Pressestimmen zu Trump und Kim: "Besser kein Gipfel als ein Eklat"

Pressestimmen zu Trump und Kim: "Besser kein Gipfel als ein Eklat"
Stimmen reichen von "Eklat hätte nur den Weg in die Eskalation gelassen" bis zu "Schlag ins Gesicht für Hoffnungen auf Frieden".

Zur Absage des Gipfels mit Nordkorea durch US-Präsident Donald Trump schreiben die Zeitungen am Freitag:

New York Times

"Die abrupte Entscheidung von Präsident Trump, das geplante Gipfeltreffen mit Kim Jong-un abzusagen, ist angesichts der jahrzehntelangen unstetigen Beziehungen zwischen den USA und Nordkorea nicht überraschend. Es sind auch nicht unbedingt schlechte Nachrichten, sollte es bedeuten, dass die Trump-Regierung sich jetzt Zeit nimmt, die notwendigen Vorbereitungen zu treffen, um eine Zusammenkunft zum Erfolg zu führen, bei der so viel auf dem Spiel steht. Aber es wäre zutiefst bedauernswert und letztlich gefährlich, wenn es damit endet, dass sich die beiden hitzköpfigen Staatschefs beleidigt zurückziehen und die Schulhofspötteleien wieder aufnehmen, die sie während der vergangenen 16 Monaten ausgetauscht haben. Das würde einen Großbrand nur wahrscheinlicher machen."

Washington Post

"Bis zu dieser Woche schienen ihm (Trump) die zunehmend klaren Andeutungen nicht bewusst zu sein, dass Herr Kim keine Absicht hatte, sein Atomwaffenarsenal schnell preiszugeben. Stattdessen schien Nordkorea nur an einem mehrstufigen Prozess interessiert, in dem die atomare Abrüstung ein vages und langfristiges Ziel ist und das Regime für jeden Fortschritt belohnt wird. So waren frühere Abkommen mit Nordkorea gestrickt. Ein solcher Prozess birgt offensichtliche Risiken. Aber die Regierung hätte gewillt sein sollen, vorsichtig zu eruieren, was Herr Kim zu tun bereit war. Stattdessen hat Herr Trump den Prozess impulsiv platzen lassen - und er uns seine Regierung haben sich nicht die Mühe gemacht, die möglichen Konsequenzen zu kalkulieren."

Guardian (London)

"Erfahrene Nordkorea-Beobachter hatten gewarnt, dass das Treffen nie stattfinden würde, weil die Kluft zwischen beiden Seiten viel zu groß sei, um rasch überbrückt werden zu können - insbesondere hinsichtlich der tatsächlichen Bedeutung des Begriffs Denuklearisierung. Der Mangel in den USA an Vorbereitung, Koordination oder Klarheit über die Ziele und darüber, wie man sie angehen sollte, machte die Aussichten auf Fortschritte noch ärmlicher. Im Gegensatz dazu schien Trump zu glauben, der Friedensnobelpreis sei nur noch einen Plausch entfernt. (...) Das eigentliche Problem besteht nicht darin, dass der Gipfel abgesagt wurde, sondern dass er überhaupt mit derart wenig Überlegung und Sorgfalt angesetzt worden war."

The Times (London)

"Es war nicht hilfreich, dass sowohl (US-Sicherheitsberater) John Bolton als auch Vizepräsident Mike Pence auf Libyen als Modell für das amerikanische Herangehen verwiesen haben. Kim Jong-un muss nicht daran erinnert werden, dass Oberst Gaddafi acht Jahre, nachdem er auf Atomwaffen verzichtet hat, tot war, ermordet von seinen eigenen Leuten. (...) Donald Trump hat Kim Jong-un nun eingeladen anzurufen oder zu schreiben, sollte es bei ihm einen Sinneswandel geben. Konventionelle diplomatische Schritte könnten dazu führen, dass dies wahrscheinlicher wird. Vor allem eine Zusicherung Washingtons, dass es keinen Regimewechsel in Pjöngjang anstrebt, und zugleich, dass seine Sicherheitsgarantien für Südkorea und Japan in Stein gemeißelt sind. Hoffnungen auf historische Abkommen zu wecken, nur um sie dann wieder sausen zu lassen, verringert den Einfluss und das Prestige Amerikas."

