Gaza-Konflikt: Journalist stellt Frage über Israel – und wird entlassen

Eine Frau mit welligem Haar spricht vor dem Hintergrund der Europäischen Kommission.
Bei einer Pressekonferenz hat der italienische Journalist Gabriele Nunziati die Frage aufgeworfen, ob Israel beim Wiederaufbau des Gazastreifens Verantwortung übernehmen solle.

Zusammenfassung

  • Italienischer Journalist Gabriele Nunziati wurde nach einer kritischen Frage zur EU-Politik gegenüber Israel und Gaza von seiner Nachrichtenagentur entlassen.
  • Der Nationale Rat der Journalisten und Reporter ohne Grenzen kritisieren die Entlassung und sehen die Pressefreiheit in Italien unter Druck, insbesondere seit Regierungsantritt von Giorgia Meloni.
  • Nunziati erhielt nach öffentlicher Diskussion seiner Entlassung ein neues Jobangebot.

In Italien wird aktuell über die Tendenzen der Selbstzensur im Medienbereich diskutiert. Dies zeigt sich konkret am Fall des Journalisten Gabriele Nunziati, der bis vor Kurzem für die Nachrichtenagentur Agenzia Nova tätig war.

"Sie haben wiederholt gesagt, dass Russland für den Wiederaufbau der Ukraine zahlen sollte. Denken Sie, dass Israel für den Wiederaufbau des Gazastreifens zahlen sollte, angesichts der Tatsache, dass es das gesamte Gebiet und die zivile Infrastruktur zerstört hat?" – diese Frage stellte Nunziati am 13. Oktober der Sprecherin der Europäischen Kommission, Paula Pinho, in Brüssel.

Journalist Nunziati stellte "eine interessante Frage"

"Es ist definitiv eine interessante Frage, zu der ich momentan keinen Kommentar abgeben möchte", sagte Pinho. Das Video ging viral. Der italienische Journalist streute damit Salz in die Wunde der Europäischen Union, wenn es um Nahostpolitik geht. Denn während die EU in Bezug auf Russland und die Ukraine eine klare Haltung zeigt, ist die Situation bei Israel und Gaza komplexer.

Für Gabriele Nunziati, der als Korrespondent für die italienische Nachrichtenagentur in Brüssel vor Ort war, hatte die Fragerunde allerdings Konsequenzen: Nunziati wurde von seinem Arbeitgeber entlassen. Die Begründung lautete, seine Frage sei "unangebracht" und "fachlich falsch" gewesen.

Diesen Vorwurf weist der Journalist in einem Gespräch mit Euronews zurück: "Meine Frage ist eine Frage, und als solche lässt sie dem Gesprächspartner die Möglichkeit, zu antworten und seinen Standpunkt darzulegen", erklärte Nunziati und verwies auf die "große Erfahrung" von Sprecherin Pinho, die ihn auf etwaige falsche Annahmen der Fragestellung hätte hinweisen können. "Ich war das erste Mal dort, und es hat mich alles gekostet", so der Journalist in einem Interview mit dem italienischen Fernsehsender LA7, der eine Einschränkung der Pressefreiheit in Italien wittert.

Italiens Pressefreiheit unter Meloni

Auch der Nationale Rat der Journalisten in Italien (Consiglio Nazionale dell’Ordine dei Giornalisti – Cnog) kritisiert die Entlassung Nunziatis. Man sei "bestürzt über den Vorfall". Es sei die Aufgabe eines Journalisten, Fragen zu stellen, "die unbequem oder unangenehm sein können", heißt es auf der Website des Journalistenrates.

Im Weltpressefreiheitsindex von Reporter ohne Grenzen ist Italien in den letzten Jahren von Platz 41 auf Platz 49 zurückgefallen und liegt damit hinter Ländern wie Montenegro oder Nordmazedonien. Unter Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, die seit über zwei Jahren Regierungschefin ist, scheinen die Medien zunehmend unter Druck geraten zu sein. Der öffentlich-rechtliche Sender RAI wird wegen der starken Einflussnahme auch "TeleMeloni" von der Öffentlichkeit genannt. Regierungskritische Sendungen werden eingeschränkt, und Moderatorinnen und Moderatoren, die nicht auf Regierungslinie sind, geraten ins Fadenkreuz der Politik.

Das zeigt auch der aktuelle Fall Gabriele Nunziatis, obwohl Italien eine komplexe Haltung zu Israels Politik hat. Zwar solidarisiert sich die Meloni-Regierung mit Israel in Sicherheitsfragen und im Kampf gegen die Hamas, doch Meloni selbst übt heftige Kritik an Benjamin Netanjahus Vorgehen im Gazastreifen. Im September 2025 sagte die italienische Regierungschefin bei der UN-Generalversammlung, Israel habe ein "Massaker unter Zivilisten verursacht".

In der Sendung "In altre parole" des Fernsehsenders LA7, in der Gabriele Nunziati über seine Entlassung sprach, erhielt der Journalist live ein Jobangebot von Agnese Pini, der Direktorin von Quotidiano Nazionale, einem Netzwerk, das mehrere Tageszeitungen unter einem Dach vereint. Ob Nunziati das Angebot annehmen wird, ist noch unklar.

Kommentare