Erster "Royal-Zeuge" seit 130 Jahren: Prinz Harrys „Work-out“ vor Gericht
Erst zurückhaltend, dann scherzend, zum Schluss mit Gedächtnislücken: Das Kreuzverhör des Duke of Sussex ist ein Novum für das Königshaus. Der KURIER war live dabei.
„Sie lassen mich hier ein Work-out machen“, sagte Prinz Harry Andrew Green, dem Anwalt des beklagten Medienhauses, und für einen kurzen Augenblick lag eine gewisse Leichtigkeit im Gerichtssaal 15 am Londoner High Court. Knapp eine Stunde im Kreuzverhör, schien Harry warm zu werden.
Weich klang seine Stimme anfangs durch den Raum, regelmäßig griff er zum Wasserglas, zum Taschentuch, beugte sich weit vor, um einen Text, den der Verteidiger zitierte, selbst zu lesen. „Wo steht das genau?“, zeigte sich der Prinz unwissend.
Mit ernster, aber entspannter Miene war der Duke von Sussex am Dienstagmorgen vor dem Rolls Building aus dem schwarzen SUV gestiegen; ignorierte Reporter, die mit großen Kameras in der kurzen Sackgasse Position bezogen hatten, und betrat das Gerichtsgebäude, während ein Hubschrauber über den Dächern des Justizpalastes kreiste.
Im zweiten Stock hatte sich nicht nur der Gerichtssaal gefüllt, sondern – im Unterschied zum Vortag, als der Prozess allerdings ohne Harry begonnen hatte – auch eine Schlange Interessierter gebildet, die darauf hofften, einen Platz im öffentlich zugänglichen Gerichtssaal ergattern zu können. Dem KURIER war das gelungen.
Es war ein Meilenstein in Prinz Harrys Kampf gegen die Boulevardpresse. Zur Erinnerung: Der Royal klagte die Mirror-Verlagsgruppe wegen illegaler Informationsbeschaffung, darunter das Anzapfen von Telefonen. Der Tag war aber auch ausschlaggebend für das englische Königshaus: Erstmals seit 130 Jahren saß ein Royal in der Zeugenbox.
Davor musste sich zuletzt Edward, damaliger Prinz von Wales und Sohn von Königin Victoria, 1891 wegen einer angeblichen Affäre vor Gericht verteidigen (Edward bestritt dies und die angebliche Geliebte Harriet Mordaunt verbrachte ihre restlichen 33 Jahre in einer psychiatrischen Abteilung).
Königshaus schweigt
Gemeinhin hält sich das englische Königshaus auch bei Disputen an das Motto „Never complain, never explain“ („Niemals beschweren, niemals erklären“). Erst im April hatte Harry seinem Bruder William vorgeworfen, eine Telefon-Anzapf-Klage mit dem Verlagshaus der Zeitung The Sun außergerichtlich „zu einer sehr hohen Summe“ geregelt zu haben. Von Buckingham Palace gab es keinen Kommentar dazu.
Angeblich ist auch Harry von seinem Vater und dem Privatsekretär der früheren Königin in den Palast zitiert worden. Er soll die Hacker-Klage fallen lassen, wegen des Effekts, den es „auf die ganze Familie“ haben könnte. Wenig verwunderlich hielt sich Harry nicht an die Aufforderung und hat sich nun einem eineinhalbtägigen Kreuzverhör (heute, Mittwoch, geht es weiter) auszusetzen.
Kritik an Regierung
Immer selbstsicherer begegnete Harry Greens harten Fragen. Zurückgelehnt im grauen Stuhl, wiederholte er die Sätze: „Das müssen Sie die jeweiligen Journalisten fragen.“ Oder: Das Timing wäre „sehr verdächtig“. Auch wenn Harry auf Nachfragen einräumen musste, dass er die Artikel teilweise zum Erscheinungsdatum gar nicht gelesen hatte. Oder dass Informationen, die er als geheim deklariert hatte, mitunter vom Palast selbst herausgegeben worden waren. Als Harry nicht genau wusste, welches Telefon angezapft gewesen sein könnte, fragte Green: „Sind wir nicht im Bereich absoluter Spekulation?“ Nach der stundenlangen Befragung merkte man dem Prinzen die Müdigkeit an. „Entschuldigung, mein Gedächtnis hat einen Moment ausgesetzt“, sagt er – aus seiner mittlerweile routinierten Antwort war ein wenig Ungeduld herauszuhören.
Für eine scharfe Kritik an Presse und Regierung reichte es dann doch noch. Beide seien am „Tiefpunkt“: „Die Demokratie scheitert, wenn ihre Presse es versäumt, die Regierung zur Rechenschaft zu ziehen, und sich stattdessen dafür entscheidet, mit ihr ins Bett zu gehen.“
Kommentare