Israel: Bis zu 40.000 Reservisten stehen bereit
Nach massivem Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen hat Israel eine neue Offensive gegen die radikal-islamische Hamas gestartet. Kampfflugzeuge griffen am frühen Dienstagmorgen mehr als fünfzig Ziele in dem von der Hamas kontrollierten Küstenstreifen an. Dabei wurden auch Wohnhäuser beschossen und zerstört. Bei den Angriffen wurden in Gaza laut palästinensischen Angaben zwölf Menschen getötet, Dutzende verletzt. Es waren die heftigsten Gefechte zwischen Israel und extremistischen Palästinensergruppen seit November 2012. Nach Angaben des israelischen Militärs trägt die Offensive den Namen "Operation Protective Edge" (hebräisch: "Zuk Eitan"), was soviel wie Schutzrand bedeutet.
Doch das Ende der Fahnenstange scheint längst nicht erreicht: Vorbereitungen der Armee auf einen größeren Einsatz liefen bereits. Die Regierung hat der Armee grünes Licht für die Mobilisierung von bis zu 40.000 Reservesoldaten gegeben. Zudem ermächtigte das israelische Sicherheitskabinett die Streitkräfte zu einer "abgestuften Eskalation", um den Druck auf die Hamas jeden Tag zu erhöhen. Israels Militärsprecher Peter Lerner sagte am Dienstag: "Wir wollen der Hamas im Gazastreifen einen Schlag versetzen und die Raketenangriffe auf Israel verringern." Es gebe keine zeitliche Beschränkung der Operation. "Wir stellen uns auf den möglichen Einsatz von Bodentruppen ein", sagte Lerner. "Aber ich denke nicht, dass das sofort passieren wird."
"Rote Linie"
Der bewaffnete Arm der Hamas, die Ezzedin-al-Kassam-Brigaden, erklärte, Israel habe mit der Zerstörung der Wohnhäuser eine "rote Linie" überschritten. "Wenn diese Politik nicht beendet wird, werden wir den Radius unserer Ziele bis zu einem Punkt ausweiten, der den Feind überraschen wird."
Die Kassam-Brigaden und weitere islamistische Gruppierungen hatten am Montag nach Armeeangaben insgesamt 81 Raketen auf Südisrael abgefeuert, mehr als 30 binnen weniger Minuten am Abend. In zehn israelischen Städten trieben Alarmsirenen die Menschen in Schutzbunker. Rund um die in der Negevwüste gelegene Großstadt Beersheba schlugen 16 Geschoße ein. Über der Hafenstadt Ashdod wurden sieben Raketen und über Netiwot fünf von Abwehrgeschützen zerstört. Im Umkreis von 40 Kilometern Entfernung wurden die Menschen in Israel angewiesen, sich in der Nähe von Schutzräumen aufzuhalten. Insgesamt verfüge Hamas über etwa 10.000 Raketen mit verschiedenen Reichweiten bis etwas nördlich von Tel Aviv, sagte Lerner.
Unfreiwillige Zeugen wurden Besatzung und Passagiere des deutschen Kreuzfahrtschiffes "Aidadiva". Laut einer Mitteilung der Reederei waren beim planmäßigen Auslaufen des Schiffs die Explosionen zu beobachten. Kleinstpartikel der zerstörten Projektile seien auf das Deck gefallen; Schäden seien nicht entstanden. Die Hafenarbeiter in Ashdod traten am Dienstag in einen Ausstand, weil es dort keine Schutzräume gibt.
Netanyahu unter Druck der Rechten
US-Präsident Barack Obama rief Israelis und Palästinenser eindringlich zu einer friedlichen Lösung auf. "Frieden ist möglich", schrieb Obama in einem Gastbeitrag für die linksliberale israelische Zeitung "Haaretz" am Dienstag. Beide Seiten müssten bereit sein, dafür Risiken einzugehen. "Wenn der politische Wille zu ernsthaften Verhandlungen existiert, werden die USA da sein - bereit, unsere Rolle zu übernehmen."
Die Gewalt zwischen Israelis und militanten Palästinensern war zuletzt eskaliert. Auslöser waren die Entführung und die Ermordung von drei jüdischen Religionsschülern sowie der offensichtlichen Rachemord an einem palästinensischen Jugendlichen in Ost-Jerusalem. Nach der brutalen Ermordung des jungen Palästinensers, der lebendig verbrannt wurde, legten nach Angaben aus Ermittlerkreisen inzwischen drei rechtsradikale Israelis Geständnisse ab. In der Region wächst die Sorge vor einem neuen Gaza-Krieg und einem Palästinenser-Aufstand.
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