Mehr als 1.000 Festnahmen bei Demonstrationen für Kremlkritiker Nawalny

Weltweit demonstrieren Menschen für Nawalny
Nawalnys Unterstützer haben das zweite Wochenende infolge landesweit zu Protesten aufgerufen. Aktionen waren demnach in rund 100 Städten geplant.

In Russland sind am Sonntag bei den Protesten für den inhaftierten Kremlkritiker Alexej Nawalny bereits mehr als 1000 Menschen festgenommen worden. Das geht aus einer Übersicht des Portals Owd-Info hervor, das die Festnahmen auflistet. Demnach kamen bis zum frühen Nachmittag allein in der Hauptstadt Moskau mehr als 140 Menschen in Polizeigewahrsam. Diese Zahl stieg minütlich.

Ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur berichtete aus Moskau, dass Sicherheitskräfte Demonstranten in Polizeibusse trugen. Mehrer als 100 Festnahmen gab es demnach auch in Wladiwostok am Pazifik.

Im äußersten Osten des riesigen Landes hatten die Demonstrationen wegen der Zeitverschiebung begonnen. Im Laufe des Tages dehnten sich die Proteste auf das ganze Land aus. Aktionen gab es Nawalnys Team zufolge in rund 100 Städten. Owd-Info listete zunächst Festnahmen in mehr als 50 Städten auf. Schätzungen zu den Teilnehmerzahlen lagen zunächst noch nicht vor.

Festgenommen wurden verschiedenen Medienberichten zufolge auch Journalisten. Ebenfalls in Polizeigewahrsam genommen sei der prominente Rapper Oxxxymiron (Oksimiron) in St. Petersburg.

Nawalny war vor genau zwei Wochen direkt nach seiner Rückkehr aus Deutschland an einem Moskauer Flughafen verhaftet worden, wo er sich fünf Monate lang von einem Giftanschlag erholt hatte. Der 44-Jährige macht Präsident Wladimir Putin und den Inlandsgeheimdienst FSB für das Verbrechen verantwortlich. Putin und der FSB wissen das zurück.

Unterdessen baut Nawalny auch für Initiativen im Europarat und vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auf die Hilfe Deutschlands. Sein Anwalt, der Kölner Jurist Nikolaos Gazeas, sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", er hoffe, dass Mitgliedstaaten des Europarates die Festnahme seines Mandanten "auf die Agenda des Ministerkomitees setzen". Er fügte hinzu: "Diese Bitte gilt für jeden Staat, und ich würde Deutschland hier nicht ausnehmen."

Gazeas verwies darauf, dass die Inhaftierung Nawalnys auch gegen ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) verstoße. Der Kreml-Kritiker war wegen angeblichen Verstößen gegen Bewährungsauflagen verhaftet worden, die aus einem durch den EGMR als ungültig eingestuften Urteil resultierten. Gazeas bat Deutschland deshalb, ein Verfahren gegen Russland nach Artikel 46 der Europäischen Menschenrechtskonvention einzuleiten.

Die CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen und Andreas Nick erklärten der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", die Verhaftung Nawalnys sei "ein staatlicher Willkürakt und eine unglaubliche Perversion". Abermals verdrehe Russland "die Täter-Opfer-Rolle": Der Staat, "der die Verantwortung für die Vergiftung Nawalnys trägt", verhafte nun das Opfer.

Gleichzeitig missachte Moskau mit der Verhaftung ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und die Menschenrechtskonvention, erklärten die CDU-Politiker. Das müsse im Ministerkomitee des Europarates thematisiert werden. Die Mitgliedstaaten müssten nun die Integrität des Gerichtshofs und der Konvention schützen, indem sie das Verhalten Russlands formal rügten. "Wir fordern auch die Bundesregierung auf, in diesem Sinne aktiv zu werden."

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