Israel greift Hamas erstmals am Boden an

Für Israels Premier Netanyahu sind die Hamas für den Verlust menschlichen Lebens verantwortlich.

Seit sechs Tagen dauert die Offensive Israels gegen die Hamas nun schon an – jetzt haben sich erstmals Gefechte am Boden zugetragen: Die Soldaten griffen laut israelischem Militär ein Ziel im Norden Gazas an, von dem aus wiederholt Raketen auf Israel abgefeuert worden seien; die Hamas wiederum hätte zurückgeschossen. Vier israelische Soldaten seien bei der Kampfhandlung leicht verletzt worden, schrieb die Zeitung Times of Israel, laut Palästinensern wurden drei Hamas-Kämpfer getötet.

Natanyahu verurteilt Hamas

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hat der im Gazastreifen herrschenden Hamas vorgeworfen, sie missbrauche Palästinenser als menschliche Schutzschilde. "Wir greifen die Hamas mit wachsender Härte an", sagte Netanyahu am Sonntag während der wöchentlichen Kabinettssitzung in Jerusalem.

"Aber man muss verstehen, wie unser Feind agiert. Wer versteckt sich in Moscheen? Die Hamas. Wer versteckt Waffen unter Krankenhäusern? Die Hamas. Wer verlegt Kommandozentren in Wohnhäuser oder in die Nähe von Kindergärten? Die Hamas", sagte Netanyahu. Die radikal-islamische Organisation stürze die Zivilisten so ins Unglück und sei verantwortlich für den Verlust menschlichen Lebens.

Die Krankenwagen der israelischen Rettungsdienste sind ab jetzt mit einer Eiswagen-Melodie unterwegs. So soll angesichts der angespannten Lage im Land unnötige Panik vermieden werden.

Einsatzsignale ähneln zu sehr Alarmsirenen

Wie die israelische Zeitung Jediot Ahronot am Sonntag berichtete, hatten sich viele Menschen beschwert, dass die Einsatzsignale, mit denen die Krankenwagen bisher durch die Straßen brausten, sehr stark den Alarmsirenen ähneln, die bei Raketenangriffen aus dem Gazastreifen ertönen.

Eli Ben, Direktor von Roter Schild Davids, dem israelischen Zweig des Internationalen Roten Kreuzes, entschied deshalb, stattdessen die auf- und absteigende Melodie zu verwenden, die in Israel aus den Verkaufswagen von Eiscreme ertönt. Dies sei aktuell besonders wichtig, weil die Rettungswagen und Notarztfahrzeuge sehr schnell zu den Orten eilen, an denen Raketen oder nach einem Abschuss Trümmerteile einschlagen. Dort erzeugte deren Signal beim Herannahen offenbar wiederholt die Furcht, es sei ein neues Geschoß unterwegs.

Das Umschwenken auf die Eiswagen-Melodie soll unbegrenzte Zeit für ganz Israel und für alle Arten von Einsätzen gelten.

Angriffswelle geplant

Drei Raketen steigen über einer beleuchteten Stadt in den orangefarbenen Nachthimmel auf.
Smoke trails are seen as rockets are launched towards Israel from the northern Gaza Strip July 12, 2014. Hamas militants launched ten rockets at Tel Aviv on Saturday, causing no casualties or damage, in the largest salvo yet on Israel's main business hub, since Israel launched its Gaza offensive against the Islamist group, five days ago. Picture shot using a long exposure. REUTERS/Amir Cohen (ISRAEL - Tags: POLITICS CIVIL UNREST MILITARY CONFLICT TPX IMAGES OF THE DAY)
Die israelische Armee hatte am späten Samstagabend Einwohner des nördlichen Gazastreifens aufgefordert, zu ihrer eigenen Sicherheit ihre Häuser zu verlassen. Es sei unsicher, sich "nahe der Hamas" aufzuhalten, teilte das Militär via Twitter mit. Beobachtern zufolge könnte die Warnung auf eine baldige schwere Angriffswelle hindeuten. Die israelische Regierung hat wiederholt erklärt, dass eine Bodenoffensive gegen die militante Hamas noch immer eine Option sei. Es seien bereits rund 20.000 Reservisten mobilisiert worden.

Seit dem Start der Angriffe auf die islamistische Hamas hat die Armee nach eigenen Angaben seit Dienstag mehr als 1.220 Ziele in der Mittelmeer-Enklave bombardiert. Danach gingen mehr als 783 Raketen der Hamas auf israelischem Gebiet nieder, überdies wurden rund 143 von der Raketenabwehr abgefangen

163 Tote auf Seite der Palästinenser

Bei einem israelischen Luftangriff in der Stadt Gaza starben am Samstagabend 18 Menschen und rund 50 weitere wurden verletzt. Unter den Toten war nach Angaben von Sanitätern auch der Polizeikommandant des Gazastreifens, Tayseer Al-Batsh. Der Leiter der Rettungskräfte im Gazastreifen, Ashraf al-Kidra, erklärte später dagegen, der Polizeichef lebe noch, sei aber schwer verletzt. Al-Kidra sprach von dem schlimmsten Angriff in dem Palästinensergebiet seit Beginn der israelischen Luftoffensive in der Nacht zum Dienstag. Insgesamt ist die Zahl der palästinensischen Toten auf 163 gestiegen. 1085 Menschen seien seit Beginn der Offensive verletzt worden, teilte der Sprecher der örtlichen Rettungsdienste, Ashraf al-Kidra, am Sonntag auf Twitter mit.

