"Die FIFA ist der wahre Präsident Brasiliens"

Die Präsidentin Brasiliens bemüht sich. Mit allen Kräften versucht Dilma Rousseff offenbar, sich als Freundin der Protestierenden in ihrem Land darzustellen. Als Antwort auf die bisher größten Demonstrationen von rund zwei Millionen Menschen in dem 200-Millionen-Land am Freitag trat sie vor TV-Kameras und bot einen Dialog und einen „großen Pakt für Brasilien“ an. „Ich höre euch“, sagte sie und lobte die friedlichen Proteste, während sie die Gewalt einer Minderheit verurteilte. Sie wolle einen Plan zur Verbesserung des öffentlichen Transportwesens entwickeln und mehr von den Öleinnahmen in die Bildung fließen lassen. Zudem solle der Ärztemangel vorübergehend mit Medizinern aus dem Ausland behoben werden. Wichtig sei ihr auch der systematische Kampf gegen die Korruption und Veruntreuung öffentlicher Gelder.
Proteste gehen weiter
Wenige glauben aber, dass diese Zugeständnisse reichen werden. Schon kurz nach der Ansprache waren etwa junge Brasilianer mit Ärztekitteln auf der Straße auf deren Transparenten stand: „Es fehlen keine Ärzte, es fehlen Arbeitsbedingungen!“
Aber auch der Fußball war Thema in Rousseffs Ansprache. Sie betonte die Wichtigkeit der WM für Brasilien. Für ein Land, das sich seit Jahrzehnten über den Fußball definiert, dessen Kinder – und auch Erwachsene – stolz das Dress der Nationalmannschaft tragen, dessen Auswahl bei jeder WM mitgespielt und davon fünf Mal gewonnen hat. Doch genau in diesem Land tun jetzt die jungen, wütenden Demonstranten etwas, das man sich nie vorstellen konnte: Sie raten Fans in aller Welt ab, zu ihrer Weltmeisterschaft zu kommen.
Heftige Kritik an Pelé

Tausende Brasilianer machten danach im Internet ihrem Ärger über Pelé Luft. „Verräter“ und „Kapitalist“ wurde der Mann genannt, der Millionen Euro für Werbeeinnahmen im Rahmen der WM einstreift. Auch der Weltfußballer von 1994, Romario, zeigte sich empört über Pelés Aussagen. „Pelé, halt den Mund“ sagte er – ebenfalls in einer Videobotschaft. Fast im selben Atemzug bezeichnete der 47-Jährige, der mittlerweile Mitglied der Sozialistischen Partei Brasiliens ist, den Weltfußballverband FIFA als den „wahren Präsidenten Brasiliens“. Er kreiere einen Staat innerhalb des Staates und nehme den ganzen Gewinn – den er auf vier Milliarden Real (1,3 Mrd. Euro) schätzt – steuerfrei mit.
Ein Land ist gespalten zwischen seiner Liebe zu Fußball und seiner Zukunft: „Ich liebe Fußball“, bringt es der 29-jährige Arnaldo in einem Gespräch mit der New York Times auf den Punkt. „Aber im Moment ist es, als wären unser Herz und unser Kopf getrennt.“
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