Eine Frage der Gene
Ob dieser langfristige Plan aufgeht, ist zwar fraglich. Technisch ist die Produktion eines Dodos aber auf jeden Fall möglich. Die Frage ist also nicht ob, sondern wann der erste Dodo seit 300 Jahren das Licht der Welt erblickt. Das sagt nicht nur Lamm, das sagt auch Thomas Hildebrandt. Der Berliner Professor ist Experte für die Reproduktion großer Säugetiere und wissenschaftlicher Berater von Colossal. „Ein Organismus ist die Umsetzung eines genetischen Codes und der ist beim Dodo gut bekannt“, sagt er.
Tatsächlich hat das Unternehmen nicht nur das Genom des Dodos, sondern mittlerweile auch jene zweier weiterer Vögel vollständig sequenziert, die für das Projekt von entscheidender Bedeutung sind: des Rodrigues-Solitärs sowie der Kragentaube. Ersterer ist ein gleichfalls ausgestorbener, naher Verwandter des Dodos, zweitere die nächste noch lebende verwandte Art. Der Plan von Colossal ist nun, die Genome von Dodo und Solitär mit jenem der Kragentaube zu vergleichen. Anschließend sollen die Urkeimzellen der Taube so modifiziert werden, dass sie am Ende die physischen Merkmale eines Dodos aufweist.
Anschließend sollen die modifizierten Urkeimzellen in sterile Hühnerembryos eingepflanzt werden. Sind diese Hühner ausgewachsen, sollen sie sich paaren und sollten dann, so der Plan, einen Dodo hervorbringen – oder zumindest etwas, das aussieht wie ein Dodo. Klingt nach Science Fiction, „aber die einzelnen Methoden sind realistisch“, sagt Hildebrandt. Das Neue ist die Kombination dieser Techniken.
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Hoffnung für das Nashorn
Entscheidend ist für ihn aber etwas ganz anderes: die erhofften Nebeneffekte der Colossal-Forschung für die Rettung stark bedrohter Arten wie des Nördlichen Breitmaulnashorns. Dafür kooperiert das von Hildebrandt geleitete Nashorn-Schutzprojekt BioRescue mittlerweile mit Colossal. „Das Projekt bringt Zugang zu Ressourcen, die dem klassischen Artenschutz verschlossen sind“, sagt der Forscher. Nur mehr zwei sterile Weibchen der Spezies sind am Leben. Zwar gibt es eingefrorene Spermien von Männchen, doch nur von einigen wenigen. Der Colossal-Ansatz bringt nun die Möglichkeit, trotz des begrenzten Ausgangsmaterials die erforderliche genetische Vielfalt zu erzeugen, die für eine sich langfristig selbst erhaltende Population nötig wäre.
Das erforderliche Genmaterial gibt es zur Genüge, ist es doch möglich, auch aus Zehntausende Jahre alten, präparierten Exemplaren DNA zu entnehmen. „Wir sind gerade dabei, die Museen der Welt zu durchforsten, um zu sehen, welche Individuen für uns interessant sind“, sagt Hildebrandt.
Lamms Fokus liegt weiter auf den ausgestorbenen Arten. Zwar wagt er es nicht, sich auf einen Zeitpunkt festzulegen, zu dem der erste Dodo wieder auf Erden wandelt. Eine neue Heimat auf der Insel wird dennoch bereits gesucht. Im Gegensatz zur Nachzüchtung des Dodos zweifelt Hildebrandt dessen Auswilderung jedoch an. Einerseits aus rechtlichen Gründen, wäre die Schöpfung doch kein Tier, sondern ein „genetisch modifiziertes Objekt“. Andererseits aber auch ganz grundsätzlich. „Die wollen den Dodo nicht wiederansiedeln, die wollen ihn herzeigen und Geld verdienen“, sagt er.
Also doch Jurassic Park.
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