Vierter Abschuss: Was wir über die rätselhaften Flugobjekte wissen

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Seit dem Vorfall um den chinesischen Ballon häufen sich Abschüsse über den USA. Im Hintergrund laufen seit Monaten Ermittlungen

Nein, auch eine "außerirdische Herkunft" der unbekannten Flugobjekte will das Pentagon auf Anfrage definitiv nicht ausschließen. Das Mysterium am Himmel über Nordamerika wird also immer größer: Das US-Militär hat am Sonntag ein weiteres nicht identifiziertes Flugobjekt abgeschossen. Diesmal holte ein Kampfjet vom Typ F-16 einen Flugkörper über dem Huronsee im Bundesstaat Michigan vom Himmel, wie das US-Verteidigungsministerium in Washington mitteilte. Bisher ist allerdings lediglich bekannt, dass das Ding achteckig sein soll. Das Pentagon betonte, noch lägen keine Informationen dazu vor, woher der Flugkörper stammte und was er zum Ziel hatte.

Seit 18 Monaten auf der Jagd

Ominöse Flugobjekte über Nordamerika geben den USA und der Welt seit Tagen Rätsel auf - und sorgen zunehmend für Unruhe. Warum sich aber jetzt gerade die Abschüsse häufen und in Folge auch die vorerst geheimen Ermittlungen, hat einen Grund. Seit 18 Monaten laufen die Ermittlungen des US-Militärs über ein chinesisches Programm zur Entsendung von Spionageballons und anderen Flugobjekten. Bisher bekannt wurde, das schon in der Ära Trump mehrere dieser Objekte über den USA aufgespürt wurden.

Komplexe Systeme von Antennen

Eine erste Vorstellung davon, was an Bord der abgeschossenen Objekte sein könnte, lieferte offensichtlich der Ballon, der über South Carolina abgeschossen wurde. An Bord sollen sich Antennensysteme befunden haben, die in der Lage sind Kommunikations-Netzwerke, also etwa solche für Mobiltelefone, auszuhorchen, außerdem waren tatsächlich auch meteorologische Meßgeräte an Bord. China hatte sich ja in einer ersten Reaktion darauf berufen, dass es sich lediglich um meteorologische Geräte handle.  

Der neue Abschuss

Das Nordamerikanische Luftverteidigungskommando NORAD habe das Flugobjekt am Sonntagmorgen entdeckt und es visuell sowie per Radar verfolgt, erklärte das Pentagon. Es sei in einer Höhe von etwa sechs Kilometern unterwegs gewesen. Flugbahn und Flughöhe hätten Anlass zur Sorge gegeben, dass das Objekt eine Gefahr für die zivile Luftfahrt sein könnte.

Auch potenzielle Überwachungsmöglichkeiten des Objekts hätten ein Risiko dargestellt. Präsident Joe Biden habe daher die Anweisung zum Abschuss gegeben. Die Überreste des Flugobjekts sollten nun geborgen werden, um mehr über die Hintergründe zu erfahren.

Suchaktionen in Alaska

So sind derzeit zahlreiche Schiffe des US-Militärs im Meer vor Alaska unterwegs, um Trümmer eines der abgeschossenen Flugobjekte zu bergen. Die Aktion soll sich aber wegen des ständigen Dunkels schwierig gestalten. Auch von dem Ballon vor South Carolina fehlen immer noch wesentliche Teile. Zwar konnte die Ballonhülle geborgen werden, doch die technischen Geräte liegen zum Teil immer noch auf dem Meeresgrund und müssen mit Tauchbooten heraufgeholt werden.
 

Die anderen Fälle

US-Kampfjets hatten bereits am Freitag und Samstag zwei nicht näher identifizierte Flugobjekte abgeschossen: eines vor der Küste des US-Bundesstaats Alaska, das andere über dem Norden Kanadas. Bisher ist unklar, um was für Objekte genau es sich handelte, woher sie kamen und welches Ziel sie verfolgten. Die Bergung von Trümmerteilen soll auch in diesen Fällen Antworten über die Hintergründe geben - sie gestaltet sich bisher allerdings schwierig.

