240 Tote bei Flugzeugabsturz: Warum überlebte der Passagier auf Sitzplatz 11A?

INDIA-AVIATION-CRASH
Passagier 11A überlebte das tödlichste Flugzeugunglück in Indien seit den Neunzigerjahren. Die Ermittlungen rund um den Absturz laufen noch.

Indien. Ministerpräsident Narenda Modi inspizierte am Freitagmorgen die Absturzstelle des Flugzeugunglücks. Besonders tragisch: Beim Absturz krachte die elf Jahre alte Boeing 787-8 in ein Wohngebiet. Der Regierungschef lief an verbrannten Wrackteilen, Trümmern und Häusern vorbei. Danach besuchte er ein örtliches Krankenhaus, um mit Verletzten zu sprechen. 

An Bord des Flugzeugs waren 242 Menschen: 12 Crew-Mitglieder und 230 Passagiere. Darunter 169 indische Staatsbürger, 53 Briten, sieben Portugiesen und ein Kanadier. Auch elf Kinder waren mit dabei. Auf APA-Anfrage berichtete das Außenministerium aus Wien, dass keine Österreicher im Flugzeug saßen.

Die genaue Zahl der Todesopfer bleibt unklar, aber die örtliche Polizei geht von mindestens 240 Opfern aus. Der indische Innenminister Amit Shah sagte, dass man auf DNA-Abgleiche warten müsse, um die Opfer sicher identifizieren zu können. Am Donnerstag seien so bereits mehr als 1.000 DNA-Tests gemacht worden. Neben Passagieren kamen auch Menschen am Boden, rund um die Absturzstelle, ums Leben. 

Air India plane with over 240 on board crashes after take-off in Ahmedabad

Ein Wrackteil der verunglückten Passagiermaschine 

Passagier 11A

Fast alle 242 Passagiere kamen ums Leben, nur ein Mann überlebte den Flug: Der Brite Vishwash Kumar Ramesh. Angehörige sprachen gegenüber der Presse von einem Wunder. Er saß in der Nähe eines Notausgangs, auf Platz 11A. Sein Sitz befand sich in der ersten Reihe der Economy-, direkt hinter der Business-Class. Es handelte sich um einen Fensterplatz auf der linken (Backbord-)Seite des Flugzeugs, und ist damit im Vergleich zu anderen Economy-Sitzen weiter vorne. Wie genau er den verheerenden Absturz überlebt hat, ist unklar. War es unfassbares Glück oder tatsächlich sein Sitzplatz, der ihn rettete? 

Luftfahrtexperte Heinrich Großbonghardt betonte am Freitag: „Sitz 11A zu buchen ist keine Lebensversicherung". Er sagte, dass der Überlebende unfassbares Glück gehabt habe, denn er habe keine Erklärung, warum Ramesh noch lebe. 

Zwischen Leichenbergen und Trümmerteilen

„30 Sekunden nach dem Start gab es einen lauten Knall, dann stürzte das Flugzeug ab. Alles ging so schnell", sagte Ramesh am Donnerstag im Interview mit der Zeitung "The Hindustian Times". Bei dem Absturz verlor er das Bewusstsein. „Als ich aufwachte, waren überall Leichen um mich herum", so der Überlebende. Er sei dann aufgestanden und habe sich einen Weg durch die Trümmerteile gebahnt. „Jemand packte mich, legte mich in einen Krankenwagen und brachte mich ins Krankenhaus". Ein Video zeigt, wie Ramesh am Absturzort unter Schock zu einem Rettungswagen läuft.

"The Hindustian Times" berichtete, dass der Brite Prellungen an Brust, Augen und Füßen habe. Ramesh war mit einem Bruder für einige Tage in Indien gewesen, um dort Familie zu besuchen. Der Bruder sei in einem anderen Teil des Flugzeugs gesessen und wurde noch nicht identifiziert. 

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Ministerpräsident Modi besucht Überlebenden Ramesh im örtlichen Krankenhaus

Absturz nach Sekunden

Aufnahmen einer Überwachungskamera zeigen, wie das Flugzeug am Donnerstag um 13:39 Uhr von Startbahn 23, vom internationalen Flughafen Sardar Vallabhbhai Patel in Ahmedabad, abhob. Der Flugkapitän und sein Co-Pilot galten als sehr erfahren – gemeinsam verfügten sie über mehr als 9.000 Flugstunden. Kurz nach dem Start geriet die Maschine in Schwierigkeiten, konnte kaum an Höhe gewinnen und setzte einen "Mayday"-Ruf ab. Danach kam keine Antwort vom Flugzeug mehr. Etwa 30 Sekunden später stürzte das Flugzeug in ein nahegelegenes Wohngebiet, nur wenige Kilometer vom Flughafen entfernt. Ein großer Feuerball sowie dichter schwarzer Rauch waren anschließend über den Häusern zu sehen.

Innenminister Shah zufolge hatte das Flugzeug 125.000 Liter Kraftstoff an Bord. Die hohe Menge an Kraftstoff habe zu der starken Explosion geführt. Unter diesen Bedingungen hätten die Insassen des Flugzeugs nicht überleben können. 

Insgesamt wurden fünf bis sechs Gebäude in dem Wohngebiet der westindischen Stadt Ahmedabad ganz oder teilweise zerstört. Bildern und Videos zufolge ist die Boeing 787-8 in mehrere große Teile zerbrochen. Ein Flügel lag auf einer Straße, das Heck ragte aus den Trümmern eines Gebäudes hervor. 

Ein Teil des Flugzeugs schlug in die Kantine einer medizinischen Hochschule ein, in der sich zur Mittagszeit zahlreiche Studenten aufhielten. Viele von ihnen konnten sich offenbar in Sicherheit bringen, doch einige wurden von den Flammen eingeschlossen. Nach Angaben der Dekanin des B. J. Medical College kamen bei dem Unglück mindestens vier Medizinstudenten ums Leben. Dutzende weitere Verletzte werden derzeit im städtischen Zentralkrankenhaus behandelt. Besonders große Sorge herrscht über die Zahl möglicher Opfer in einem benachbarten Wohnhaus, in dem laut Berichten mehrere Ärzte mit ihren Familien lebten.

Warum stürzte das Flugzeug ab?

Es handelt sich um das schwerste Flugunglück in Indien seit 1996 – und zudem um den ersten Absturz einer Boeing 787 seit deren Einführung im Jahr 2011. 

Es gibt verschiedene Theorien, warum das Air-India-Flugzeug abstürzte. Eine Theorie besagt, dass es zu einem seltenen gleichzeitigen Ausfall beider Triebwerke kam. Auch ein technischer Defekt an den Startklappen der Tragflächen wird nicht ausgeschlossen. Darüber hinaus steht ein möglicher Vogelschlag zur Debatte; in der Umgebung des Flughafens soll es regelmäßig zu größeren Vogelschwärmen kommen. Ein ähnlicher Zwischenfall führte im Dezember zum Absturz einer Boeing 737-800 der südkoreanischen Fluggesellschaft Jeju Air, bei dem 179 Menschen ums Leben kamen.

Die genaue Ursache des Absturzes bleibt weiterhin unklar. Erst die Auswertung der Flugschreiber (Aufzeichnungsgerät von Flugdaten im Flugzeug) dürfte endgültige Erkenntnisse liefern.

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