Das wichtigste scheiterte: Attentate, die Weltgeschichte schrieben
Vor allem konservative Kommentatoren zelebrieren in diesen Tagen wieder einmal den Mythos Stauffenberg. Der hochadelige Offizier, der Hitlers Vernichtungskrieg nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren konnte und den Diktator und sein Regime mit einer Bombe und einem parallel dazu ablaufenden Putsch aus der Welt schaffen wollte.
"Teuflisches Glück", wie Hitler-Biograph Ian Kershaw resumiert, rettete dem Massenmörder zuletzt das Leben. Der Putsch, auch weil er zuletzt nur lückenhaft vorbereitet war, blieb schon in der Anfangsphase stecken.
Der Krieg aber, den Oberst Claus von Stauffenberg mit dem Attentat beenden wollte, war bereits in seiner Endphase angelangt. Der deutsche Vernichtungsfeldzug in Osteuropa und der seit der Wannsee-Konferenz 1942 generalstabsmäßig geplante Massenmord an den Juden hatte Millionen von Menschen das Leben gekostet. Die deutsche Niederlage war unausweichlich, zwischen den Westmächten und Stalins Sowjetunion öffnete sich bereits die Kluft, deutete sich der Machtkampf an, der die kommenden Jahrzehnte des Kalten Krieges bestimmen sollte.
Hätte also Stauffenberg den Gang der Geschichte mit seiner Bombe tatsächlich ändern können? Handelte der Offizier, der Hitlers Aufstieg begeistert verfolgt und voll Überzeugung in den Weltkrieg gegangen war, aus moralischen Gründen - und wenn ja, aus welchen? Das Stauffenberg-Attentat mag Hollywood ein perfektes Heldenmotiv geliefert haben, kritischen Betrachtern gibt es viele ungelöste Fragen auf.
Der KURIER wirft einen Blick zurück auf die Geschichte des politischen Attentates von Cäsar bis John F. Kennedy
20. Juli 1944: Vom Verehrer Hitlers zum Attentäter
Es war nicht das erste Attentat auf Hitler, aber jenes, das einem Erfolg am nächsten kam. Claus Schenk, Graf von Stauffenberg, ein Offizier aus altem deutschen Adel hatte sich schon früh für den Nationalsozialismus begeistert. Von Hitler erwartete er die Wiedergeburt des deutschen Kaiserreichs. Erst der Verlauf des Krieges und seine Erfahrungen an der Front, vor allem jene vom orchestrierten Massenmord im Russlandfeldzug, ließen in Stauffenberg die Überzeugung reifen, dass Hitler beseitigt werden musste. Das Attentat am 20. Juli 1944 in Hitlers Hauptquartier Wolfsschanze scheiterte, der lückenhaft vorbereitete Staatsstreich brach rasch zusammen.
Cäsar: Aufbruch ins Kaiserreich
Der Anschlag auf Gaius Julius Cäsar an den Iden des März des Jahres 44 v.Chr im Senat in Rom ist wohl das berühmteste politische Attentat der Geschichte. Die Folgen sollten die römische Republik von Grund auf verändern. Kurz darauf brach ein Bürgerkrieg aus, der 14 Jahre lang dauerte, die alte römische Aristokratie beseitigte und dem Weltreich eine neue Ordnung bescherte: eine Militärmonarchie, ein Kaisertum, das die Rituale der Republik nur noch der Form nach hochhielt. An der Spitze:
Octavian, genannt Augustus.
Odoaker: Per Mord zur Alleinherrschaft
Der letzte Kaiser Westroms, Romulus Augustulus, war vom germanischen Heerführer Odoaker gerade abgesetzt worden. Der etablierte ein Reich, das schließlich so groß war, dass es zur Gefahr für das Oströmische Kaiserreich wurde. Die engagierten den Ostgotenführer Theoderich, schickten ihn mit seinen Truppen nach Italien. Nach erbitterten Kämpfen um die Stadt Ravenna schließt Theoderich Waffenstillstand mit Odoaker, nur um ihn am 14. März 493 zu einem Fest einzuladen und zu ermorden. Theoderich wird Herrscher über das ehemalige weströmische Reich – und zum Vorbild für die Sagenfigur Dietrich von Bern.
