Überraschend klarer Wahlsieg: Warum Milei jetzt erst so richtig loslegt
Und dann nannte Javier Milei das Datum, das er so sehr herbeisehnt: „Ab dem 10. Dezember wird Argentinien den reformwilligsten Kongress einer Geschichte bekommen“, rief der libertäre Präsident seinen jubelnden Anhängern zu. Dann ist die Zeit des einsamen Kämpfers in der Casa Rosada, dem Präsidentenpalast, vorbei. Von nun an ist seine libertäre Bewegung „La Libertad Avanza“ eine Volkspartei, die mit fast 41 Prozent die Parlamentswahlen gewonnen hat. Und die sich so langsam von Parlamentswahl zu Parlamentswahl ihren Status erarbeitet, ab dem 10. Dezember nimmt der neuformierte Kongress dann seine Arbeit auf.
Da in Argentinien alle zwei Jahre immer nur ein Teil des Kongresses und des Senats neu gewählt werden, sind abrupte Machtverschiebungen innerhalb der Kammern praktisch nicht möglich. Das geschieht über zwei, drei Wahlen in vier bis sechs Jahren. Mit dem satten Zuwachs an Sitzen – eine Verdopplung im Kongress, eine Verdreifachung im Senat – bekommt Mileis libertäre Bewegung einen personellen Unterbau. Denn in den Parlamenten war die Partei des weltweit bekannten Vorkämpfers für wirtschaftsliberale Reformen und der Freiheit des Marktes bislang nur eine kleinere Splittergruppe. Jetzt zog die Partei nach.
Milei selbst überrascht
„Ich bin ehrlich gesagt überrascht über das Ergebnis“, räumte Milei selbst ein. „Die Landkarte Argentiniens ist wirklich violett gefärbt; abgesehen von einigen ganz bestimmten Orten scheint die Landkarte zu schreien, dass sie in dieser Welt der Freiheit und des Fortschritts leben will, dass sie das Wachstum begrüßen will“, sagte der Präsident im Gespräch mit La Nacion. Und deutete noch so etwas wie Kompromissbereitschaft an, die bislang nicht seine Stärke war: „Einige mögen eher rechts stehen, andere eher links, wieder andere wollen schneller vorankommen. Wir vertreten eine liberal-libertäre Position und möchten außerdem schnelle Veränderungen, weil dies den Kampf gegen die Armut sehr begünstigt. Aber wir verstehen, dass es Nuancen geben kann, und wir sind der Meinung, dass wir, wenn wir dies durch ernsthaften Konsens, nicht durch billige Geschwätzigkeit tun, viel für die Argentinier erreichen können.“ Ein Angebot der Zusammenarbeit an die reformwilligen Kräfte des Landes.
Was bedeutet das für die Zukunft des Landes: Auch dazu äußerte sich Javier Milei nach dem Wahlsieg. Er will den „Pakt des Mai“ wiederbeleben. Das war eine Vereinbarung mit den Provinzgouverneuren aus dem ersten Amtsjahr, die wesentliche Reformvereinbarungen vorsah. Allerdings geriet sie wegen handwerklicher Fehler und fehlender Bereitschaft auf beiden Seiten auf das Abstellgleis. „Wir sprechen am Montag“, hatten die Provinzgouverneure Milei in den letzten Wochen wissen lassen. Gemeint war der Montag nach den Parlamentswahlen. Damals gingen die Gouverneure davon aus, dass sie aus einer Position der Stärke mit einem dann geschwächten Milei verhandeln können. Nun dreht sich der Spieß um, Milei hat das Momentum an seiner Seite. Im vorbörslichen Handel stiegen die argentinischen Aktien an der Wall Street um bis zu 35 Prozent.
Positive Prognose
Aldo Abram, Geschäftsführer der wirtschaftsliberalen Stiftung „Libertad y Progreso“ aus Buenos Aires wagte im Gespräch mit dieser Zeitung eine positive Prognose: „Dieses Ergebnis zeigt ganz klar, dass es eine große Unterstützung für diesen Kurswechsel gibt, den die Regierung anführt: einen Kurs in Richtung Normalität. Wir werden eine Wirtschaft sehen, die, da sie wieder finanziert wird, die Zinsen senkt und wieder an Dynamik gewinnt.“
Dabei sollen und wollen auch die USA helfen. Präsident Donald Trump hatte seinem Verbündeten Finanzhilfen zugesagt. Wie die im Details aussehen, ist allerdings noch offen. Allerdings waren die Zusagen an einen Wahlsieg Mileis geknüpft, den hat der libertäre Präsident nun eingefahren. Überhaupt hat sich in diesen Wochen viel für Washington verändert. In Bolivien regiert künftig erstmals nach 20 Jahren Fundamental-Sozialismus ein Christdemokrat, der auf die USA zugehen will und in Chile wird Ende November wohl auch eher ein rechter oder konservativer Präsident den amtierenden linken Staatschef Gabriel Boric ablösen. Südamerikas Süden wird USA-freundlich.
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