Juncker verschont Budget-Sünder

Wolfgang Schäuble und Jean-Claude Juncker sitzen bei einer Veranstaltung im Gespräch.
Die Kommission gibt Frankreich & Co. eine weitere Gnadenfrist und vorerst keine Strafen.

Eine der am häufigsten vorgebrachten Kritiken gegenüber der EU-Kommission lautet, sie sei zu sehr technokratisch. Man brauche eine politischere "EU-Regierung", klagen Kanzler und Minister oft. Zuletzt beim Budget-Streit mit Großbritannien, als Brüssel auf Basis der Verträge binnen weniger Wochen eine Milliarden-Nachzahlung forderte. "Kein Gespür, nur Paragrafenreiter", lautete der Vorwurf an die Kommission.

Unter Jean-Claude Juncker scheint die Brüsseler Behörde nun umzusetzen, was ihr Chef in zwei Jahrzehnten im Kreis der Regierungschefs gelernt hat: Im Zweifelsfall mit zugedrücktem Auge die Regeln möglichst flexibel auszulegen.

Die Kommission hat am Freitag ihre Bewertungen zu den nationalen Budgetplänen der Euro-Staaten für das Jahr 2015 abgegeben. Nur fünf Länder erfüllen die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspaktes; vier halten sie "weitgehend" ein, sieben brechen sie.

Eine Karte der Eurozone, die die Bewertung der Budgetpläne durch die EU-Kommission zeigt.
Am österreichischen Haushaltsentwurf kritisiert die Kommission die "signifikante Abweichung" vom Konsolidierungspfad – sowohl beim strukturellen Defizit als auch auf der Ausgabenseite. Finanz-Kommissar Pierre Moscovici verwies am Freitag auch auf die hohe Staatsschuldenquote, die abgebaut werden müsse, und forderte eine Anhebung des tatsächlichen Pensionsantrittsalters.

Neuerliche Gnadenfrist

Österreich ist vergleichsweise noch gut weggekommen. Bei Frankreich, Italien und Belgien sieht die Kommission gröbere Defizit-Probleme – Frankreich hat seit längerem ein Verfahren am Hals. Anstatt zu strafen, räumt die Kommission dem Trio noch eine weitere Frist ein: Erst im März oder April will man eine Entscheidung über mögliche Konsequenzen treffen.

"Die Länder mögen Lektionen nicht", sagt Juncker. Deswegen habe er "die Wahl getroffen, nicht zu sanktionieren". Die Staaten sollen noch eine Chance erhalten, ihren Haushalt selbst in Ordnung zu bekommen.

Besonders bei Frankreich ist die neuerliche Gnadenfrist pikant: Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone hat schon zwei Mal zusätzliche Zeit zum Senken des Defizits bekommen. Jetzt wird es Paris aber auch 2015 und 2016 wohl nicht schaffen, die Defizitgrenze bei der Neuverschuldung von drei Prozent des BIP einzuhalten.

In Berlin stößt Junckers sanfter Zugang nur bedingt auf Verständnis: "Wir müssen alle dafür sorgen, dass wir uns an die europäischen Regeln halten", sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble. Er habe aber "Verständnis dafür, dass einige unserer wichtigsten Partner derzeit in einer schwierigeren Lage sind als wir". Schäuble setzte sich am Freitag selbst ein Budget-Denkmal: Im Bundestag wurde für 2015 ein ausgeglichener Haushalt beschlossen – erstmals seit 1969 wird auf neue Kredite verzichtet.

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