Minister stehen fest: Italien hat eine neue Regierung
Die neue italienische Regierung der 5-Sterne-Bewegung und der Sozialdemokraten(PD) unter dem designierten Ministerpräsident Giuseppe Conte steht. Conte stellte nach einem Gespräch mit Staatschef Sergio Mattarella am Mittwoch in Rom die Ministerliste vor.
Zehn Minister gehören den Fünf Sternen an, neun der PD, einer ist ein Unabhänger und einer Vertreter der Linkspartei LEU. Sieben Kabinettsmitglieder sind Frauen.
Eine Frau beerbt Salvini
Den Posten des Innenministers, den in der letzten Regierung Lega-Chef Matteo Salvini bekleidet hatte, übernimmt die ehemalige Mailänder Präfektin Luciana Lamorgese. Der Vorsitzende des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Europäischen Parlaments, Roberto Gualtieri, der der PD angehört, wird das Amt des Wirtschafts- und Finanzministers bekleiden. Gualtieri ist einer der Chefunterhändler des EU-Parlaments für den Brexit.
Justizminister Alfonso Bonafede und Umweltminister Sergio Costa, beide aus den Reihen der Fünf Sterne-Bewegung, behalten ihren Sessel. Neuer Staatssekretär ist der Ex-Minister für die Beziehungen zum Parlament, Riccardo Fraccaro (Fünf Sterne). Die "Cinque Stelle" werden mit Stefano Patuanelli weiter das Industrieministerium führen, das bisher von Di Maio geleitet wurde. Dario Franceschini, Ex-Kulturminister in den Regierungen von Matteo Renzi und Paolo Gentiloni, übernimmt wieder das Kulturressort. Zum Verteidigungsminister rückt der PD Spitzenpolitiker Lorenzo Guerini (PD) auf.
Nach der Vereidigung muss das neue italienische Kabinett, das zweite der im März 2018 begonnenen Legislaturperiode, nun die Unterstützung des Parlaments erhalten. Noch unklar ist, wann die Vertrauensabstimmung in beiden Kammern des Parlamentes stattfinden wird. Präsident Sergio Mattarella betonte, dass die Vertrauensabstimmung "in den nächsten Tagen" stattfinden wird.
Es handelt sich um das zweite Kabinett unter dem parteilosen Anwalt Conte, der bereits seit Juni 2018 bis vor zwei Wochen eine Regierung geleitet hatte. Die Vereidigung findet am Donnerstag um 10.00 Uhr statt, teilte der Generalsekretär im Quirinal, dem Sitz des Präsidenten, Ugo Zampetti, mit.
Salvini ist der große Verlierer
Die umstrittene Lega-Chef und Matteo Salvini hatte Anfang August das erst 14 Monate alte Regierungsbündnis mit der Fünf-Sterne-Bewegung platzen lassen. Zwischen Lega und den "Cinque Stelle" war es immer wieder zu Unstimmigkeiten über das Regierungsprogramm gekommen. Angesichts guter Umfragewerte wollte der scheidende Innenminister Salvini rasche Neuwahlen erzwingen, scheiterte aber mit seinem Plan.
Die Mailänder Börse setzt große Hoffnungen auf die neue Regierung um Premier Conte. Die "Borsa Italiana" legte am Mittwoch um 1,6 Prozent zu.
Es gibt Konfliktpotential
Die politischen Anliegen der beiden Parteien sind ähnlicher als jene der Ex-Partner Fünf Sterne und Lega, an Konfliktpotenzial dürfte es jedoch aber auch in der neuen Regierung nicht mangeln.
Streitpunkt Verkleinerung des Parlaments
Als Streitpunkt gilt bereits die Reform zur Verkleinerung des Parlaments, ein Hauptanliegen im Programm der Fünf-Sterne-Bewegung. Diese Reform sieht die Kürzung von einem Drittel der Parlamentariersitze vor, 345 Sessel würden damit im Parlament wegfallen. Die Reform ist im Parlament fast unter Dach und Fach, eine einzige Abstimmung genügt, um sie zu billigen.
