Warum Trumps Verzicht auf Zölle nur eine kurze Atempause sein könnte

Dass ihm die vornehm-kühle Deutsche so gar nicht zu Gesicht steht, ist Donald Trump bei jeder Gelegenheit anzumerken. Bisher hat der US-Präsident EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen so gut wie möglich gemieden. Auch eine eigentlich überfällige Einladung nach Washington ist weiterhin ausständig. Umso überraschender, dass es zu Wochenbeginn ein Telefonat der beiden gab – und das zum derzeit wohl heikelsten Thema zwischen USA und EU: Der Streit um Zölle. Noch überraschender das Ergebnis des Gesprächs: Die von Trump erst vor kurzem angekündigten Zölle auf EU-Waren von 50 Prozent sind vorerst aufgeschoben, auf 9. Juli.
Von der Leyen habe offensichtlich gute Argumente gehabt, meinen Beobachter in Brüssel. Jedenfalls bessere als zuletzt, da hatte Trump die EU-Haltung als inakzeptabel und die Gespräche als unbefriedigend bezeichnet.
Doch es waren wohl weniger die Argumente als die Verhandlungstaktik der EU-Spitzen, die diese Atempause für Europas Wirtschaft gebracht hat. Schließlich würden der jährlich Geschäfte im Umfang von mehr als 100 Milliarden Euro entgehen. Seit Wochen laufen intensive Verhandlungen zwischen Brüssel und Washington. Bisher aber, so machen hochrangige Verhandler deutlich, gebe es kaum Fortschritte, auch weil im Zollstreit ausschließlich Trump und seine engsten Berater das Sagen haben. Während die unzugänglich blieben, fertigten alle anderen Gesprächspartner die EU-Verhandler mit Stehsätzen ab.
Harte Linie hält
Doch die ließen sich nicht irritieren und blieben ebenfalls bei ihrer harten Linie. Wenn die US-Regierung weitere Zölle in Kraft setze, werde man mit aller Härte antworten. Eine Liste mit US-Gütern und Dienstleistungen, die man mit Zöllen und Abgaben belegen werde, liege bereit. Während die erste Runde an Zöllen, die man bereits startfertig hat, eher symbolische Wirkung hat - so werden diese etwa auf Harley-Davidson-Motorräder eingehoben – sollte es dann richtig weh tun. So sind etwa US-Agrarprodukte wie Soja, aber auch Flugzeuge von Boeing im Visier. Insgesamt geht es um fast 5000 Produkte und Importe im Wert von jährlich mehr als 100 Millionen Euro.
Trump setzte auf seine Qualitäten als "Dealmaker", die er selbst so gerne lobt. Unter entsprechend hohem Druck werde sich die EU wohl auseinanderdividieren lassen. Doch die Hoffnung erfüllte sich nicht. Sowohl EU-Handelskommissar Maros Sefcovic, als auch die Verhandler des EU-Parlaments, etwa der deutsche Sozialdemokrat Bernd Lange, blieben bei der gemeinsamen Linie. Man wolle eine Einigung, und einen Handelskrieg mit allen Mitteln verhindern, akzeptiere aber keine plumpe Erpressung. Zugleich aber schickte man ganz konkrete Kompromiss-Angebote mit großen Zugeständnissen nach Washington. Man zeigt sich etwa bereit, etwa mehr Waffen, Erdgas, oder landwirtschaftliche Produkte aus den USA zu kaufen.
Digitalriesen im Visier
Trumps überraschende Kehrtwende ist aber nicht mehr als eine Atempause. Bis zum neuen Stichtag, dem 9. Juli, bleiben nur wenige Wochen. Für eine Einigung in einem verfahrenen Streit, noch dazu auf einem so komplexen Gebiet wie Zölle und Handelsbeschränkungen, ist das ausgesprochen wenig Zeit. Dazu kommt, dass Trump dazu neigt, die Zollfragen ständig mit anderen Themen zu vermischen und außerdem die EU als eine Einrichtung betrachtet, die grundsätzlich dazu da ist, um den USA zu schaden. Auf dem Verhandlungstisch liegt also auch eine geplante Maßnahme der EU, die zwar mit Einfuhrzöllen wenig zu tun hat, aber eine der wichtigsten Branchen der US-Wirtschaft trifft: Steuern auf die Gewinne der US-Digitalriesen von Google bis zu Facebook und Instagram.
Für Trump, für den Tech-Milliardäre wie Elon Musk zu den wichtigsten Unterstützern gehören, sind solche Abgaben inakzeptabel. Ein Verzicht darauf ist für ihn Voraussetzung für einen Deal. Die EU wiederum will dieses Thema aus dem Zollstreit heraushalten und besteht auf sachliche Verhandlungen statt Pokerspiele, bei denen es nur darauf ankommt, wer zuerst blinzelt. "Herumschubsen", so meinen hochrangige EU-Vertreter, müsse man sich jedenfalls nicht lassen.
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