EU-Ratspräsident verteidigt Brexit-Aufschub

Tusk erwartet aufrichtige Zusammenarbeit Großbritanniens mit der EU
Der Aufschub erlaube es, sich auf andere wichtige Themen wie den Handel mit den USA zu konzentrieren

EU-Ratspräsident Donald Tusk hat vor dem EU-Parlament die Entscheidung für eine mehrmonatige Verschiebung des Brexit-Datums verteidigt. Der Aufschub bis zum 31. Oktober erlaube es der EU, sich auf andere wichtige Themen wie den Handel mit den USA zu konzentrieren, sagte er am Dienstag in Straßburg. Zugleich sorge die Verschiebung dafür, dass es vorerst nicht zu einem ungeregelten Brexit komme.

Auch hätten die Briten so weiter alle Optionen auf dem Tisch. Dazu gehöre auch die Möglichkeit, den Austritt aus der EU grundsätzlich zu überdenken. In diesem Zusammenhang übte Tusk auch Kritik an Politikern wie Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron. Er hatte beim EU-Gipfel vergangene Woche dazu aufgerufen, nicht davon zu träumen, dass die Brexit-Entscheidung noch rückgängig gemacht werden könnte. "Ich würde sagen, dass wir in diesen eher schwierigen Zeiten unserer Geschichte Träumer und Träume brauchen", erklärte Tusk. Zumindest er werde nicht aufhören, von einem besseren und vereinten Europa zu träumen.

"Jeder erschöpft"

"Ich weiß, dass auf beiden Seiten des Ärmelkanals jeder erschöpft vom Brexit ist", sagte Tusk vor den Europaabgeordneten. Dies dürfe aber nicht dazu führen, dass man sage, der Brexit müsse nun einfach über die Bühne gebracht werden. "Egal was passiert, wir sind durch das gemeinsame Schicksal vereint und wollen auch in Zukunft Freunde und enge Partner bleiben", erklärte Tusk.

"Der Brexit ist nicht die Zukunft der EU", sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Dienstag vor dem Europaparlament in Straßburg. Die Zukunft gehe weit darüber hinaus. "Es kann nicht sein, dass er uns bei unseren großen Prioritäten ausbremst." Die Staatengemeinschaft stehe vor strategischen Herausforderungen und dürfe deshalb nicht nachlassen in ihrem Reformeifer, so Juncker.

Spitzenämter neu besetzt

Als nächstes müsse die strategische Ausrichtung der EU für die kommenden Jahre auf dem Gipfel im Mai im rumänischen Sibiu festgelegt werden. Zudem müssen nach den EU-Wahlen Ende nächsten Monats noch die Spitzenämter in der Union neu besetzt werden, betonte der EU-Kommissionspräsident. Und bis Oktober müsse der neue langfristige Haushalt der EU entschieden werden. Die Einigung sei wichtig, um laufende EU-Programme wie etwa in der Forschung nahtlos zu finanzieren.

Europaabgeordnete äußerten sich am Dienstag unterschiedlich zu den weiter ungewissen Aussichten. Der ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas sagte, es werde zu viel über den Brexit geredet, der zu viele Ressourcen binde. Sein Parteikollege Heinz Becker meinte, die Briten würden austreten, die Frage sei wann.

Der SPÖ-Europamandatar Josef Weidenholzer meinte indes klipp und klar: "Es wird keinen Brexit geben". Der FPÖ-Delegationsleiter Harald Vilimsky bezeichnete die Briten als "orientierungslos". Die grüne Europamandatarin Monika Vana wiederum war mit der jüngsten weiteren Verschiebung des Brexit nicht einverstanden und meinte, dass damit "die Erpressung der EU" weiter gehe.

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