Polizeigewalt in Frankreich: Innenminister warnt vor "Brutalität"

Polizeigewalt in Frankreich: Innenminister warnt vor "Brutalität"
Familienvater starb bei Polizeikontrolle - französische Sicherheitskräfte immer heftiger unter Beschuss. Auch Macron übt scharfe Kritik.

"Die Ehre der Polizei steht auf dem Spiel", hatte Innenminister Christophe Castaner Anfang des Jahres zu seinen Polizisten gesagt. Er hatte seine Neujahrsansprache vor den Sicherheitsbeamten dazu genutzt, vor "Brutalität" zu warnen. Das war neu. 

"Es gibt Bilder, die Taten zeigen, die nicht akzeptabel sind", sagte auch Präsident Emmanuel Macron kürzlich. Gemeint waren Bilder von Polizeieinsätzen. Er erwarte von seinem Innenminister "sehr konkrete Vorschläge", um "das Berufsethos der Polizisten zu verbessern". 

Bislang hatten sowohl Präsident Macron als auch Minister Castaner empört reagiert, wenn überhaupt über Polizeigewalt gesprochen wurde. Es gäbe wenn dann nur Gewalt einzelner Polizisten, aber kein strukturelles Problem, wie es der Begriff Polizeigewalt suggeriere. Jetzt lässt es sich nicht mehr beschönigen. 

"Legitime Fragen"

Ein Grund dafür ist Cedric Chouviat. Der 42-jährige Lieferant war vor rund einer Woche mit seinem Moped in der Nähe des Eiffelturms unterwegs, als er von der Polizei kontrolliert wurde. Er kam anschließend ins Krankenhaus, wo er wenige Tage später starb. Die Autopsie ergab unter anderem einen Kehlkopfbruch.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung.

Die "Bilder", von denen der Präsident jetzt gesprochen hat, sind Amateurvideos von der Polizeikontrolle Chouviats, die auch im Netz kursieren. Sie zeigen, wie der Familienvater von Polizisten auf den Boden gedrückt wird. Die Polizei gab an, dass der Mann auf dem Motorroller telefoniert habe, deshalb habe man ihn angehalten. Schließlich sei er aggressiv geworden und man habe ihn festnehmen wollen. Dagegen habe er sich gewehrt, im Laufe des Einsatzes habe er dann einen Herzinfarkt erlitten, so die Darstellung der Polizei.

„Ich bin der Vater von Cedric Chouviat, und ich sage, man hat meinen Sohn getötet“, erklärte der Vater des 42-Jährigen bei einer Pressekonferenz. Videos sollen zeigen, wie der Rollerfahrer die Polizisten zu Fuß umkreist und mit seinem Handy filmt. Außerdem ist zu sehen, wie er auf dem Boden liegt und mehrere Polizisten ihn niederdrücken. Die Anwälte der Familie kritisieren das Verhalten der Polizei als unverhältnismäßig. Die Familie gibt an, dass die Angaben der Polizei nicht stimmten. Chouviat habe nicht mit dem Handy telefoniert, er habe immer ein Headset getragen.

Auge verloren

Immer wieder sehen sich die Sicherheitskräfte in Frankreich mit dem Vorwurf der Polizeigewalt konfrontiert. Im November wurde ein Demonstrant der "Gelbwesten"-Bewegung Berichten zufolge schwer am Auge verletzt, nachdem er mutmaßlich von einer Tränengas-Kartusche getroffen worden war. Die Pariser Staatsanwalt leitete nach dem Vorfall eine Untersuchung ein. Ein Video zeigt den Demonstranten, wie er sich friedlich mit einer anderen „Gelbweste“ unterhält. Plötzlich wird er unvermittelt von einem Geschoss im Gesicht getroffen. 

Wegen ähnlicher Vorfälle hat die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, bereits im März des vergangenen Jahres Frankreich aufgefordert, Vorwürfe der Polizeigewalt gegen Demonstranten zu untersuchen. „Wir ermutigen die Regierung, den Dialog fortzusetzen - auch eine Fortschreibung der nationalen Diskussionen, die zurzeit stattfinden“, sagte Bachelet damals vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf. „Wir dringen auf eine volle Untersuchung der gemeldeten Fälle von exzessiver Gewalt.“

Der Polizei wird der Einsatz von Hartgummigeschossen vorgeworfen, die schwere Verletzungen verursachen können. Die Regierung wies das bis dato immer zurück. Nur im äßersten Fall würden Geschosse eingesetzt, hieß es auch im Februar des Vorjahres. Innenminister Christophe Castaner versicherte damals, dass alle Beschwerden gegen Sicherheitskräfte untersucht werden. 

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