Gemischte Reaktionen nach Margaret Thatchers Tod

Während Politiker aus aller Welt kondolieren, feierten Hunderte eine Straßenparty.

Margaret Thatcher war schon zu Lebzeiten eine höchst umstrittene Persönlichkeit. Und auch nach ihrem Tod polarisiert die "Eiserne Lady" die britische Öffentlichkeit. Regierungen in aller Welt und britische Politiker aller Parteien würdigten Thatcher als großartige Politikerin ihrer Zeit und "prägende Figur": "Mit dem Tod von Baroness Margaret Thatcher hat die Welt eine der großen Verfechterinnen der Freiheit verloren und Amerika eine wahre Freundin", so US-Präsident Barack Obama. Der russische Präsident Wladimir Putin würdigte Thatcher als "starke und rigorose Frau". Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte die erste Frau an der Spitze einer europäischen Regierung "eine der überragenden Führungspersönlichkeiten der Weltpolitik ihrer Zeit". Papst Franziskus würdigte die "christlichen Werte" Thatchers. Vizekanzler und ÖVP-Obmann Michael Spindelegger erklärte: "Mit Margaret Thatcher verliert die bürgerliche Parteienfamilie eine der herausragendsten politischen Persönlichkeiten des vergangenen Jahrhunderts."

"Kein Mitleid"

Thatcher hatte die britische Politik und Teile der Weltpolitik in den 1980er Jahren entscheidend geprägt. Innenpolitisch hatte vor allem ihr extrem harter Kurs gegen die Gewerkschaften, das Kürzen von Sozialleistungen und eine Welle von Privatisierungen für Furore gesorgt. Daher gab es auch kritische Stimmen zum Tod der umstrittenen Politikerin: Der frühere Londoner Bürgermeister Ken Livingstone (Labour) sagte, die Politik Thatchers sei "grundlegend falsch" gewesen. Es sei ein "großartiger Tag" für Kohle-Arbeiter, erklärte der Generalsekretär der Gewerkschaft der Bergleute in Durham. "Ich habe kein Mitleid, weil sie unserer Gesellschaft Schlimmes angetan hat. Sie hat unsere Gemeinschaft, unsere Dörfer und unsere Menschen zerstört."

Menschen feiern mit Champagner und Zeitungen mit dem Titel „Thatcher Dies“.
Revellers celebrate the death of Britain's former prime minister Margaret Thatcher in Brixton, south London April 8, 2013. Margaret Thatcher, the "Iron Lady" who transformed Britain and inspired conservatives around the world by radically rolling back the state during her 11 years in power, died on Monday following a stroke. She was 87. REUTERS/Olivia Harris (BRITAIN - Tags: POLITICS OBITUARY)
Im Londoner Stadtteil Brixton kam es am Montagabend gar zu einer Straßenparty: Rund 200 Menschen kamen in jenem Viertel zusammen, in dem es 1981 gewaltsame Krawalle gegen die Regierung gegeben hatte. Auf dem Hauptplatz des alternativen Stadtteils im Süden der britischen Hauptstadt versammelten sich die Einwohner am Montagabend unter dem Motto "Freut Euch - Thatcher ist tot." Mit Alkohol stießen die Feiernden auf den Tod der ehemaligen Regierungschefin an, viele tanzten zu Hip-Hop- und Reggae-Klängen. Einer der Feiernden begründete seine Teilnahme an der Party damit, dass Thatcher "unserem Land so viel Schaden zugefügt hat". Auch im schottischen Glasgow und im englischen Bristol gab es Feiern von Thatcher-Kritikern. In Bristol wurden bei Ausschreitungen sechs Polizisten verletzt.

Auch im Internet gab es neben Beileidsbekundungen auch eine Welle böser Kommentare: Eine Gruppe von rund 1000 Mitgliedern rief etwa bei Facebook dazu auf, das Lied "Ding Dong! The Witch is Dead" (Die Hexe ist tot) herunterzuladen und es damit zum britischen Charthit zu machen. Die britische Tageszeitung The Daily Telegraph sperrte wegen der Flut an Beschimpfungen sogar Kommentare und Mails zum Tod der ehemaligen Premierministerin in seiner Online-Ausgabe.

Biografie

Gemischte Reaktionen nach Margaret Thatchers Tod

Prime Minister Margaret Thatcher
Margaret Thatcher und ihr Ehemann Denis winken vor der Downing Street Nr. 10.

File photo of British Prime Minister Thatcher and
Ein Porträt des ehemaligen französischen Präsidenten Jacques Chirac.

FRANCE ABBAS VISITS
Ein Gemälde von Margaret Thatcher wird von einer Hand mit einem Pinsel retuschiert.

Artist Lambert paints a commissioned artwork of Br
Margaret Thatcher feiert mit erhobenem Arm und wird von Anhängern bejubelt.

File photo of British Prime Minister Margaret That
Margaret Thatcher spricht vor einer Gruppe von Männern bei einer Konferenz.

File photo of Margaret Thatcher giving the final a
Polizisten führen eine Person bei einer Demonstration ab.