Zar Alexander: Ein Reformer wird weggebombt
Die Bombe vom 13. März 1881 war bereits der siebte Mordanschlag auf Zar Alexander. Diesmal aber waren die Attentäter erfolgreich. Obwohl der Zar die erste Granate, die auf seinen Schlitten in St. Petersburg gerichtet war, überlebte, töte ihn eine weitere, als er das Fahrzeug bereits verlassen hatte. Verantwortlich war eine anarchistische Gruppe namens „Volkswille“, die eine ganze Reihe von Attentaten, nicht nur gegen den Zaren verübt hatte. Ihre völlig wirren politischen Ziele konnten sie trotzdem nicht verwirklichen. Dem Reformer Alexander, der Russland zu modernisieren versucht hatte, folgte ein gleichnamiger Zar, der aber das Land zurück in den strengsten Absolutismus führte.
Abraham Lincoln: Rache für die Südstaaten
Die mehr als 1.500 Zuschauer in Ford's Theater in Washington, D.C., waren begeistert. Das Publikum glaubte, der Auftritt gehöre zum Stück. Immerhin war auch der Täter ein Schauspieler. John Wilkes Booth erschoss Abraham Lincoln am 14. April 1865, weil er als fanatischer Anhänger der Südstaaten sich für die Niederlage der Armee der Konföderation rächen wollte. Bis heute kursieren Verschwörungstheorien über die politischen Hintergründe des Anschlags, die nie vollständig geklärt wurden.
Franz Ferdinand: Ein Treffer in ein Pulverfass
Das Attentat von Sarajevo am 28. Juni 1914 sollte nicht nur den Thronfolger Österreich-Ungarns, Franz Ferdinand, und sein Frau Sophie Chotek töten, es wurde zum Zündfunken, der im Pulverfass Europa den Ersten Weltkrieg auslöste. Einen Monat später standen Europas Großmächte im Krieg miteinander. Der Attentäter, der serbische Nationalist Gavrilo Princip, wurde wegen Minderjährigkeit nicht zum Tod, sondern zu 30 Jahren Kerker verurteilt, doch die Grausamkeit der Haft brachte ihn schließlich, kurz vor Kriegsende, um.
Dollfuß: Hitlers gescheiterter Putsch
Seit etwas mehr als einem Jahr hatte der österreichische Bundeskanzler Engelbert Dollfuß die Demokratie ausgeschaltet und den autoritären Ständestaat begründet. In Deutschland war Hitler ähnlich lange an der Macht und wollte nun mit Hilfe der gezielt bewaffneten illegalen Nazis in Österreich auch das Nachbarland unter seine Kontrolle bringen. Als Bundesheersoldaten verkleidet drang eine Gruppe unter der Führung eines entlassenen Bundesheersoldaten am 24. Juli 1934 ins Bundeskanzleramt am Ballhausplatz ein und erschoss Dollfuß. Weder aber war man in der Lage die Regierung in Wien festzunehmen, noch waren die Putschversuche in den Bundesländern erfolgreich. Nur in Kärnten, wo die Nazi-Bewegung besonders stark war, hielten die Putschisten einige Tage lang stand.
John F. Kennedy: Ein Tod und tausend Theorien
Mafia, CIA, Kuba, oder doch Russland: Bis heute kursieren Theorien, die sie alle zu den wahren politischen Drahtziehern des Attentates auf John F. Kennedy am 22. November 1963 in Dallas stilisieren. Doch offiziell bleibt Lee Harvey Oswald, der den US-Präsidenten vom sechsten Stock eines Lagers für Schulbücher erschossen haben soll, ein Einzeltäter. Kennedy, der damals die Kampagne für seine Wiederwahl startete, war mit seiner liberalen Politik zu einem Feindbild der Rechten geworden – und Dallas war damals eine Hochburg des Rechtsextremismus.
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