EU-Verhandlungen: Belgrad fordert Startdatum

Aleksandar Vucic lehnt sich zurück und atmet durch. „Wissen Sie, Sie müssen verstehen“, sagt der serbische Vizepremier: „Wir haben nicht nur unsere politischen Karrieren aufs Spiel gesetzt – sondern unser Leben.“ Einen Deal mit der von Serbien nicht anerkannten Republik Kosovo zu machen, das ist etwas Großes. Das hat sich bislang so noch keine serbische Regierung getraut. Und jetzt machten es gerade die, die als Ultranationalisten bekannt sind.
Was der Kosovo für Serbien bedeutet, will die Regierung aus Fortschrittspartei (SNS), Sozialisten (SPS) und kleineren Parteien gegenüber Europäern erklären. Und welch großes Zugeständnis an die EU es ist, mit Pristina zu verhandeln. Einer Regierung einer Republik, die in den Augen Belgrads gar nicht existiert. „Das Abkommen von April hat absolut keine Vorteile für die Serben im Kosovo“, stellt Vucic klar.
Serbien möchte in die EU. Das wollte schon die vorangegangene Regierung unter Boris Tadic (DS), und das versuchen nun die ehemaligen Ultranationalisten, die früher von Europa nichts wissen wollten. Auch der Kosovo wollte ein Assoziierungsabkommen mit der EU erreichen. So konnte Brüssel auf die beiden Regierungschefs Druck ausüben. Serbiens Premier Ivica Dacic und sein kosovarischer Gegenpart Hashim Thaci saßen in den vergangenen Monaten mehrmals an einem Tisch. Und sie wurden belohnt. Pristina bekam grünes Licht, Serbiens Beitrittsgespräche sollen „spätestens im Jänner 2014“ beginnen, haben sich die EU-Außenministers im Vorfeld des Gipfels geeinigt. Die Entscheidung fällt heute.
Gar nicht bescheiden
„Wir haben neben einigen Problemen bezüglich des Kosovo auch noch Fragen im Anti-Korruptionskampf gelöst und versuchen, die schreckliche ökonomische Krise in unserem Land in Griff zu bekommen.“ Vizepremier und SNS-Parteichef Vucic ist ohne Zweifel der starke Mann in der serbischen Politik. Er ist nicht bescheiden und macht deutlich, dass diese Errungenschaften zu einem Großteil seine persönlichen sind. „Ich denke, wir haben bewiesen, dass wir ein verlässlicher Partner für die internationale Gemeinschaft geworden sind“, sagt er. Deshalb traue er sich zu fordern: „Gebt uns beim EU-Gipfel ein Datum für den Start der Beitrittsgespräche.“ Und fügt hinzu: „Nicht, weil wir es brauchen, sondern weil wir es verdienen.“
Vucic macht gegenüber einer Handvoll Journalisten aus Deutschland und Österreich kein Geheimnis daraus, dass alles andere als ein konkretes Datum eine Niederlage wäre. Nein, ein „politisches Desaster“ wäre das.
Ein Aufschub würde zu einer innenpolitischen Katastrophe führen, sagt Vucic. Sehr realistisch sind auch vorgezogene Parlamentswahlen im Herbst, weniger als eineinhalb Jahre nach der letzten Wahlen. Das allerdings käme für das krisengebeutelte Land teuer – und würde auch weitere Reformen bremsen. Doch Vucics Partei SNS hat mit ungefähr 40 Prozent derzeit die Nase vorn. Sie könnte an der Macht bleiben und sich sogar von lästigen kleinen Regierungspartnern trennen.
Platz in der EU
„Wir glauben, dass Serbien einen Platz in der EU hat“, sagt Premier Ivica Dacic. „Wir sind ein Stabilitätsfaktor in der Region.“ Mag sein, dass es eine Erweiterungsmüdigkeit in Europa gibt“, versucht er die Skepsis – vor allem Deutschlands – zu verstehen. „Aber dann soll uns Brüssel das ganz genau sagen und nicht immer neue Anforderungen stellen.“
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