"Operation wird nicht schnell enden"
Die Nahostexpertin Dr. Muriel Asseburg von der Stiftung Wissenschaft und Politik Berlin analysiert im Gespräch mit dem KURIER die politische Situation rund um die Gazaoperation.
KURIER: Der israelische Verteidigungsminister hat schon angekündigt, dass diese Operation über mehrere Tage gehen kann und der beidseitige Raketenbeschuss scheint nicht abzunehmen. Wie schätzen Sie denn den weiteren Verlauf der Militäroperation ein?
Nahostexpertin Muriel Asseburg: Ich denke, dass die Militäroperation tatsächlich nicht schnell enden wird. Die israelische Regierung hat angekündigt, Hamas und anderen militanten Gruppen einen empfindlichen Schlag zu versetzen. Sie wird die Operation kaum einstellen, bevor der Raketenbeschuss aus Gaza aufhört. Hamas hingegen hat ein Interesse daran, zu demonstrieren, dass sie in der Lage ist, über einen längeren Zeitraum Ziele in ganz Israel zu treffen. Erst wenn die israelische Regierung ihre Ziele erreicht hat, wird sie bereit zu Gesprächen über eine Waffenruhe sein.
Welche verschiedenen Gruppierungen sind im Gazastreifen im Konflikt beteiligt und wie ist deren Dynamik untereinander?
Der Raketenbeschuss geht nicht mehr nur von kleineren extremistischen Gruppierungen und dem Islamischen Dschihad, sondern auch von der Hamas aus. Versuchte die Hamas-Führung den Beschuss einzudämmen bzw. zu verhindern, solange sie selbst Interesse an einem Waffenstillstand hatte, ist dies nun nicht mehr länger der Fall. Denn in Folge der Entführung und Ermordung von drei jüdischen Religionsschülern in der Westbank kam es zu einer massiven Verhaftungswelle in der Westbank, zu Vergeltungsmaßnahmen gegen Hamas-Häftlinge und zur Bombardierung unter anderem von militanten Hamas-Führern im Gaza-Streifen. Dies wiederum beantwortete die Hamas mit einer massiven Ausweitung des Beschusses Israels.
Wie ist diese Eskalation überhaupt zustande gekommen und welche Faktoren haben dazu beigetragen?
Hintergrund ist das Scheitern der letzten Runde der Friedensverhandlungen Ende März diesen Jahres. Damit gibt es nach 20 Jahren Oslo-Verhandlungen derzeit keine Perspektive für eine Konfliktregelung, für ein Ende der Besatzung und für palästinensische Unabhängigkeit. Zudem war Israel nicht bereit, die Bildung einer palästinensischen Konsensregierung zu akzeptieren und weiter zu verhandeln. Da kam die Entführung und Ermordung der drei Jugendlichen gelegen, um breit gegen die Hamas in der Westbank vorzugehen – und damit eine neue Runde der Eskalation zu bewirken.
Welche ausländischen Vermittler sind involviert und inwiefern können Sie zu einer Beruhigung der Situation beitragen?
Ägypten hat sich als Vermittler angeboten. Es wird wohl erst nach der Erreichung der Kriegsziele durch Israel zu einer Waffenruhe beitragen können. Zu einer dauerhaften Beruhigung der Situation wird es aber nicht kommen, wenn nicht zentrale Konfliktfelder konstruktiv angegangen werden, etwa die nahezu vollständige Abriegelung des Gaza-Streifens.
Welche Auswirkungen hat die Gaza-Operation auf das Verhältnis zwischen der israelischen Regierung und der Hamas, und auf den Friedensprozess?
Weder die israelische Regierung noch Hamas haben ein Interesse an diplomatischen Beziehungen und gegenseitiger Anerkennung – in der Vergangenheit haben aber beide gezeigt, dass sie mit einer Waffenruhe und damit einer indirekten Sicherheitskooperation sehr wohl leben können. In Israel ist zudem umstritten, was der richtige Ansatz für den Umgang mit der Hamas ist: indirekte Einbindung durch die Konsensregierung und innerpalästinensische Aussöhnung, indirekte Abmachungen, um den Status quo (ante) zu erhalten, oder Versuch der Zerschlagung der Organisation – mit der Gefahr, dass im Gaza-Streifen dschihadistische Gruppierungen das Ruder übernehmen.
Was ist das größte Hindernis am derzeitigen Friedensprozess?
Seit dem Abbruch der letzten Runde der Verhandlungen Ende März liegt der Friedensprozess auf Eis. Die Amerikaner haben angekündigt, dass sie von ihrer Seite aus erst dann wieder vermitteln wollen, wenn die Konfliktparteien sie dazu auffordern. Das wird kaum passieren, denn beide Seiten haben keine Hoffnung, dass sich ihre Ziele durch Verhandlungen erreichen lassen.
Angesichts der Krawalle innerhalb Israels in den letzten Tagen befürchtet man auch die Möglichkeit auf eine dritte Intifada („Aufstand“). Kann es nun zu dieser kommen?
Weder die palästinensische Führung in Ramallah noch ein Großteil der palästinensischen politischen Eliten haben ein Interesse an einer dritten Intifada. Auch sind viele Palästinenser skeptisch, ob sie durch eine neue Intifada ihre Ziele erreichen können. Das heißt aber nicht, dass eine dritte Intifada ausgeschlossen ist. Genauso wenig, wie ein Zusammenbruch der Palästinensischen Autorität und damit des gesamten in Oslo vereinbarten Konfliktmanagements. Damit würde es unmöglich, weiter an der Chimäre festzuhalten, dass es einen Prozess gäbe, der auf eine Zwei-Staaten-Lösung zuläuft.
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