Flüchtlinge in ungarisches Sammellager zurückgebracht
Die am Montagabend aus einem ungarischen Auffanglager geflohenen Flüchtlinge sind von der Polizei in die Sammelstelle an der serbischen Grenze zurückgebracht worden. Mehrere hundert Menschen hatten am Montagabend Polizeiabsperrungen durchbrochen und sich zu Fuß auf der Autobahn M5 Richtung Budapest aufgemacht. Unterdessen warf der ungarische Verteidigungsminister das Handtuch.
Rücktritt
Inmitten der Flüchtlingskrise kündigte Csaba Hende am Montag überraschend seinen Rücktritt an. Der Schritt erfolgte nach einem Treffen des nationalen Sicherheitsrates, bei dem die steigende Zahl der Flüchtlinge diskutiert worden war. Ungarische Medien brachten den Rücktritt mit dem vom ungarischen Militär errichteten Grenzzaun in Zusammenhang.
Hende war maßgeblich an der Errichtung des Zaunes beteiligt, dessen Fertigstellung sich verzögerte. Der Minister sei freiwillig zurückgetreten, hieß es, wobei der Premier diesem Rücktritt umgehend zustimmte. Nachfolger wird Istvan Simicsko, Staatssekretär im Ministerium für Humanressourcen.
EU: 4 Millionen für Ungarn
Die EU-Kommission stellt Ungarn vier Millionen Euro Flüchtlingshilfe bereit. Das Geld solle das Land bei der Aufnahme von tausenden Flüchtlingen unterstützen, teilte die EU-Behörde am Dienstag in Brüssel mit. Die ungarische Regierung habe Mitte August um Hilfe gebeten. Mit der Summe könne Ungarn neue Unterkünfte für die Aufnahme von Migranten bauen, die Aufnahmezentren besser ausstatten, Helfer einstellen und die Weiterreise in andere Landesteile organisieren. EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos werde Ende September Budapest besuchen. Bereits am Vortag hatte die EU-Kommission Österreich fünf Millionen Euro Flüchtlings-Soforthilfe zugesagt.
München stellt sich weiter auf Andrang ein
München stellt sich auch am Dienstag auf die Ankunft vieler Flüchtlinge ein. Wie eine Sprecherin der Regierung von Oberbayern mitteilte, waren am Montag insgesamt 5.000 Flüchtlinge mit Sonderzügen aus Österreich in München angekommen. Eine Prognose für den Dienstag sei noch nicht möglich, hieß es. Unterdessen nimmt Berlin Milliarden in die Hand, um den Flüchtlingsstrom in den Griff zu bekommen. Zugleich wird zur Abschreckung das Asylrecht verschärft. Mehr dazu hier.
Flüchtlingsstrom reißt nicht ab
In Ungarn treffen weiterhin kontinuierlich neue Flüchtlinge aus Serbien ein. Auch am Montag blieb die Situation angespannt. Mehrere hundert Flüchtlinge brachen am Abend aus einer Erstaufnahmeeinrichtung an der serbischen Grenze aus und marschierten zu Fuß über die Autobahn M5 Richtung Budapest. Im Laufe des Tages hatte es an der Sammelstelle Rangeleien gegeben. Die Flüchtlinge waren unzufrieden damit, dass sie stundenlang im Freien auf die Registrierung warten mussten. Hunderte hatten die Nacht auf Montag im Freien verbringen müssen.
Rangeleien
Einige Flüchtlinge lieferten sich Rangeleien mit den Polizisten, laut Nachrichtenagentur Reuters setzte die Exekutive auch Pfefferspray ein. Am späten Abend gaben die Flüchtlinge schließlich auf. Die ungarische Polizei habe die Menschen mittels Dolmetscher darüber informiert, dass sie eine Straftat begehen würden, wenn sie die Registrierung verweigern und die Sammelstelle verlassen, was auch eine Ausweisung aus Ungarn zur Folge haben könne, berichtete der Sender Hir.TV. Daraufhin bestiegen rund 130 Migranten Busse, die sie zurück in die Sammelstelle in Röszke nahe der serbischen Grenze zurückbrachten.
Die Flüchtlinge hatte zunächst gehofft, Busse würden sie zur österreichischen Grenze bringen, wie es bereits in der Nacht auf Samstag geschehen war. Röszke liegt an der Grenze zwischen Ungarn und Serbien. Dort hat die ungarische Polizei ein Aufnahmelager eingerichtet, das mit einem vier Meter hohen Zaun und Stacheldraht gesichert ist. In dem Lager hatten bereits vor einigen Tagen Flüchtlinge eine Absperrung durchbrochen und sich mit der Polizei geprügelt.
Drei neue Aufnahmelager in Serbien
Serbien ist bereit, mindestens drei neue Aufnahmelager für Flüchtlinge zu errichten. Wie die Tageszeitung "Blic" am Dienstag berichtete, hat Serbiens Premier Aleksandar Vucic dies bei seinem Treffen mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag in Berlin erklärt. Demnach soll ein Aufnahmezentrum an der Grenze zu Mazedonien entstehen, weitere zwei im Süden Serbiens. Derzeit gibt es offiziell bestätigte Pläne über die Errichtung eines weiteren Flüchtlingszentrums in Belgrad. In einem bereits bestehenden Aufnahmelager im Stadtviertel Krnjaca gibt es aktuell Platz für 1.800 Migranten. Das Zentrum liegt abseits der Hauptflüchtlingsroute, weshalb es meist halb leer steht. Migranten nutzen stattdessen meist einen Park im Stadtzentrum Belgrads in nächster Nähe vom Bahnhof.
