Solche Argumente hört man ständig, wenn es um Jugendliche in Italien geht. Und es sind in erster Linie die Mütter, die ihre Kinder ermutigen, sich ihre Zukunft anderswo aufzubauen. So auch Nadia, deren Sohn Matteo in ein paar Monaten Matura macht. Er studiert außerdem Klavier am Mailänder Konservatorium. „Ich hoffe er schafft es, sein Musikstudium in Österreich oder Deutschland zu absolvieren“ sagt sie. Matteo selbst sagt: „Vor allem wenn’s mit der Musik klappt, muss ich weg. Ansonsten bin ich wer weiß wie lange von meinen Eltern finanziell abhängig.“
Immer mehr wandern aus
Hier ein paar Zahlen: Laut italienischem Statistikamt wanderten 2024 191.000 Italiener aus, das waren 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Von den 93.410 zwischen 18- und 39-jährigen Auswanderern waren 49.251 Männer und 44.159 Frauen. Was die Lage in Italien im EU Vergleich so einmalig macht ist, dass 2024 weniger als 370.000 Kinder geboren wurden. Von 2011 bis 2024 sind knapp 700.000 im Altersabschnitt 18-34 Jahre ausgewandert.
„Wir brauchen unbedingt einen Mentalitätswandel“, schrieb vor ein paar Tagen der ehemalige Minister für Bildung Francesco Profumo in einem Beitrag für die Tageszeitung La Stampa. „Mütter stellen keine Kosten dar, sondern sind der Schlüssel, damit das Land wieder in Fahrt kommt. Doch hierzulande müssen sie bis heute zwischen Beruf und Mutterschaft wählen.“
Um diesen Missstand zu beheben, müsste viel mehr in Bildung investiert werden, fährt Profumo fort. Und zwar angefangen bei den Kindergärten. Laut EUROSTAT investiert Italien 4,22 Prozent des BIP in Bildung. Zum Vergleich: Österreich investiert 5,36 Prozent und Deutschland 5,01 Prozent. Außerdem gibt es ein starkes Nord-Süd Gefälle, besonders bei der Kleinkinderbetreuung. Fazit: Wer sich neben dem Job auch eine Familie aufbauen möchte, der kann es sich von Haus aus leisten - oder wandert aus.
Kaufkraft sinkt stark
Und das führt zu einem weiteren Problem, mit dem die Italiener generell und noch mehr die Jüngeren konfrontiert sind. Vor ein paar Wochen veröffentlichte die Internationale Arbeitsorganisation ILO eine Studie, wonach die Kaufkraft in Italien seit 2008 wie in keinem anderen G-20 Staat gesunken ist - und zwar um 8,7 Prozent.
„Eigentlich wollte Elisa, meine Tochter, gar nicht ins Ausland“, erzählt Danilo, er ist Unternehmen und um die 60. „Sie hat an der Mailänder Kunstakademie studiert und sich dann im Bereich Computeranimation beworben. Hat auch Arbeit gefunden, aber zu miserablen Gehaltsbedingungen. Ein paar Jahre hat sie durchgehalten. Dann kam ein Angebot aus Kanada und sie und ihr Freund haben sich schnell entschlossen und es nicht bereut . Die Arbeit ist um etliches besser bezahlt und außerdem auch viel kreativer.“
Margherita, die jetzt in Oxford lebt, sagt: „Ich würde gerne zurückkommen, doch ich möchte auch Kinder, eine richtige Familie. Finanziell ginge sich das in Italien nur sehr knapp aus.“ Und Soziologin Chiara Saraceno meinte unlängst: „Italien wird weiter ein ersehntes Urlaubsland bleiben, aber leider nicht mehr.“
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