Die US-Regierung wirft China vor, es habe mit dem Ballon Militäreinrichtungen ausspionieren wollen. Peking sprach dagegen von einem zivilen Forschungsballon, der vom Kurs abgekommen sei. Der Vorfall sorgte für weitere Spannungen im ohnehin belasteten Verhältnis beider Länder - auch weil die USA China beschuldigen, mit Ballons dieser Art ein großes Überwachungsprogramm zu betreiben, mit dem sie mehr als 40 Länder auf fünf Kontinenten ins Visier genommen hätten.

Die Parallelen und die Unterschiede

Der chinesische Ballon flog nach Angaben der US-Regierung in einer Höhe von etwa 18 Kilometern und damit weit über der Höhe, in dem der zivile Flugverkehr operiert. Er hatte demnach die Größe von zwei bis drei Bussen und war mit bloßem Auge zu sehen. Die Amerikaner ordneten den Ballon sehr schnell China zu - und klassifizierten ihn als Spionagemittel. Bei den anderen drei Flugobjekten ist bis jetzt offen, wer sie auf den Weg geschickt hat und wozu.

Sie waren nach offiziellen Angaben deutlich kleiner als der Ballon Chinas - und in niedrigeren Höhen unterwegs. Die Flugobjekte über Alaska und Kanada wurden in rund zwölf Kilometern Höhe abgeschossen. Der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, sagte am Sonntag unter Berufung auf den Nationalen Sicherheitsrat, derzeit gehe man davon aus, dass es sich auch um Ballons gehandelt habe. Der NORAD-Leiter Glen VanHerck wies das aber zurück: "Ich werde sie nicht als Ballons einstufen - wir nennen sie nicht ohne Grund 'Objekte'."

Die Häufung an Abschüssen

VanHerck, der auch Befehlshaber des Nördlichen US-Kommandos ist, sagte, seinem Wissen nach sei es zuvor noch nie vorgekommen, dass das US-Militär Flugobjekte im amerikanischen Luftraum abschießen musste. Nun plötzlich vier Mal innerhalb von acht Tagen. Auf die Frage, ob sich die US-Bevölkerung nun auf eine ganze Serie weiterer Abschüsse einstellen müsse, sagte der General: "Alles, was sich Nordamerika nähert, werde ich, wenn es unbekannt ist, identifizieren - und einschätzen, ob es eine Bedrohung darstellt. Wenn es eine Bedrohung ist, schieße ich es ab." Derzeit verfolge NORAD keine weiteren Objekte. "Das heißt nicht, dass es nicht irgendwann in der Zukunft weitere geben könnte, aber im Moment sehen wir nichts."

Aus der Pentagon-Führung hieß es, nach dem Abschuss des chinesischen Ballons habe das US-Militär den amerikanischen Luftraum auch in großen Höhen genauer in den Blick genommen und Radartechniken verbessert. Das erkläre zumindest teilweise die gehäufte Entdeckung solcher Objekte. Ob das im Umkehrschluss heißt, dass zuvor schon viele solcher Flugkörper über US-Territorium unterwegs waren und schlicht nicht bemerkt wurden, blieb offen.

Die Theorien

Das Fehlen an belastbaren Informationen zu Herkunft und Hintergrund der Flugobjekte gibt Raum für Mutmaßungen aller Art. In sozialen Medien wird bereits über eine mögliche Invasion von Aliens spekuliert.

Auf die Frage einer Reporterin, ob das US-Verteidigungsministerium ausschließen könne, dass Außerirdische hinter den ominösen Flugkörpern steckten, antwortete VanHerck: "Ich überlasse es den Geheimdiensten und der Spionageabwehr, das herauszufinden. Ich habe zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts ausgeschlossen." Ob die Aussage geeignet ist, die Spekulationen einzudämmen, ist fraglich. Kongressabgeordnete beider Parteien jedenfalls fordern eindringlich mehr Informationen zu den Vorfällen, um zu verhindern, dass sich weiter wilde Theorien verbreiten.

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