Der Mueller-Bericht: Trump und das nächste Kapitel
Wie ein Damoklesschwert schwebten die Russland-Ermittlungen des FBI fast zwei Jahre lang über Donald Trumps Präsidentschaft. Nun hat Sonderermittler Robert Mueller seine Arbeit beendet. Aber wer auf einen Paukenschlag gehofft hatte, wurde zumindest vorerst enttäuscht. Muellers Bericht ist geheim, seine Erkenntnisse sind nur wenigen Personen bekannt. Das große Finale könnte noch folgen.
Was hat Mueller ermittelt und wie ist er dabei vorgegangen?
Der 74-jährige Ex-FBI-Chef hat zu der mutmaßlich russischen Einflussnahme auf die Präsidentschaftswahl 2016 ermittelt. Er übernahm dabei im Mai 2017 eine bereits bestehende FBI-Ermittlung. US-Geheimdienste beschuldigen Moskau, sich mit Hackerangriffen in den Wahlkampf eingemischt zu haben, um Donald Trump zu helfen und seiner demokratischen Konkurrentin Hillary Clinton zu schaden - was der Kreml zurückweist. Mueller untersuchte bei seinen Ermittlungen, ob es geheime Absprachen mit Trumps Wahlkampflager und Moskau gab und ob Trump mit der Entlassung von FBI-Chef James Comey im Mai 2017 die Justiz behindert hat.
Mueller wird eine äußerst akribische Vorgehensweise nachgesagt. Seine Arbeit hat zu über 30 Anklagen geführt. Er und sein Team sprachen mit Dutzenden Zeugen - etwa mit Trumps ehemaliger Kommunikationschefin Hope Hicks. Den Präsidenten befragte der Sonderermittler dagegen nicht persönlich. Trump beantwortete Muellers Fragen schriftlich.
Was passiert als nächstes?
Mit der Übergabe von Muellers Bericht an das Justizministerium liegt der Ball nun dort. Justizminister William Barr muss entscheiden, welche Informationen er aus dem vertraulichen Papier an den Kongress geben will. Barr kündigte am Freitag an, er wolle die Justizausschüsse beider Parlamentskammern womöglich schon in den nächsten Tagen über die wichtigsten Schlussfolgerungen des Sonderermittlers informieren. Barr könnte sich auch dazu entscheiden, den Bericht komplett an die Öffentlichkeit zu geben.
Wird Trump in dem Bericht belastet?
Das ist nicht bekannt, da das Papier vertraulich ist. Bisher wurde durch die Anklageschriften und andere Gerichtspapiere von Muellers Team nichts öffentlich, was beweisen könnte, dass Trump oder sein Umfeld in die mutmaßliche russische Einflussnahme verstrickt waren. Allerdings waren die Dokumente teilweise geschwärzt. Muellers Ermittlungen haben zu Anklagen gegen sechs Personen aus Trumps Umfeld geführt - unter anderem gegen seinen ehemaligen Wahlkampfmanager Paul Manafort, seinen langjährigen Vertrauten Roger Stone und seinen Ex-Anwalt Michael Cohen. Allein diese Anklagen setzten Trump unter Druck - auch wenn der Republikaner stets bemüht war, sich von den Anschuldigungen zu distanzieren.
Wie hat das Weiße Haus auf das Ende der Ermittlungen reagiert?
Mit demonstrativer Gelassenheit - und angesichts der Tiraden gegen die Mueller-Untersuchungen in der Vergangenheit betont nüchtern. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Sarah Sanders, teilte nur knapp mit, man erwarte, dass der Prozess nach der Übergabe des Mueller-Berichts an Justizminister Barr nun seinen Gang nehme. Das Weiße Haus habe den Bericht nicht erhalten und sei auch nicht über dessen Inhalte informiert worden. Trump selbst hielt sich auffällig zurück: Auf Twitter hatte er die Ermittlungen und Muellers Team in der Vergangenheit etliche Male angegriffen. In den Stunden nach der Übergabe des Berichts twitterte der Präsident kein Wort dazu.
