Mittlerweile hat sich auch die katholische Kirche etwas vorwärtsbewegt, hinkt aber trotzdem der Gesellschaft hinterher. Aus einer Umfrage der Forschungsinstituts DEMOS von April 2024 entnahm man, dass nur mehr 20 Prozent der Italiener einmal in der Woche in die Kirche gehen. 42 Prozent sind der Meinung, die Kirche sei modernisierungsunfähig und 23 Prozent denken, die Priester befassten sich zu wenig mit sozialen Themen.
Jetzt hat aber die päpstliche Universität des Heiligen Kreuzes in Rom einen Kurs eingeführt, dessen Fach die Beichte ist. Und weil es in einem Jubiläumsjahr wie dem aktuellen um Verzeihung und Neuanfang geht, passt das perfekt.
Der Kurs ist an die Seelsorger gerichtet und will diesen helfen „sich den Geschehnissen, Wunden, Umständen, mit denen sich die Menschen heute konfrontieren, zu stellen“, erklärt Fernando Crovetto, Priester und Professor an dieser zu Opus Dei gehörenden Universität, dem KURIER.
Beichte als erleichterndes Erlebnis
Sich dem Wandel der Zeiten anzupassen ist nicht immer leicht, weshalb der Kurs auch einen theoretischen Teil hat, vorwiegend aber auf praktische Übungen setzt, daher die Darstellung konkreter Beichtsituationen. „Im Kurs geht es darum, wie man die Gläubigen zum Beichten willkommen heißt; wie man jemandem hilft, sich aus dem Wiederholungszwang einer bestimmten Sünde zu befreien.“ Wobei der Beichtvater nie die Rolle des Richters oder die des Psychologen einnehmen darf. „Dieser Kurs soll den Geistlichen Diener der Barmherzigkeit zu sein, wie Papst Franziskus sagt“, hebt Crovetto hervor. Die Beichte müsse ein schönes erleichterndes Erlebnis sein.
„Das Interesse für diesen Kurs war erstaunlich groß“, fährt Crovetto fort. Es kamen an di
e 60 Einschreibungen, Plätze gab es nur für 30 Teilnehmer. Diese „Schüler“ kommen aus aller Welt, der Großteil studiert aber schon an den päpstlichen Universitäten in Rom. „Anders wäre es auch schwer teilzunehmen. Der Kurs findet einmal in der Woche statt und zählt insgesamt acht Treffen. Angesichts des großen Interesses, denke man darüber nach, eventuell einen weiteren zu organisieren, sagt Crovetto.
Was ist eine Sünde?
Don Cesare Silva ist Priester im Dom der norditalienischen Stadt Vigevano. Er ist Mitte 40 und sehr engagiert. Er findet die Beichtkursinitiative sehr interessant. „Es ist nämlich das Sakrament, das am tiefsten in der Krise steckt“, bestätigt er dem KURIER. „Wir leben in einer Gesellschaft, die nicht einmal mehr wirklich weiß, was eine Sünde ist, der das Gefühl der Sünde abhanden gekommen ist. Alles ist nur mehr Ich-bezogen.“
Don Silva hebt aber gleichzeitig hervor, dass auch die Seelsorger bei diesem Sakrament nicht mehr so präsent sind wie einst. „Früher fand man weitaus mehr Priester in den Beichtstühlen.“ Weswegen er und die Priester im Dom wieder einen Beichtplan aufgestellt haben, in dem auch er einmal in der Woche zur Verfügung steht.
„Es stimmt zwar, dass man alle Sünden beichten muss, ein Beichtvater darf aber niemals über das Gewissen eines anderen urteilen.“ Also selbst keine Frage stellen, sondern den Gegenüber frei reden lassen. Die Beichte von einst sei in der Tat übergriffig gewesen. Obwohl das eigentlich nie erlaubt war.
Befreiung, keine Bürde
„Ein Beispiel: Wenn jemand etwas nicht als Sünde empfindet und das mit seinem Gewissen vereinbar kann, sollte man da nicht eingreifen. Die Beichte soll den Menschen befreien und ihm nicht eine Bürde aufzwingen.“ Außerdem gebe es nichts Abschreckenderes bei diesem Sakrament, als das Herumstochern und das Urteilfällen, meint der Priester.
Camilla ist um die 45 Jahre alt. Sie hat eine enge Beziehung zu einer Kirche und Kirchengemeinde in Mailand. Sie beichtet nicht regelmäßig und außerdem nicht im Beichtstuhl sondern vis-a-vis. „Persönlich habe ich beim Beichten nur einmal eine ungute Erfahrung gemacht. Das war vor 25 Jahren im Mailänder Dom. Der Priester hatte so etwas wie einen Fragenkatalog. Und bei den Fragen ging es auch darum Näheres über das Intimleben der reuigen Gläubigen zu erfahren. Das gibt es aber – hoffe ich zumindest – nicht mehr.“
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