhe.
Fillon, der die Reformen der "Eisernen Lady" Margaret Thatcher in Großbritannien lobt, will binnen fünf Jahren 500.000 Beamtenstellen streichen, die Staatsausgaben um 100 Milliarden Euro senken, die 35-Stunden-Woche abschaffen und das Renteneintrittsalter von 62 auf 65 Jahre anheben.
Der Katholik und fünffache Vater setzt gleichzeitig auf eine stärkere Familienförderung, will das Adoptionsrecht für Homosexuelle einschränken und ist ein Abtreibungsgegner. Außenpolitisch tritt er für eine Annäherung an den russischen Staatschef Wladimir Putin ein und will im Syrien-Konflikt mit Machthaber Bashar al-Assad zusammenarbeiten.
Dass er nun Favorit für die konservative Präsidentschaftskandidatur und damit für das Amt des Staatschefs ist, muss Fillon mit großer Genugtuung erfüllen. Denn lange galt der zurückhaltende Politiker, 1954 in Le Mans geboren und großer Fan von Autorennen, als "Mister Nobody".
In seinen fünf Jahren als Premier musste er sich vom "Hyperpräsidenten" Sarkozy als einfacher "Mitarbeiter" verspotten lassen. Ende 2012 unterlag er seinem Konkurrenten Jean-François Copé in einem erbittert geführten Kampf um den Vorsitz der Republikaner-Vorgängerpartei UMP. Danach verschwand er lange in der Versenkung - jetzt könnte ihm die Krönung seiner politischen Karriere gelingen.
Alain Juppé: Der Mann der Mitte ist ins Hintertreffen geraten
Der Bürgermeister von Bordeaux galt lange als haushoher Favorit bei der Vorwahl - und ist jetzt ins Hintertreffen geraten. Auch deswegen legte der frühere Premierminister (1995 bis 1997) zuletzt seine vornehme Zurückhaltung ab und setzt auf Attacken gegen Fillon: Dessen wirtschaftsliberale Reformvorschläge hat er als "brutal" kritisiert, seine gesellschaftspolitischen Ansichten als "extrem traditionell". Auch Juppé, ein Mann der Mitte, will Frankreich reformieren, allerdings behutsamer als sein Rivale.
Vor der ersten Wahlrunde präsentierte sich Juppé als Gegenpol zu Sarkozy: Stets ruhig und ausgleichend verzichtete der 1945 im südwestfranzösischen Mont-de-Marsan geborene Politiker auf jede Polemik. Den zunehmend populistischen Forderungen des Ex-Präsidenten bei Einwanderung, Integration, Anti-Terror-Kampf und Islam setzte er seine Vision einer "glücklichen Identität" Frankreichs entgegen. Damit gewann er Sympathien bei Wählern der politischen Mitte - im konservativen Lager halten ihn viele aber für zu weich.
Mit seinen 71 Jahren steht der bisweilen etwas blasiert wirkende Absolvent der Verwaltungskaderschmiede ENA nicht gerade für einen dynamischen Neuanfang. Unvergessen auch, wie er Mitte der 1990er Jahre als Premier angesichts von Massenprotesten eine geplante Pensionsreform zurückziehen musste. Seine große politische Erfahrung steht aber außer Frage: Der langjährige Weggefährte von Ex-Staatschef Jacques Chirac war unter anderem Umwelt-, Verteidigungs-, und zwei Mal Außenminister, Abgeordneter und Parteichef.
2004 schien seine politische Karriere am Ende: Wegen einer Affäre um illegale Parteienfinanzierung wurde er zu einer Gefängnisstrafe auf Bewährung und einem Jahr Unwählbarkeit verurteilt. Doch schon 2006 gelang Juppé mit der Wahl zum Bürgermeister von Bordeaux das Comeback. Jetzt will der zum zweiten Mal verheiratete Politikveteran erneut zeigen, dass man ihn so schnell nicht abschreiben kann.
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