Suche nach richtiger Strategie
Es ist die übliche Reaktion. Ein Terroranschlag. Viele Tote, noch mehr Verletzte. Betroffenheit. Reaktionen. Ruf nach besserer Zusammenarbeit der europäischen Geheimdienste.
Am Mittwoch war es wieder so weit. Eilig wurde ein EU-Sondertreffen der für die Sicherheit verantwortlichen Minister einberufen, das Donnerstagnachmittag stattfinden soll. "Wir haben keine Zeit zu verlieren", betonte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner wieder – wie etliche Amtskollegen nach früheren Anschlägen. Sie forderte – ebenfalls nichts Neues – eine Plattform für den Austausch aller Geheimdienstinfos.

Eigenbau-Dschihadisten
Laut Schätzungen von Europol halten sich in Europa zwischen 3000 und 5000 mögliche IS-Terroristen auf, derer die europäischen Behörden jetzt Herr werden will. Sie sollen großteils in Europa aufgewachsen sein. Man spricht von "Homegrown-Terrorism" (Eigenbau-Terroristen). Demnach sollen entsprechende Extremisten-Ausbildungen nicht nur in Syrien stattfinden, sondern auch innerhalb der EU bzw. in Balkan-Staaten.
Gleichzeitig werde die Gefahr, dass sich unter syrischen Flüchtlingen Terroristen befinden, als gering eingeschätzt.
"Armutszeugnis"
Seit Jänner ist innerhalb der europäischen Polizeibehörde Europol das neue Zentrum für Terrorismusbekämpfung in Betrieb. Dort sollen Daten ausgewertet und ausgetauscht werden und die Zusammenarbeit nationaler Ermittler soll zusammengeführt werden.
Doch das ist mehr Wunsch als Realität. Dem Zentrum fehle es noch an Vertrauen der EU-Staaten, beklagte EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos zuletzt. "Nur fünf von 28 nationalen Geheimdiensten in der EU tauschen bisher wirklich Informationen aus und arbeiten zusammen", sagte auch der ÖVP-Europaabgeordnete Heinz Becker. Ein "Armutszeugnis" nannte er das. Nach Angaben von Innenministerin Mikl-Leitner liefert Österreich Informationen an Europol.
Kritik der Kommission
Aber nicht nur an dem Anti-Terror-Zentrum, auch an anderen Richtlinien und Gesetzen zur Terrorbekämpfung und deren laxer Umsetzung übte die EU-Kommission zuletzt heftige Kritik.
Der von ihr selbst im Dezember eingebrachte Vorschlag zur strafrechtlichen Harmonisierung von Delikten im Zusammenhang mit Terrorismus ist immer noch nicht abgeschlossen. Im März haben die EU-Justizminister eine allgemeine Ausrichtung beschlossen, mehr war offenbar noch nicht möglich.
Eine Entscheidung steht auch in der Revision der Schusswaffen-Richtlinie noch aus. Der Entwurf dafür kam von der Kommission immerhin bereits im November.
Auf die Fluggastdaten-Richtlinie (PNR) haben sich die EU-Innenminister bereits geeinigt. Es geht um die europaweite Erfassung und Speicherung von Fluggastdaten. Doch der Beschluss im Europaparlament steht noch aus.
Außerdem soll die Ausweitung des EU-Strafregisters vorrangig behandelt werden, so die Kommission. Der Austausch von Strafregisterdaten soll auf Nicht-EU-Bürger ausgeweitet werden.
Salah Abdeslam war direkt an den Terroranschlägen in Paris im November involviert. Und konnte fliehen. Vier Monate war er auf der Flucht. Am Freitag wurde er verhaftet. Nur 400 Meter von jenem Haus entfernt, in dem er aufgewachsen war.
Wie es aussieht, konnte er monatelang untertauchen – trotz Terrorwarnungen und vieler Razzien mitten in Brüssel leben, obwohl er der meistgesuchte Mann in ganz Europa war.
Die heftige Kritik, die deshalb jetzt an den belgischen Behörden laut wird, ist nichts Neues. Umso schlimmer, dass sich in den vergangenen Jahren offenbar nur wenig an dem miserablen Zustand der Polizei und Geheimdienste geändert hat.
Durchgriffsrecht
„Wir haben einen Terroranschlag befürchtet, und es ist passiert“, sagte am Dienstag der belgische Premierminister Charles Michel. Während französische Dienste Terrorverdächtige ohne Anklage bis zu sechs Tage festhalten können, sind es in Belgien nur zwei Tage; Hausdurchsuchungen sind zwischen 21 und 5 Uhr verboten. Hinzu kommen administrative Hürden durch die föderalistische Struktur. Und durch die drei Amtssprachen kommen sprachliche Schwierigkeiten hinzu. Außerdem sei ein großes Problem, dass nicht genügend Mitarbeiter des Arabischen mächtig sind.
Man arbeite an einer Verbesserung, hieß es nach den Paris-Attentaten. Personelle Ressourcen, aber auch finanzielle sollten dabei aufgestockt werden: 400 Millionen Euro kündigte Premier Charles Michel an. Man diskutiert darüber, ob Syrien-Rückkehrer demnächst sofort in Beugehaft genommen werden können. Denn eine 24-Stunden-Überwachung der rund 120 Rückkehrer in Belgien würde erhebliche Kosten verursachen.
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