Ermittlungen gegen Donald Trump: Die Einschläge kommen näher

Ein Spartaner, der Washingtons Society-Leben strikt meidet: Mueller lebt schlicht und nach eisernen Prinzipien
Wie der FBI-Sonderermittler Robert Mueller Präsident Trump jagt: Präzise, ohne große Worte, abseits der Öffentlichkeit.

Er gibt keine Mitteilungen heraus. Oder Pressekonferenzen. Oder Interviews. Er stellt sich nie vor Mikrofone. Er meidet das Scheinwerferlicht der Talkshows wie Vampire den Sonnenaufgang. Er ist bei gesellschaftlichen Anlässen eine konstante Nullnummer. Er hält sich aus sozialen Netzwerken fern. Und das seit 19 Monaten. Ununterbrochen.

Robert Swan Mueller III, der Mann, über den Amerika täglich spricht, die einen mit religiöser Bewunderung, die anderen mit an Körperverletzung grenzendem Widerwillen, hat etwas geschafft, was in Washington noch niemandem in seinem Rang gelungen ist. In einer Stadt, in der selbst Geheimstes eher gestern als heute im Fleischwolf der Tagespolitik verwurstet wird, weiß außer dem 74-jährigen Strafverfolger wirklich niemand, wie es tatsächlich um Donald Trump steht.

Inbegriff von Integrität

Als Sonderermittler in der Russland-Affäre, die auf Anordnung des Justizministeriums seit Mai 2017 unter anderem nach möglichen unlauteren Verbindungen und/oder Absprachen zwischen dem Kreml und dem Wahlkampfteam des heutigen Präsidenten suchen soll, hat sich der Nachfahre deutscher Einwanderer aus Pommern bisher keine Blöße gegeben.

 

Je unverschämter Trump auf Twitter geifert, die Ermittlungen als „Hexenjagd“ tituliert und die Ermittler als Gauner, je höher die Wellen der Berichterstattung schlagen, desto unsichtbarer macht sich der Mann, der im Sumpf der Hauptstadt für viele längst der Inbegriff von Integrität geworden ist. Desto tiefer dringt Mueller, dessen Arbeitsauftrag keinen thematischen Beschränkungen unterliegt, in den weit verwinkelten Keller Trumps ein und fördert Leiche um Leiche zutage.

"Die Luft wird dünner

Mueller spricht allein durch Akten. Gerichtsakten. Aus Anklagen, Vorladungen und in der Regel stark geschwärzten Zeugen-Aussagen destillieren „Muellerlogen“ wie der Autor Garrett Graff oder der Journalismus-Professor Seth Abramson regelmäßig den Stand der Dinge. Tenor: „Die Einschläge kommen näher, die Luft wird dünner für den Präsidenten.“

In Rekordzeit haben Robert Mueller und sein Team aus Top-Fahndern, Staatsanwälten und Experten für Wirtschaftskriminalität über 30 Anklagen erwirkt. Darunter gegen etliche Russen, die als Cyber-Kriegsexperten gelten und via soziale Medien vor dem Urnengang 2016 Keile in die amerikanische Gesellschaft getrieben haben. Ein halbes Dutzend Verurteilungen, darunter die Trump-Promis Michael Cohen, Paul Manafort und Michael Flynn, stehen exemplarisch für die Fallhöhe und Legitimation der von Mueller choreografierten Groß-Untersuchung, die den amerikanischen Steuerzahler bisher 25 Millionen Dollar gekostet hat.

Hat Donald Trump persönlich mit den Russen gepackelt? Oder davon gewusst, dass sein Sohn, Schwiegersohn und/oder seine Tochter Ivanka dies taten? Ist er ernsthafter Kandidat für ein Amtsenthebungsverfahren? Je länger die Mutter aller Fragen unbeantwortet bleibt, desto spitzer werden die Pfeile, die der Asket mit dem akkurat gezogenen Grauhaar-Scheitel auf sich zieht. Regelmäßig flammen Gerüchte auf, dass Trump irgendwann doch die ministerielle Hierarchie in Gang setzen könnte, um Mueller mundtot zu machen und die Untersuchung zu stoppen.

Im feindlichen Feuer

Dass man Mueller bisher nichts anhaben konnte, liegt an einer Biografie, die den Vater zweier erwachsener Töchter auf das Stahlbad vorbereitet hat, das Trump und seine Prätorianer in Politik und Medien täglich veranstalten. Als junger Offizier rettete er 1968 im Vietnam-Krieg als Platoon-Führer einen Kameraden aus feindlichem Feuer. Bei dem Einsatz, der ihm einen Tapferkeitsorden einbrachte, durchschlug eine Kugel seinen Oberschenkel.

Aufsehenerregende Prozesse

Für seinen aktuellen Auftrag bringt Mueller, der zeitlebens Republikaner war, aber auch von den Demokraten als „uneingeschränkt professionell“ geschätzt wird, mehr Finesse, Akribie und Befugnisse mit, als Donald Trump lieb sein kann. Robert Mueller erwarb seinen Jura-Abschluss an der Universität von Virginia, trat danach in diverse Anwaltskanzleien ein, bevor er in den Staatsdienst ging und Bundesanwalt wurde. An prominenter Stelle wirkte er im Gerichtsverfahren gegen Panamas Diktator Manuel Noriega mit, der im Hauptberuf Drogenhändler war. Auch den New Yorker Mafia-Paten John Gotti half er hinter Gitter zu bringen.

Unter Muellers Federführung wurde der Anschlag auf ein US-Passagier-Flugzeug untersucht, das 1988 über der schottischen Kleinstadt Lockerbie abstürzte. Seine größte Herausforderung kam im Herbst 2001. Als Bin Ladens Todespiloten in die Türme des World Trade Centers in New York flogen, war Mueller gerade eine Woche im Amt – als Chef der Bundespolizei FBI. Erst 2013 wurde der später von Trump unter dubiosen Umständen gefeuerte James Comey sein Nachfolger.

Detailversessen

Aus Vietnam brachte Mueller die tiefe Neigung zu Disziplin, Teamwork und Detailversessenheit mit. Der Golfer ist ein Verfechter von stramm geführten 15-Minuten-Meetings. Bedingungslose Faktensuche und Ungeduld prägen seine Arbeit, die er aus einem unscheinbaren Regierungsgebäude in der Nähe des Kongresses heraus führt. Mitarbeiter, die nicht lückenlos vorbereitet sind, sind ihm ebenso ein Graus wie Zwischenfälle, die unnötig ablenken. Auch darum sucht er seinen Lieblings-Italiener meist durch einen Nebeneingang auf. Nur selten begibt sich Mueller offen ins normale Leben.

Neulich suchte er mit Ann, seiner Gattin seit 52 Jahren, die Apple-Filiale im Stadtteil Georgetown auf und ließ sich wie andere Senioren technische Nachhilfe im Umgang mit Laptop und Smartphone geben. Eine Kundin erkannte ihn, schoss ein Foto, das sofort in den Medien zirkulierte. „Robert Mueller an der Genius-Bar“, schrieb ein Fan im Internet, „das passt!“

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