Worauf hofft das Trump-Lager?
Trump hat immer wieder betont, dass er sich strafrechtlich nichts zuschulden hat kommen lassen. Er und sein Umfeld werden nun darauf bauen, dass der Bericht ihnen recht gibt. Dann würden Muellers Untersuchungen - die Trump als "Hexenjagd" bezeichnet hat und die ihn zur Weißglut getrieben haben - quasi mit einem Freispruch für ihn enden. Nicht nur sähe Trump sich darin bestätigt, dass die Ermittlungen in seinem Umfeld Zeit- und Geldverschwendung gewesen seien. Er könnte den Mueller-Bericht zudem zu seinem politischen Vorteil nutzen: Den Demokraten wäre der Wind aus den Segeln genommen.
Worauf hoffen die Demokraten?
Die Demokraten spekulieren darauf, dass der Bericht Trump belastet. Selbst wenn die Ermittlungsergebnisse strafrechtlich relevant wären, wird ein Präsident im Amt allerdings nach langjähriger Praxis des Justizministeriums nicht angeklagt. Im Sinne der Demokraten wäre es aber schon, wenn genug belastendes Material zusammenkäme, um die eigenen Untersuchungen gegen Trump und sein Umfeld im Abgeordnetenhaus voranzutreiben - die dann womöglich zu einem Amtsenthebungsverfahren führen könnten. Die Vorsitzende der Kammer, die Demokratin Nancy Pelosi, hat sich kürzlich allerdings von Forderungen nach einem Amtsenthebungsverfahren distanziert.
Warum ist Pelosi so vorsichtig?
Die Trump-Gegenspielerin argumentierte in der "Washington Post", dass ein solches Verfahren die Gräben in dem ohnehin schon gespaltenen Land weiter vertiefen würde - und sie sagte, Trump sei es "einfach nicht wert". Ganz ausschließen wollte Pelosi ein solches Verfahren aber auch nicht. Sie sagte, man solle diesen Weg eines "Impeachments" nicht wählen - es sei denn, es gebe zwingende Gründe oder erdrückende Beweise und Unterstützung über Parteigrenzen hinweg für diesen Schritt. Unter den Demokraten gibt es aber auch Abgeordnete, die für ein Amtsenthebungsverfahren sind.
Wie liefe ein solches Verfahren?
Nach der US-Verfassung muss ein Präsident des Verrats, der Korruption oder anderer schwerer Verbrechen oder Vergehen für schuldig befunden werden, um des Amtes enthoben zu werden. Das Abgeordnetenhaus, in dem die Demokraten die Mehrheit haben, kann ein Amtsenthebungsverfahren beschließen und den Präsidenten damit quasi anklagen. Das Verfahren - das einem Gerichtsprozess ähnelt - würde dann aber im Senat geführt, wo auch ein Urteil fällt. Diese Kammer dominieren Trumps Republikaner, die bisher zu ihm halten. Am Ende müssten mindestens 67 der 100 Senatoren den Präsidenten für schuldig befinden. Derzeit ist eine solche Zweidrittelmehrheit nicht in Sicht.
Sind in der Vergangenheit US-Präsidenten des Amtes enthoben worden?
Nein. Gegen drei US-Präsidenten - Andrew Johnson (1868), Richard Nixon (1974) und Bill Clinton (1998 und 1999) - wurden Amtsenthebungsverfahren begonnen. Johnson und Clinton wurden am Ende freigesprochen. Nixon trat vor dem Abschluss des Verfahrens zurück, um einer Amtsenthebung zuvorzukommen. Dennoch ist ein solches Verfahren eine schwere Belastung für eine Präsidentschaft, weil es viele Kräfte bindet und potenziell Unangenehmes zutage fördern kann.
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