Johnson wegen offener Fragen zu Streit mit Freundin unter Druck

Boris Johnson gilt weiterhin als Favorit
In der Nacht auf Freitag ist es zu einem heftigen Wortgefecht zwischen Johnson und seiner Lebensgefährtin gekommen.

Im Rennen um die Nachfolge der britischen Premierministerin Theresa May hat Ex-Außenminister Boris Johnson mit einem nächtlichen Polizeieinsatz für Schlagzeilen gesorgt. Ein heftiger Streit mit seiner Lebensgefährtin Carrie Symonds rief laut Medienberichten in der Nacht auf Freitag die Polizei auf den Plan und beherrschte am Samstag die Titelseiten der britischen Zeitungen.

Brisant: Johnson ist gerade in der entscheidenden Phase im Kampf um den Vorsitz der Tories, der britischen konservativen.

Johnson versuchte bei einem Auftritt vor der Parteibasis in Birmingham daher, das Gespräch von seinem Privatleben auf die Politik zu lenken.

Keine Aufklärung des Vorfalls

"Ich glaube nicht, dass die Leute von solchen Dingen hören wollen", sagte Johnson am Samstag in Birmingham, wo er sich neben dem amtierenden Außenminister Jeremy Hunt den Mitgliedern der konservativen Tory-Partei präsentierte. Der Favorit um die Nachfolge von May stellte lieber seine Sicht auf den EU-Austritt Großbritanniens heraus. "Wir müssen den Brexit schaffen", sagte er und versprach, Großbritannien auf einen "No Deal"-Brexit vorzubereiten, falls mit der EU keine Einigung erzielt werde.

Mehrere Sonntagszeitungen in Großbritannien titelten mit der Weigerung des 55 Jahre alten Tory-Politikers, zu dem Vorfall Stellung zu nehmen. Selbst erzkonservative Boulevardzeitungen wie die Sun, die hinter dem Bekanntwerden des Vorfalls eine "linke Verschwörung" witterten, schlossen sich der Kritik an Johnsons Schweigen an. Der Sunday Express titelte: "Warum sagt uns Boris nicht, was passiert ist?

Wende im Rennen um Tory-Vorsitz?

Noch am Donnerstag galt Johnson unter allen Wählern bei 36 Prozent als der beste potenzielle Premierminister, während 28 Prozent Hunt unterstützten. In einer neuen Umfrage nach dem Polizeieinsatz vom Freitag zog Hunt mit 32 Prozent an dem Ex-Außenminister vorbei, der nur noch 29 Prozent erhielt.

Unter konservativen Wählern fiel Johnsons Zuspruch von 55 auf 45 Prozent, während Hunts Zustimmungsquote von 28 auf 34 Prozent stieg.

Nachbarn alarmierten Polizei

In der Nacht auf Freitag war es Medienberichten zufolge zu einem heftigen Wortgefecht zwischen Johnson und seiner Lebensgefährtin Carrie Symonds gekommen. Wie die britische Zeitung The Guardian berichtete, alarmierte ein besorgter Nachbar die Polizei und meldete einen lauten Streit mit Geschrei und Türenknallen in einer Wohnung im Süden Londons.

Dem Bericht zufolge war zu hören, wie Symonds den ehemaligen Londoner Bürgermeister und Ex-Außenminister anschrie, er solle sie "in Ruhe lassen" und "aus meiner Wohnung verschwinden". Der Anruf sei um kurz nach Mitternacht Ortszeit eingegangen, teilte die Metropolitan Police mit. "Der Anrufer war um das Wohl seiner Nachbarin besorgt", sagte ein Polizeisprecher. Die Polizei habe dann mit den Bewohnern der fraglichen Wohnung gesprochen, die alle wohlauf gewesen seien. Die Polizei habe keinen Anlass zum Eingreifen gesehen.

Der Nachbar sagte dem Guardian, er habe den Streit von seiner eigenen Wohnung aus aufgenommen. Er habe drei Mal an die Tür von Johnson und Symonds geklopft, aber niemand habe reagiert. Er versicherte, er habe "zwei sehr laute Schreie" und einen "lauten Knall" gehört, der die Mauern habe erzittern lassen.

Folgen für Johnson

Hunt hatte am Samstag eine erste Attacke auf seinen Kontrahenten gestartet. In einem Beitrag für die Zeitung Daily Telegraph warf er Johnson vor, sich vor einer TV-Debatte zu drücken. "Die konservativen Parteimitglieder können ihre Wahl nur treffen, wenn es eine ordentliche Debatte gibt, und man kann diese Debatte nicht führen, wenn einer der Kandidaten alle Möglichkeiten blockiert."

Der Auftritt mit Hunt in Birmingham war der Auftakt einer landesweiten Debattenreihe zwischen den beiden Kontrahenten. Für den 15. Juli ist die letzte der 16 Diskussionsrunden in London vorgesehen.

Der neue Vorsitzende der Tories und damit praktisch der neue Premierminister soll bis Ende Juli gekürt sein, die Entscheidung treffen die 160.000 Parteimitglieder.

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