Straits Times (Singapur)

"Bei Treffen von solcher Bedeutung ist es verrückt, die Dinge zu überstürzen. Mit seiner ungestümen Entscheidung, sich mit Kim an einen Tisch zu setzen, hat Trump eine Menge Leute überrascht - vielleicht sogar Kim selbst. Die amerikanische Entscheidung, den Gipfel abzusagen, wird jetzt die Chinesen in ihrer Erzählung bestärken, dass es die USA mit einer Lösung für die koreanische Halbinsel niemals ernst gemeint haben - weil die USA jetzt eine Ausrede haben, warum sie an Chinas Peripherie Atomwaffen stationieren müssen."

El Mundo (Madrid)

"Es wäre das Foto des Jahres gewesen, aber zunächst einmal wird es dieses nun nicht geben. (...) Dies ist ein Schlag ins Gesicht für die Hoffnungen auf Frieden in einer der brennendsten Regionen des Planeten, obwohl es schwierig schien, in einem Gespräch zweier Führer mit derart impulsiven Charakteren und nur wenig diplomatischem Geschick eine glaubhafte Einigung zu erzielen (...), ohne dass sich vorher bilaterale Delegationen um die Details bemühen. Auf jeden Fall muss die Diplomatie aber weitermachen und Pjöngjang dazu bringen, Schritte zu unternehmen, um zu zeigen, ob es ernsthaft verhandeln will. Dies ist eine historische Chance, die nicht zerstört werden darf, egal wie schwierig der Weg auch sein mag."

Neue Zürcher Zeitung

"Besser als ein Gipfel, an dem beide Seiten mit Schrecken erkennen, welch abgrundtiefer Graben zwischen ihnen klafft, ist eine Absage oder eine Verschiebung auf einen Zeitpunkt, zu dem realistischere Ideen über die Möglichkeiten einer Verständigung bestehen. Ein Eklat in Singapur, ein durchaus wahrscheinliches Szenario, hätte beiden Staaten unter Umständen nur noch den Weg der Eskalation gelassen. Diese Gefahr besteht zwar auch jetzt. Aber mit einigen umsichtigen Schritten lässt sie sich eingrenzen. Amerikas Gesprächsangebot liegt weiterhin auf dem Tisch; beide Seiten sollten die Chance nutzen, sich auf niedrigerer Ebene anzunähern. Doch zugleich müssen sich die Amerikaner für die Möglichkeit wappnen, dass Nordkorea zu seinem Kurs der Einschüchterung und nuklearen Erpressung zurückkehrt. Für diesen Fall ist von zentraler Bedeutung, dass die USA zu ihren Verbündeten in der Region stehen. Trump hat nacheinander Japan und nun Südkorea mit seiner sprunghaften Politik brüskiert. Das Kitten dieser Beziehungen ist jetzt wichtiger, als einer illusionären Gipfel-Show nachzujagen."

Tages-Anzeiger (Zürich)

"Dabei hat Nordkorea eine gewisse Flexibilität signalisiert, indem es sein Testgelände öffentlich zerstörte - das hätte ein Anfang sein können. Dass der US-Präsident nur Stunden später den Gipfel abgesagt hat inklusive Kriegsdrohung, ist ein typisch trumpscher Affront. Das einzig Positive daran: Ein abgesagter Gipfel birgt weniger Gefahren als ein gescheiterter, der kann schnell zum Katalysator einer Krise werden.

Es scheint, als habe Donald Trump geglaubt, er könne den Korea-Konflikt bei einem Burger von Mann zu Mann lösen. Doch dazu braucht es diplomatische Knochenarbeit, in der unzählige Details geklärt werden, um einen gemeinsamen Nenner zu finden. Das aber hat Trump nie interessiert, er will den schnellen Erfolg, den er mit Twitter-Fanfaren verkünden kann. Den Preis für diese unverantwortliche Politik zahlen andere, in diesem Fall die Koreaner."

De Standaard (Brüssel)

"US-Präsident Donald Trump hat den Begriff 'Libyen-Deal' ausgedehnt, vielleicht ohne zu wissen, worauf (sein Sicherheitsberater John) Bolten abzielte. Der drohte vor rund einer Woche ausdrücklich damit, dass Kim Jong-un das selbe Los ereilen könnte wie einst (den libyschen Machthaber) Muammar al-Gaddafi, falls er einem Deal mit ihm nicht zustimmen würde. (...) Damit taucht das Gespenst des 'Regimewechsels' wieder auf, das die Regierung von George W. Bush nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 zu ihrem Markenzeichen machte. Auch die Drohung von Außenminister Mike Pompeo Anfang dieser Woche mit den 'strengsten Sanktionen der Geschichte' gegen den Iran können als Rückkehr Washingtons zur Bush-Doktrin gesehen werden. Das konnte den Nordkoreanern den Appetit auf eine Vernichtung ihres Kernwaffenarsenals einfach nur vermiesen."

Kommentare