Nach vielen Rückweisungen aus der Türkei gibt es für Schweden nun einen Hoffnungsschimmer auf den erwünschten NATO-Beitritt: Heute, Mittwoch, kommt es zu einem bilateralen Treffen in Ankara – auch ein NATO-Vertreter wird dabei sein. Auch hatte Akif Cagatay Kili, der neue Sicherheitsberater des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan, bereits am Sonntag im türkischen Fernsehen erklärt, dass Schweden der Mitgliedschaft „näher als vor einem Jahr ist“. Es gebe jedoch weiterhin „Punkte zur Diskussion“.
Seit Mai 2022 blockiert die Türkei die Ambitionen des skandinavischen Landes, der Verteidigungsallianz beizutreten. Erdoğan wirft Schweden vor allem vor, „kurdische Terrorgruppen“ zu unterstützen. Dabei sind Schwedens Regierungen, seit Oktober ist eine bürgerliche unter Ulf Kristersson in der Verantwortung, der Türkei mit vielen Maßnahmen entgegen gekommen. So wurde etwa Anfang dieser Woche ein wichtiges Signal gesendet – ein 35-jähriger Kurde und türkischer Staatsbürger soll nach einer Sondersitzung der schwedischen Regierung an die Türkei ausgeliefert werden. Der Betroffene wird in der Türkei wegen eines Drogendelikts gesucht und soll Kontakte zu der „Kurdischen Arbeiterpartei“ (PKK) haben.
Das Oberste Gericht in Stockholm hatte die Auslieferung in der vergangen Woche bewilligt. Bereits seit dem 1. Juni ist in Schweden zudem ein neues Terrorgesetz in Kraft, welches die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung unter Strafe stellt, es gibt zudem Strafverschärfungen bei verschiedenen Formen des Mitwirkens in verbotenen Organisationen.
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Doch Erdoğan verlangt mehr von Schweden: Vor allem die „Auslieferung von 120 Terroristen“, gemeint sind zumeist kurdische Oppositionelle, teils mit schwedischer Staatsbürgerschaft – hier kann Stockholm freilich nicht nachgeben. Auch stört sich Ankara an öffentlichen Koran-Verbrennungen, das Zeigen der PKK-Flagge und antitürkischen Demonstrationen, was durch die schwedische Gesetzeslage weiterhin gedeckt ist. Auf der anderen Seite braucht die durch Inflation und Firmenpleiten gebeutelte türkische Volkswirtschaft dringend westliche Gelder und Investitionen. Die Mitte-rechts-Regierung in Stockholm hofft daher, dass die Führung in Ankara vor oder während des NATO-Gipfels am 10. und 11. Juli in Vilnius einlenkt.
Die Finnen gingen voran
Angesichts der russischen Invasion in der Ukraine hatten sich die Regierungen der traditionell bündnisfreien Länder Schweden und Finnland im Frühjahr 2022 für die NATO-Mitgliedschaft entschieden. Finnland, dessen Beitrittsgesuch auch lange von der Türkei sowie von Ungarn blockiert worden war, konnte im April Vollmitglied werden. Ungarn, das sich an Schwedens Kritik an Innenpolitik Budapests störte, will angeblich noch im Juni den Beitritt Schwedens via Parlamentsabstimmung absegnen.
Das ehemals bündnisfreie Land hat im Gegensatz zu Finnland keine gemeinsame Grenze mit Russland, die schwedische Ostseeinsel Gotland ist jedoch von großer strategischer Bedeutung im Falle eines russischen Angriffs auf das Baltikum.
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