Wieder Krieg? "Man gewöhnt sich daran", sagen viele Israelis

Haifa: Israelis suchen Schutz in einem Bunker
Aus Haifa, Markus Ponweiser
Nachdem in der Nacht auf Freitag Sirenen Israels Angriff auf das iranische Atomprogramm ankündigten, lag Haifa am Morgen in bleierner Stille – nur Vogelgezwitscher und das Knarzen von Fensterläden durchbrachen sie. Kaum jemand war draußen. Zwei Tage später, am Sonntagmorgen, bleibt die Stimmung gedämpft, doch die große Ungewissheit ist fürs Erste gewichen.
Israel greift an, der Iran antwortet in der Nacht – dieser neue Rhythmus gibt den Menschen einen Rahmen, mit dem sich zumindest halbwegs leben lässt.
Der Wochenbeginn in Israel verläuft ruhig. Viele nicht-essentielle Geschäfte sind geschlossen, dennoch sind mehr Menschen unterwegs als am Freitag. Manche Cafés öffnen, Eltern spielen mit ihren Kindern in Parks, da Schulen und Kindergärten weiter zu bleiben.
Im Altstadt-Viertel Hadar steht Timor, 37, an einer leeren Bushaltestelle und wartet auf den Bus zur Arbeit in seinem Café. Vor drei Jahren kam er aus Kiew, zwei Wochen nach dem russischen Angriff auf die Ukraine.
Der Krieg mit dem Iran ist der dritte, den er seitdem in Israel erlebt. „Man gewöhnt sich daran“, sagt er schlicht. Krieg gehöre inzwischen zum Leben. Seine drei Kinder spüren die Anspannung, besonders die Jüngste, die seit Freitag kaum schläft. „Sie bekommt mit, was passiert, auch wenn sie es noch nicht versteht. Deshalb müssen wir als Eltern ruhig bleiben.“

In Tel Aviv schlugen iranische Raketen ein
In seinem Viertel sind viele Häuser alt, Bunker selten. Neben dem Café gibt es eine U-Bahn-Station, die als Schutzraum dient. „Viele kommen zu uns, weil sie dort schneller in Sicherheit sind als zu Hause.“
In der Nacht zum Sonntag feuerte der Iran rund 40 ballistische Raketen auf den Großraum Haifa ab. Eine Ölraffinerie wurde getroffen, in einem arabischen Dorf starben fünf Menschen. „Das ist nicht wie mit der Hisbollah. Der Iran ist ein echter Staat, hochgerüstet“, sagt Timor.
Neues Frühwarnsystem
Doch das neue Frühwarnsystem, das Israelis per App rund 15 bis 20 Minuten vor möglichem Raketenbeschuss informiert, und die Luftabwehr geben ihm Sicherheit. „Ich muss nicht mehr panisch mit meiner Frau die Kinder packen, sondern kann ruhig in den Schutzraum im Nebenhaus gehen.“
Ein paar Straßen weiter spaziert Aviv, 52, mit seinem Hund durch einen kleinen Park – eine der wenigen Routinen, die ihm geblieben sind. Diese Woche bleibt er zu Hause, Spaziergänge helfen, den Kopf freizubekommen. „Ich wurde während des Jom-Kippur-Kriegs geboren. Vielleicht prägt das. Natürlich bin ich angespannt, aber für uns hier im Norden ist das nicht der erste Krieg.“
Die Explosionen in der Nacht hat er deutlich gehört. „Ich war wach. Es hat richtig vibriert. Aber wir haben einen Mamad – einen fensterlosen Schutzraum in modernen Wohnungen. Dort fühle ich mich sicher.“

Israels "Iron Dome" konnte bisher neun von 10 iranischen Raketen ausschalten
Aviv sieht den Krieg als notwendig. „Ich nehme an, dass unsere Armee und Geheimdienste wissen, was sie tun. Vielleicht führt der Krieg ja dazu, dass in Zukunft endlich Ruhe einkehren kann“. Dann fügt er leise hinzu: „In Zeiten wie diesen rücken wir Israelis näher zusammen. Das macht es leichter, es durchzustehen.“
Kommentare