In den ersten acht Monaten des heurigen Jahres passierten 120.000 Migranten Serbien. Nur etwa 500 haben nach offiziellen Angaben auch um Asyl angesucht. Derzeit treffen in der südserbischen Grenzstadt Presevo täglich zwischen 2.000 und 2.500 Flüchtlinge ein. Sie alle werden zuerst in einem Aufnahmelager in der Ortschaft Miratovac untergebracht, um danach im naheliegenden Presevo von den Behörden registriert zu werden, bevor sie in den Norden des Landes weiterreisen.
Zusammenstöße in Mazedonien und Lesbos
Auch in Mazedonien und Lesbos kam es am Montag zu Zusammenstößen mit Flüchtlingen. Polizisten schlugen laut AFP an der Grenze zu Griechenland mit Knüppeln auf Flüchtlinge ein. Dabei wurden mindestens drei Flüchtlinge verletzt. Seit Montagfrüh bis zum frühen Abend überquerten rund 2.500 Flüchtlinge von Griechenland aus die Grenze nach Mazedonien. 8.000 weitere warteten in angespannter Atmosphäre auf der griechischen Seite.
Die aktuelle Flüchtlingskrise wird auch am Dienstag wichtigstes Thema bei mehreren Treffen auf höchster EU-Ebene sein. Schwedens Premier Stefan Löfven besucht zunächst in Berlin die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, am Nachmittag ist dann bei ihm Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) in Stockholm zu Gast. Alle drei Länder drängen auf verpflichtende Asyl-Quoten für alle EU-Staaten. Auch die EU-Kommission tagt zur Flüchtlingskrise.
"Tiefe Differenzen"
Faymann hatte am Montag bei seinen Amtskollegen aus Tschechien und der Slowakei erneut vergeblich für verpflichtende Quoten geworben. Der slowakische Premier Robert Fico und der tschechische Regierungschef Bohuslav Sobotka blieben bei einem Treffen mit Faymann in Bratislava bei ihrer Ablehnung.
"Es gibt weiterhin tiefe Differenzen, was die Quoten angeht", so Fico, "Migranten, die in Europa ankommen, wollen nicht in der Slowakei bleiben." "Deswegen denke ich, dass Quoten irrational sind." Wichtiger sei der Schutz der Schengen-Außengrenzen und eine Regulierung des Flüchtlingsstroms, meinte Sobotka. "Wir wollen beitragen, wir wollen helfen, aber auf freiwilliger Basis."
Die Slowakei hat bis Ende Juni 105 Flüchtlinge aufgenommen. In Tschechien waren es bis Ende August etwa 765, während im selben Zeitraum in Österreich 28.317 Menschen Asyl beantragten. Der von der EU-Kommission vorgelegte Vorschlag sieht dagegen für Österreich nach Angaben des Bundeskanzleramts um zwei Drittel weniger, nämlich die Aufnahme von 10.937 Flüchtlingen vor. Die Kommission will am Mittwoch einen neuen Vorschlag zur Verteilung der Flüchtlinge vorlegen.
Weitere Flüchtlingswelle droht
Die Zahl der aus Syrien fliehenden Menschen könnte nach Einschätzung des UNO-Sondergesandten Staffan de Mistura noch einmal drastisch zunehmen. Sollte sich der Bürgerkrieg auf das Gebiet der bisher weitgehend vom Konflikt verschont gebliebenen Mittelmeer-Küstenstadt Latakia ausweiten, sei mit bis zu einer Million zusätzlichen Flüchtlingen zu rechnen, sagte der Diplomat am Montagabend in Brüssel.
Die massenhafte Flucht aus dem Bürgerkriegsland Syrien lässt auch das weit entfernte Südamerika nicht kalt. Die brasilianische Staatschefin Dilma Rousseff sagte am Montag (Ortszeit) in einer Ansprache anlässlich des Nationalfeiertags, Brasilien nehme syrische Flüchtlinge in diesen Krisenzeiten "mit offenen Armen" auf.
Ihr Land sei bereit, "diejenigen zu empfangen, die - aus ihrem Heimatland vertrieben - hier leben, arbeiten und zum Wohlstand und Frieden Brasiliens beitragen wollen". Brasilien ist mit 2.000 Syrern das lateinamerikanische Land mit den meisten Flüchtlingen, die seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien Anfang 2011 aus ihrer Heimat flohen. Dies geht auf erleichterte Einreisebedingungen für Syrer zurück, die seit zwei Jahren gelten. Das Justizministerium erklärte, die Regierung prüfe derzeit eine Verlängerung dieser Einreiseerleichterungen.
Venezuelas Staatschef Nicolas Maduro kündigte unterdessen die Aufnahme von 20.000 syrischen Flüchtlingen an. Er habe Außenministerin Delcy Rodriguez mit dieser Aufgabe betraut, sagte Maduro am Montag bei einer im Fernsehen übertragenen Kabinettssitzung in Caracas. "Ich möchte, dass 20.000 Syrer, syrische Familien in unser venezolanisches Vaterland kommen", sagte der sozialistische Staatschef. Schließlich gebe es in Venezuela bereits eine "große syrische Gemeinde".
Maduro, der sich als Widersacher der USA versteht, äußerte sich auch zu seinen politischen Beweggründen. Er empfinde Schmerz angesichts des Konflikts, den "ein Volk, das wir lieben", erleide. Der syrische Staatschef Bashar al-Assad sei "der einzige Führer mit Autorität in Syrien".
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