Tel Aviv bombardiert

Eine Gruppe junger Leute sitzt an einer Wand mit der Aufschrift „enjoy life“.
epa04312736 German tourists sit on the floor as they take cover in the Tel Aviv main shopping mall, as as a multiple warning siren from incoming rockets sound around city of Tel Aviv, Israel, 12 July 2014. Air raid sirens sounded in Tel Aviv, Israel's biggest population centre, as Hamas announced it will launch a barrage of rockets at the seaside metropolis. Missiles were fired at Jerusalem and Tel Aviv, and for the first time to all the cities in the north of the country. An Israeli army spokeswoman confirmed that the Iron Dome downed one missile targeting Tel Aviv. The Qassam Brigades, the armed wing of Hamas, announced it will launch a barrage of J-80 missiles at Tel Aviv after 9 pm (1800 GMT). Israel stepped up its aerial bombardment of Gaza for a fifth day, striking a mosque and a society for the disabled, and as the death toll in the coastal strip rose to 127 on 12 July 2014 the UN called for a ceasefire and the resumption of peace talks. EPA/ABIR SULTAN
Hamas-Kämpfer im Gazastreifen feuerten am Samstagabend erneut mehrere Raketen auf Tel Aviv und andere Ziele in Israel ab. In der Großstadt heulten die Alarmsirenen, viele Bürger begaben sich in Schutzräume und andere gesicherte Zonen. Eine Armeesprecherin berichtete, dass die Raketenabwehr drei der Geschoße abgefangen habe. In Tel Aviv waren mehrere Detonationen zu hören - offenbar die Abschussgeräusche des Abwehrsystems "Eisenkuppel". Auch in Jerusalem und anderen Teilen Israels heulten am Abend und in der Nacht zum Sonntag erneut die Sirenen.

Am Samstagabend wurden laut Armee zudem erneut auch zwei Raketen vom Libanon aus auf Israel abgeschossen. Sie landeten nördlich der Stadt Nahariya auf freiem Feld. Berichte über Schäden oder Verletzte gab zunächst nicht.

Inmitten des Blutvergießens kommt aber auch die Krisendiplomatie in Gang. Am Sonntag treffen die Außenminister Deutschlands, der USA, Großbritanniens und Frankreichs am Rand der Atomgespräche in Wien zusammen, um Möglichkeiten für eine Waffenruhe zu erkunden. Der britische Außenminister William Hague erklärte, wie schon 2012 sei dringend "gemeinsames, internationales Handeln" gefragt. Ägypten müsse weiter eine aktive Rolle übernehmen. Zuvor hatte Hague mit Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas und dem israelischen Außenminister Avigdor Lieberman gesprochen

Steinmeier in Nahost

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier reist einem Zeitungsbericht zufolge am Montag und Dienstag zu Gesprächen in den Nahen Osten. Der SPD-Politiker wolle unter anderem mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu und Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas beraten, berichtete die Bild am Sonntag im Voraus unter Berufung auf Regierungskreise.

Steinmeier forderte in dem Blatt ein Ende der Gewalt. "Der Raketenterror der Hamas gegen Israels Städte und Dörfer muss endlich aufhören. Die Region braucht jetzt eine Koalition der Vernunft, um Wege aus der Eskalationsspirale zu finden", sagte er. Die Gewalt fordere immer mehr unschuldige Opfer auf beiden Seiten. "Die Angst vor Raketenangriffen ist furchtbar, die Zahl der Toten unerträglich hoch, das Leid der zivilen Verletzten, darunter so viele Frauen und Kinder, herzzerreißend", sagte Steinmeier.

Krisensitzung der arabischen Liga

Die Arabische Liga berief für Montag ebenfalls eine Krisensitzung zum Gazakonflikt in Kairo ein. Kuwait hatte das Treffen beantragt. Auch die 15 Mitglieder des UN-Sicherheitsrats äußerten sich nach einer Sitzung am Samstag in New York extrem besorgt über die Eskalation der Gewalt und forderten eine Waffenruhe.

"Lange Tage des Kämpfens"

Der israelische Verteidigungsminister Moshe Yaalon sagte nach Medienberichten, Israel bereite sich auf weitere "lange Tage des Kämpfens" vor. Israel will nach den Worten von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu solange weiter die Hamas-Kämpfer und ihre Stellungen im Gazastreifen angreifen, bis die Islamisten keine Raketen mehr Richtung Israel abfeuern. Auch die Option eines Einmarschs mit Bodentruppen liegt weiter auf dem Tisch.

Die Bemühungen um einen Nahost-Frieden unter amerikanischer Vermittlung waren im April gescheitert. Auslöser der jüngsten Eskalation der Gewalt waren die Entführung und Ermordung von drei israelischen Teenagern und der mutmaßliche Rachemord an einem palästinensischen Buben. Eine 2012 vereinbarte Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas, die seit 2007 im Gazastreifen herrscht, wurde daraufhin endgültig Makulatur.

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