Für Milliardenkredit soll Kairo billiges Brot opfern

Eine ältere Frau hält Fladenbrot in ihren Händen, umgeben von anderen Frauen und einem Kind.
Für den Riesenkredit des IWF sind Reformen nötig. Durch Subventionsstreichungen droht der nächste Aufstand.

Tagelang stehen die LKW Schlange und warten auf Diesel, immer öfter ist es nachts wegen Stromausfällen in Teilen des Landes dunkel, Bauern können ihre Felder nicht bestellen, weil ihnen der Treibstoff für die Traktoren fehlt. In Ägypten herrscht seit Monaten eine Treibstoffkrise, die auch die Lebensmittelpreise in die Höhe schnellen lässt. „Unter Mubarak haben solche Krisen ein paar Tage gedauert, jetzt geht das schon seit Monaten“, sagt ein Taxifahrer zu Al Arabiya. Das ist nur eine Facette der Wirtschaftskrise in Ägypten.

Am Mittwoch landete eine Delegation des Internationalen Währungsfonds in Kairo, um mit der Regierung einen Kredit über 4,8 Milliarden Dollar auszuverhandeln, der für die Wirtschaft Ägyptens so wichtig wäre. Denn das Staatsdefizit wuchs in den vergangenen zwei Jahren von 64,3 Prozent des BIP auf prognostizierte 71,7 Prozent im heurigen Jahr, die Devisenreserven sind von 36 Milliarden vor der Revolution auf 13,5 Milliarden Dollar gesunken. Das reicht für Treibstoff- und Lebensmittelimporte bis Juni. In den zwei Jahren nach der Revolution haben wegen ständiger Unruhen Fabriken geschlossen, Touristen sind dem Land ebenso ferngeblieben wie Investoren, die Arbeitslosigkeit stieg auf 13,5 Prozent.

Unpopuläre Maßnahmen

Jetzt verhandelt die Mursi-Regierung mit den Geldgebern. Es wäre möglich, dass der Währungsfonds einen kleinen Teil des Kredits vorschießt. Jedenfalls sind die Gelder an strenge Reformen geknüpft. Deshalb hat sich die ägyptische Regierung bis jetzt noch zurückgehalten. Man schaffe es auch ohne den Kredit, ließ die Regierung die Wähler glauben. Es heißt, Mursi wolle die Parlamentswahl im Sommer abwarten, um mit diesen Maßnahmen durchzustarten.

Denn sehr beliebt machen sich die Muslimbrüder mit den Radikalreformen nicht. In den nächsten beiden Monaten stehen nicht nur Steuererhöhungen ins Haus, sondern auch eine Kürzung der Subventionen für Brot und Treibstoff. Die Zuschüsse seien verschwenderisch und kämen ohnehin nicht bei den Ärmsten an, kritisieren IWF-Mitarbeiter.

40 Prozent der gut 80 Millionen Ägypter müssen mit weniger als zwei Dollar pro Tag auskommen, das Ägyptische Pfund verliert zusehends an Wert, Lebensmittel werden teurer. Versorgungsminister Bassem Uda kündigte im März an, dass das billige Brot beschränkt werden soll. Bis jetzt traute sich noch kein Staatschef, wirklich an dem veralteten Subventionssystem Hand anzulegen, das heute ein Viertel des Budgets beansprucht. 1977 kam es zu Unruhen mit 79 Toten, weil die Regierung das billige Brot rationierte, 2008 gab es auch unter Präsident Mubarak Proteste wegen steigender Weizenpreise.

„Brot, Freiheit, Würde“ hatten sich Ägypter bei den Aufständen gegen Mubarak gewünscht. Heute hört man vor allem noch „Brot, Brot, Brot“, schreibt ein Journalist in Kairo.

Heute werden 16 Millionen ägyptische Familien mit billigem Brot unterstützt. Ein Laib kostet sie weniger als einen Euro-Cent. Weil subventioniertes Brot sogar billiger als Viehfutter ist, verfüttern Bauern es an ihre Tiere. Das billige Brot geht auf den früheren Präsidenten Nasser zurück, der vor mehr als 60 Jahren alle lebensnotwendigen Güter (u. a. Öl, Gas und Strom) subventionieren ließ. Die Brotsubvention macht 5 Prozent des Budgets aus, die Energiezuschüsse sogar 20 Prozent.

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