Illegal und giftig: Wie die EU gefährliches Spielzeug stoppen will
Puppen, Baukästen, Action-Figuren: Mit den Tonnen an Spielzeug, die Polizisten in den vergangenen Wochen in 26 EU-Staaten beschlagnahmt haben, hätten sich viele Kinderträume erfüllen lassen. Doch mit welchem Risiko? Denn die insgesamt 8 Millionen Pakete, die bei der von Europol koordinierten Aktion in Häfen, Lagerhallen, aber auch direkt auf Märkten sichergestellt wurden, haben eines gemeinsam: Sie enthalten Fälschungen, illegal hergestellte Kopien von Markenspielzeug. Meist in China produziert, landet dieses Spielzeug unkontrolliert in Europa und schließlich in Kinderhänden. Die Risiken, die diese Ware birgt, listen Europol, aber auch Vertreter der EU-Spielzeugindustrie in erschreckenden Details auf: Scharfe Kanten, giftige Chemikalien in hohen Konzentrationen, Teile, die leicht verschluckt werden und dann zu Ersticken führen können.
Ganz einfach im Paket
Die Europol-Razzien sind Teil einer groß angelegten Planung. Seit Jahren arbeiten die EU-Behörden an verschärften Regeln, um die wachsende Flut an gesundheitsschädlichen Spielwaren in den EU-Staaten unter Kontrolle zu bekommen. Erst vor wenigen Tagen hat das EU-Parlament neue Regeln für Spielzeugsicherheit verabschiedet. Die sollten ab 2026 gelten. Mit dem „sichersten Spielzeug der Welt“ könnten Europas Kinder spielen, zeigt sich die CDU-Abgeordnete Marion Walsmann stolz über das Gesetz, an dem sie über Jahre mitgearbeitet hat.
Kurz zusammengefasst, werden die Vorschriften, um ein Spielzeug auf den europäischen Markt zu bringen, noch strenger. Eine ganze Reihe neuer, gesundheitsschädlicher, etwa allergener Chemikalien sind jetzt erfasst, aber auch Form, Stabilität, oder Brennbarkeit.
Auf EU-Papier liest sich das wie eine felsenfeste Sicherheitsgarantie, in der Praxis, aber wird diese Garantie täglich unterlaufen, und zwar buchstäblich millionenfach.
Unglaubliche 4,5 Milliarden Pakete liefern chinesische Online-Plattformen pro Jahr in die EU, allein nach Österreich kommen pro Tag rund 50.000 Pakete. Neben Billigtextilien ist ein Gutteil davon mit Spielzeug gefüllt. Dank einer EU-Regelung aus den 1960ern sind die Pakete mit einem Wert unter 150 Euro sogar noch zollfrei. Diese Regelung soll weg, darauf haben sich die EU-Staaten zuletzt geeinigt – theoretisch! Denn bevor diese Pakete endlich nach vernünftigen Regeln zollpflichtig werden, braucht es in Europa Zollbehörden, die in der Lage sind, das alles zu kontrollieren.
Bisher jedenfalls überfluten die Pakete von Online-Händlern wie Temu, oder Shein Europa völlig ungebremst. Weniger als ein Promille der Pakete werden auf ihren Inhalt überprüft, an eine Überprüfung auf etwaige Gesundheitsschädlichkeit ist nicht einmal zu denken.
Bis 2028 soll die Reform der Zollbehörden abgewickelt sein, doch dazu fehlt es nicht nur an Tausenden Beamten, sondern auch am Willen vieler EU-Länder. Schließlich ist Zoll eine Angelegenheit der einzelnen Staaten, und die wollen sich ihre Kompetenzen von Brüssel nur sehr ungern beschneiden lassen.
Rechtlich riskant
Je löchriger die Grenzkontrollen eines Landes, desto angenehmer für die Online-Riesen aus China. Ungarn etwa ist bevorzugter Eintrittsort in die EU, auch die für Österreich bestimmten Pakete kommen meist über den Flughafen Budapest, denn der ist ganz eng mit Frachtflughäfen in China verbandelt. Doch nicht nur praktisch, auch rein rechtlich gestaltet sich das Vorgehen gegen die chinesischen Importeure schwierig. Frankreichs Regierung etwa hat vor ein paar Wochen – nach einem Skandal um kindliche Sexpuppen – ein Import-Verbot gegen die Online-Plattform Shein beschlossen.
Der Staatsanwalt in Paris aber bezweifelt inzwischen öffentlich, ob solche rigorosen Maßnahmen überhaupt durchsetzbar sind. Auch bei bestem Willen also steht den EU-Ländern eine Mammutaufgabe bevor, um die Flut an möglicherweise gefährlichem Spielzeug unter Kontrolle zu bekommen. „Wir werden ihnen trotzdem klar machen, dass sie ihren Job machen müssen“, meint die EU-Parlamentarierin Walsmann: „Ausreden haben sie jetzt keine mehr.“
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