BRITAIN MINERS STRIKE
Gemischte Reaktionen nach Margaret Thatchers Tod

Prime Minister Margaret Thatcher
Gemischte Reaktionen nach Margaret Thatchers Tod

Prime Minister Margaret Thatcher
Eine Frau in roter Robe liest ein Dokument auf einer roten Lederbank.

File photo of Britain's Baroness Thatcher reading
Nahaufnahme von Margaret Thatcher mit Hut und Mohnblume am Revers.

BRITAIN OBIT MARGARET THATCHER

Für weitere Kontroversen wird wohl auch Thatchers Biografie sorgen: Das bereits 1997 in Auftrag gegebene Buch darf nach dem Willen der "Eisernen Lady" erst nach ihrer Beerdigung erscheinen und trägt den Titel "Not for Turning". Thatcher wird kein umfassendes Staatsbegräbnis, aber eine Trauerfeier mit großem militärischen Zeremoniell am 17. April in der St. Paul's Cathedral erhalten. Die Feierlichkeiten sollen voraussichtlich Mitte nächster Woche in der Londoner St. Paul's Kathedrale stattfinden. Der Leichnam wird auf eigenen Wunsch der "Eisernen Lady" nicht öffentlich aufgebahrt.

Thatcher war von 1979 bis 1990 Premierministerin Großbritanniens. Sie machte sich vor allem durch den Falkland-Krieg gegen Argentinien und ihre Rolle innerhalb der damaligen Europäischen Gemeinschaft einen Namen. Das - verkürzte - Zitat "Ich will mein Geld zurück", mit dem sie den sogenannten "Britenrabatt" durchsetzte, wurde legendär. Thatcher hatte bereits mehrere Schlaganfälle erlitten. Nach Angaben ihrer Tochter Carol war sie seit Jahren dement. Sie hatte sich nur noch selten in der Öffentlichkeit gezeigt. Nach Informationen der BBC starb sie in einer Suite im Londoner Hotel Ritz. Dort hatte sie zuletzt gewohnt, weil die Betreuungsmöglichkeiten besser waren als in ihrer eigentlichen Wohnung.

Es mag ja über 30 Jahre her sein, aber die politischen und vor allem wirtschaftspolitischen Entscheidungen Margaret Thatchers haben Europas Entwicklung so nachhaltig geprägt, dass sich von ihrer Amtszeit bis zum Ausbruch der Finanzkrise 2008 eine rote Linie ziehen lässt - eine erschreckend gerade rote Linie.
Thatcher verfolgte vom Zeitpunkt ihrer Machtübernahme 1979 drei Hauptziele: Kompromissloser Monetarismus, also die Bekämpfung der Inflation um jeden Preis, die Verdrängung des Staates aus der Politik und die Liberalisierung des Finanzmarktes. Sie war die europäische Achse der Reagonomics, also der Wirtschaftspolitik ihres Du-Freundes Ronald Reagan, der exakt die gleichen Ziele verfolgte. An Großbritannien lassen sich daher exemplarisch die Stärken und die fatalen Schwächen ihrer Politik ablesen. Jener Politik, die nach der Wende in Osteuropa 1989 auch die gesamte europäische Entwicklung bestimmen sollte. Die Inflationsbekämpfung als Dogma ist Europa seither nicht mehr losgeworden, die globale Raserei des Geldes ebenfalls nicht.
Sie prügelte ihr Land und dessen verschlampte Wirtschaft in die Entindustrialisierung. Dass die Industrie durch eine völlig ideenlose Labour-Regierung und Gewerkschaften, die sich mehr als politisches Machtzentrum denn als Vertreter von Arbeiterinteressen sahen, heruntergewirtschaftet waren, gab ihr anfangs Rückendeckung in der Bevölkerung.
Dass heute annähernd 20 Prozent des britischen BIP vom Finanzzentrum London erwirtschaftet werden, dass also das ganze Land am Tropf der City und ihrer Bankriesen hängt, ist letztlich die Konsequenz daraus. Die Politik, die sie ins Rollen brachte, ließen London zur Welthauptstadt des Geldes und die daran beteiligten Banken so groß werden, dass sie irgendwann dem Staat über den Kopf wuchsen. Dass diese Institute früher oder später die Spieregeln für die Weltwirtschaft mitschreiben würden, war somit unvermeidlich. Zuletzt, als die Blasen, die man - oft wider besseres Wissen - aufgepumpt hatte, platzten, schaffte man es sogar, die Staaten für das eigene Versagen aufkommen zu lassen.
Der beispiellose Aufschwung, den Großbritannien unter Thatchers Nachfolger Tony Blair erlebte, ist ihr anzurechnen, dass dieser Aufschwung nicht nachhaltig war, allerdings ebenfalls. Die soziale Kluft, die in ihren Amtsjahren aufriss schloss sich auch in 13 Jahren Labour-Regierung nicht mehr.
Thatchers Traum von der postindustriellen Dienstleistungsgesellschaft in einer grenzenlos globalisierten Finanzwirtschaft, ist für viele Briten in den einstigen Industrieregionen zum Albtraum geworden - und geblieben. Heute ist es chinesisches Geld, das den kaputtgewirtschafteten britischen Autokonzern MG wieder auf die Beine bringen soll, die seltsamen Nachwehen ihrer Wirtschaftspolitik, 30 Jahre danach.

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