Er steht damit in der Rangordnung des Kabinetts direkt hinter Premierministerin Borne.
Schuldenberg
Kritiker nennen es verstörend, dass Le Maires jüngster Roman ausgerechnet jetzt erschien – während Frankreichs Schuldenberg eine Rekordhöhe von 3.000 Milliarden Euro erreichte, die Umsetzung einer umstrittenen Rentenreform eine soziale Krise heraufbeschwor und die US-Ratingagentur Fitch die Bonität des Landes herabstufte.
„Sollte man in einer Zeit, in der die Inflation die Franzosen bedrückt, auch nur eine Minute einem Buch mit erotischen Passagen widmen?“, fragte der linke Abgeordnete François Ruffin.
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Zitate aus dem anzüglichen Abschnitt wurden bei Protesten am 1. Mai aufgegriffen. Auf Plakaten hieß es etwa, Le Maire könne sich die Rentenreform in jenen Anus stecken, dessen Ausbuchtungen er im Buch beschrieb.
Macron unzufrieden
Es handelt sich bereits um Le Maires 14. Buchveröffentlichung und um das fünfte Werk seit 2017, als er seinen Ministerposten unter Emmanuel Macron übernahm. Dem Enthüllungsmagazin Le Canard enchaîné zufolge kritisierte der Präsident bereits 2021 die vielen Bücher aus der Feder von Regierungsmitgliedern.
„Irgendwann werden die Leute glauben, dass die Minister nichts tun und ihre Zeit nur mit Schreiben verbringen“, wurde er zitiert.
Le Maire, der trotz seines Hobbys überaus aktiv ist und zu den beliebtesten Politikern gehört, verteidigte sich gegen die Kritik. Die Sex-Szene gehe nur über ein paar Zeilen, sagte er. Er fülle sein Amt voll aus. Die Literatur helfe ihm, sein Gleichgewicht zu bewahren, er widme sich ihr im Urlaub, nachts und morgens.
Zehn Jahre Arbeit
Zehn Jahre habe er an seinem neuesten Roman gearbeitet, so Le Maire, in dem es um eine Begegnung zweier fiktiver Brüder mit dem jüdisch-ukrainisch-russischen Pianisten Vladimir Horowitz geht.
Le Maire liebt klassische Musik, spielt auch selbst Klavier. Er ist mit mehreren Schriftstellern bekannt, darunter dem in Paris lebenden Peter Handke sowie mit Michel Houellebecq. Diesen inspirierte er im Roman „Vernichten“ zur Figur des Bruno Juge („le maire“ heißt wörtlich Bürgermeister, „juge“ bedeutet Richter).
Im Pariser Nobel-Vorort Neuilly-sur-Seine geboren, absolvierte der perfekt Deutsch sprechende Le Maire drei Elitehochschulen, machte einen Bachelor in Germanistik und erhielt die Lehrbefugnis für höhere Schulen als Jahrgangsbester.
Zunächst hatte er verschiedene Beraterpositionen in Ministerien inne, bevor er 2007 Abgeordneter für die bürgerliche Partei und 2009 Landwirtschaftsminister unter Nicolas Sarkozy wurde.
Politische Ambitionen
Le Maire gehörte zu den politischen Schwergewichten der Republikaner, die Macron der Partei abwarb. Eigentlich wollte er selbst bei der Präsidentschaftswahl 2017 antreten, erhielt bei den parteiinternen Vorwahlen jedoch nur 2,4 Prozent.
Dass der 54-Jährige auch bei der nächsten Wahl 2027 kandidieren möchte, ist kein Geheimnis. „Gäbe man Bruno Le Maire die Schlüssel des Élysée-Palastes, würde er den Job einwandfrei machen“, sagt ein Vertrauter Macrons. „Das Problem ist, dass es vorher Wahlen gibt und er einfach kein Charisma hat.“
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