Wie der Bolsonaro-Prozess die Kluft in Brasilien verschärft

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Diese Woche steht der rechtspopulistische Ex-Staatspräsident Bolsonaro vor Gericht. Vorwurf: Putschversuch. Der Angeklagte und seine Fans bestreiten das. Für den aktuellen Präsident Lula da Silva ist sein Rivale schuldig.

In dieser Woche geht es ab morgen, Dienstag, für Jair Bolsonaro, 70, um alles. Der brasilianische Ex-Präsident steht vor Gericht. Die Justiz wirft dem Rechtspopulisten, der das Land von 2018 bis 2022 regierte, einen Putschversuch vor. Der Politiker bestreitet die Vorwürfe und wirft dem Obersten Gericht politische Verfolgung vor. Die Indizien sprechen aber gegen Bolsonaro. 

Inzwischen ist er unter Hausarrest gestellt, die Polizei überwacht ihn auf Schritt und Tritt. Und jetzt werden sogar die „Innen- und Kofferräume aller Fahrzeuge, die die Residenz des Ex-Staatschefs verlassen“, auf Anordnung von Richter Alexandre de Moraes strengstens durchsucht. Dem früheren Präsidenten Brasiliens droht eine lange Haftstrafe.

Anhänger campierten vor Militärkasernen

Bolsonaro hatte den Wahlsieg seines Rivalen und aktuell amtierenden Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva, 79, nie anerkannt. Vor allem ließ er zu, dass sich seine Anhänger in den Wochen nach der Wahlniederlage radikalisierten und trotz fehlender Beweise den zwar hauchdünnen, aber demokratisch legitimierten Erfolg Lulas anzweifelten. Wochenlang campierten Bolsonaros Anhänger vor Militärkasernen, um ein Eingreifen der Armee zu fordern.

Luiz Inacio Lula da Silva

Luiz Inacio Lula da Silva

Bolsonaro schwieg auch, als er aus den USA verfolgte, wie seine Anhänger im Regierungsviertel randalierten. Zudem sollen Bolsonaro und sein engstes Umfeld geplant haben, die Macht wieder gewaltsam an sich zu reißen. Die langjährige Vorsitzende der linken Regierungspartei PT und Lula-Vertraute Gleisi Hoffmann sagte jüngst: Es habe nur deshalb keinen Putsch gegeben, weil Bolsonaro zu feige gewesen wäre.

Unterstützt wird Bolsonaro von US-Präsident Donald Trump. Der wirft der Lula-Regierung vor, die Justiz zu instrumentalisieren, um die Opposition mundtot zu machen. Und schraubte die Strafzölle auf 50 Prozent hoch. Seitdem fliegen die verbalen Giftpfeile zwischen Brasilia und Washington hin und her. Lula nennt Bolsonaros Sohn Eduardo, der in den USA den Kontakt zur Trump-Administration hält, einen Vaterlandsverräter. „Wir lehnen uns gegen die USA auf“, sagt Lula und sieht sich als Verteidiger der nationalen Souveränität des Landes. Die Zustimmungswerte zu Beginn des Konflikts gaben ihm Recht, jetzt sind sie allerdings wieder rückläufig.

Lulas Seilschaften

Ganz so falsch liegt Trump mit seiner Sicht auf die Dinge nicht. Lula da Silvas Arbeiterpartei hat Brasilien seit 2002 fast 17 Jahre lang regiert. Und in ihren insgesamt fünf Präsidentschaften nutzten Lula da Silva und seine Parteigefährtin Dilma Rousseff (2010 bis 2016) die Gelegenheit, an den entscheidenden Stellen des Justizapparates enge politische Weggefährten zu installieren. Darunter den Anwalt, der Lula da Silva in dessen Korruptionsskandal rund um die Konzerne Odebrecht und Petrobras verteidigte. Auch an der Spitze der Ermittlungsbehörden agieren Funktionäre, die Lula da Silva politisch nahestehen.

Weil die brasilianische Justiz gleichzeitig die für Lula unbequemen Ermittlungen rund um die Konzerne Odebrecht und Petrobras einstellte, wegen Korruption bereits verurteilte Politiker wieder freiließ, drängt sich bei vielen Brasilianern eine gemischte Gefühlslage auf. Einerseits begrüßen sie die Untersuchungen gegen Bolsonaro, andererseits stehen sie der Einstellung der Korruptionsverfahren aus der Lula-Ära kritisch gegenüber.

Schaler Beigeschmack

Lula da Silva verbittet sich eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Brasiliens aus Washington, tut dann das aber selbst: Die in Peru wegen Korruption zu 15 Jahren Haft verurteilte ehemalige Präsidentengattin Nadine Heredia erhielt von Lula politisches Asyl. Gleichzeitig beendete Brasilien die juristische Kooperation mit dem Nachbarland zur Aufarbeitung des Korruptionsskandals um den brasilianischen Baukonzern Odebrecht, der zahlreiche Politiker in Brasilien und Lateinamerika im Gegenzug für staatliche Aufträge mit Millionensummen schmierte.

Zurück zur Causa Bolsonaro: Nach einer wahrscheinlichen und durchaus berechtigten Bolsonaro-Verurteilung könnte der Makel an Lula hängen bleiben, dass er seinen schärfsten Rivalen mit juristischen Mitteln vom Wahlzettel fernhält, so den Weg für Lulas vierte Amtszeit freigemacht – und damit die Polarisierung einzementiert hat.

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