Die Sozialdemokraten wollen zwar angeblich die Reform unterstützen, sie jedoch mit der Einführung eines neuen Wahlgesetzes verbinden. Dies bedeutet Neuverhandlungen über das gesamte Reformprojekt, was viel Zeit beanspruchen würde.
Migrationspolitik problematisch
Auch die Migrationspolitik droht zum Nährboden für Streit zwischen den beiden möglichen Koalitionspartnern zu werden. Die Sozialdemokraten fordern die sofortige Abschaffung des von Lega-Chef Matteo Salvini im Parlament durchgesetzten Sicherheitspakets, mit dem Strafen für Rettungsschiffe eingeführt wurden, die ohne Erlaubnis in Italien einlaufen.
Die PD ist für einen milderen Migrationskurs. Sie sprach sich für ein neues Einwanderungsgesetz aus. Die Fünf Sterne befürchten aber klare Popularitätsverluste, sollten sie von der von der Lega bestimmten rigorosen Anti-Einwanderungslinie massiv abweichen.
Unterschiede bei Europapolitik
Divergenzen bestehen zwischen den beiden Parteien vor allem in der Europa-Politik. Die Fünf Sterne zeigten sich bisher sehr europakritisch. In den 14 Monaten ihrer Regierung haben sie zwar auf provokante Forderungen nach Italiens Austritt aus der Europäischen Union und dem Euroraum verzichtet, ihre Grundeinstellung gegenüber der EU bleibt aber durchaus europaskeptisch. Die Fünf-Sterne-Bewegung scheute sich nicht, in Sachen Defizit mit Brüssel auf Konfrontationskurs zu gehen, um einige ihrer umstrittensten Reformen, wie die Einführung eines Grundeinkommens, durchzusetzen.
Die Sozialdemokraten sind dagegen stark proeuropäisch und profilieren sich als Garanten konstruktiver Beziehungen mit der neuen EU-Kommission unter der Führung von Ursula von der Leyen.
Streitpunkt Mindestlohn
Auch in Sache Arbeitspolitik könnten Unstimmigkeiten auftreten. Die "Cinque Stelle" (Fünf Sterne) pochen seit Monaten auf die Einführung eines gesetzlich festgelegten Mindestlohns und auf stärkere soziale Garantien für Arbeitnehmer, die nicht durch einen Kollektivvertrag geschützt sind. Ziel sei jede Form von Ausbeutung, vor allem junger Arbeitnehmer, zu bekämpfen, so die Fünf Sterne. Geplant ist zudem ein strategisches Programm zur Vorbeugung von Arbeitsunfällen und von Berufskrankheiten. Hinzu soll Chancengleichheit am Arbeitsplatz garantiert werden.
Die PD wehrt sich mit Unterstützung der Gewerkschaften und der Unternehmer gegen einen Mindestlohn von neun Euro brutto pro Stunde wie ihn die Fünf Sterne-Bewegung fordert. Die Sozialdemokraten pochen stattdessen auf umfassende Kollektivverträge.
Meinungsverschiedenheiten bei Infrastrukturprojekten
Während die Fünf-Sterne weiterhin hoffen, die Bauarbeiten für die umstrittene Bahn-Hochgeschwindigkeitsstrecke Turin-Lyon (TAV) stoppen zu können, ist die PD der Ansicht, dass das Projekt jetzt nicht mehr eingefroren werden kann. Die TAV hatte zu Dauerspannungen zwischen "Cinque Stelle" und Lega sowie im August zum Bruch deren Regierungsallianz geführt.
Die Fünf Sterne-Bewegung von Luigi Di Maio drängt darauf, dass dem Autobahnbetreiber ASPI, einer Tochtergesellschaft der Unternehmerfamilie Benetton, die Konzession für ein 3500 Kilometer langes Autobahnnetz in Italien entzogen wird. ASPI wird der mangelnden Instandhaltung der Morandi-Brücke in Genua beschuldigt, die vor einem Jahr eingestürzt war. was 43 Todesopfer verursacht hatte. Die PD, die laut Kritikern gute Verbindungen zur Benetton-Gruppe hat, wehrt sich gegen den Konzessionsentzug.
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