Deutschland: Österreich als mahnendes Beispiel

Deutschland: Österreich als mahnendes Beispiel
In Deutschland schließen Unions-Politiker eine Koalition mit Rechts aus.

Dass er einmal tagelang die österreichische Innenpolitik verfolgen würde, hätte er nie gedacht, berichtete ein Bekannter. Es gab aber auch kein Entkommen: Liveticker auf Nachrichtenwebseiten, Fernseh-Schaltungen nach Wien und Schlagzeilen von Bild bis Süddeutsche Zeitung. Klar, deutsche Reporter haben das Video veröffentlicht, was unter Hauptstadtjournalisten zur Frage führte: Warum wurde das Material nicht früher den Ösis zugespielt? Sind Politik und Presse in Wien zu eng miteinander verwoben?

Frederik, der das politische Geschehen hier wie dort mitverfolgt, war mit Blick auf die „1.000 Einzelfälle“ verwundert, „dass es das Video braucht, um die FPÖ zu entlarven“. Durch die Liederbuchaffäre, BVT-Razzia, Rattengedicht und Umgang mit Journalisten fiel die türkis-blaue Koalition in der deutschen Presse regelmäßig auf. Auf die anfängliche Euphorie einiger Berichterstatter über den österreichischen Kanzler folgten kritische Töne. Die Welt schrieb nach dem Regierungs-Aus vom „Ende eines politischen Projekts“, der Spiegel konstatierte über Kurz’ Koalition: „Er hat dazu beigetragen, die Grenzen des Sagbaren zu verschieben und die Stimmung in Österreich zu vergiften.“

Keine Frage, der Kanzler hat wie keiner seiner Vorgänger in Deutschland polarisiert: Für die Merkelmüden und Konservativen, die ihre Partei weiter rechts sehen wollen, galt er als Sehnsuchtsfigur. Über die Koalition mit der FPÖ schauten sie hinweg. Anders im Kanzleramt, wo man sie weniger goutierte, wegen der FPÖ-Kontakte nach Russland Folgen für die Zusammenarbeit der Geheimdienste befürchtete. Und sich über das Verhalten der Regierung in puncto UN-Migrationspakt ärgerte.

Seit der Ibiza-Affäre sind deutsche Konservative um Abgrenzung bemüht. Mit Blick auf die Wahlen im ehemaligen Osten, wo die AfD stark ist, lautet die Losung: Österreich zeigt, was passiert, wenn man mit Rechten zusammenarbeitet. Von CSU-Chef Markus Söder bis Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer sprechen sich Unionspolitiker gegen eine Koalition aus.

Dass Österreich nun eine Kanzlerin hat, fiel positiv auf, ist aber keine Sensation in einem Land, wo seit 14 Jahren eine Frau an der Regierungsspitze steht.

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