Covid-Katastrophe auf Mallorca: Die neuen Armen am Ballermann

Covid-Katastrophe auf Mallorca: Die neuen Armen am Ballermann
Der Tourismus auf der Baleareninsel ist tot, viele Bewohner stehen stundenlang um Essen und Schlafplätze an.

Morgendliche Kundschaft, die gibt es vor der Kapuzinerkirche eigentlich immer. Doch die Menschen, die sich dieser Tage im Stadtzentrum von Palma de Mallorca um Essen anstellen, gehören nicht zur üblichen Handvoll meist älterer Obdachloser. Sie sind jung, meist modisch gekleidet und sehen aus, als wären sie auf die Universität, an den Strand, oder in die nächste Kaffeebar unterwegs.

Stundenlanges Anstehen für Essen

Stattdessen aber stehen sie zu Hunderten stundenlang Schlange für eine kostenlose Mahlzeit. Es sind immer die gleichen traurigen Geschichten, die Reporter, wie etwa jene der lokalen Nachrichtenplattform „Cronica Balear“ hier erzählt bekommen: Seit Monaten gebe es keine Arbeit mehr auf der Ferieninsel, und die Hilfsgelder von der Regierung würden immer spärlicher. 300 Euro habe er im Monat, erzählt ein ehemaliger Kellner, davon brauche er 200 für sein Zimmer.

Auf der Straße schlafen

Von einem Zimmer können viele hier nur träumen. Sie haben ihre Bleiben längst verloren, schlafen auf der Couch bei einem Bekannten, oder auf der Straße. Hunderte Menschen seien allein in der Inselhauptstadt obdachlos, erzählt ein Vertreter der Lokalbehörde im Radio, und die Situation werde immer dramatischer. „Nuevos Pobres“. die neuen Armen nennt man inzwischen die Hunderttausenden Menschen, die in Mallorca ihre Jobs und damit ihre Existenz verloren haben. Tourismus ist hier der mit Abstand größte Wirtschaftszweig, und der ist, da sind sich Betroffene und Experten einig, bis auf weiteres tot. Jeder vierte Bewohner der Baleareninseln gilt inzwischen als arm.

Reihen von geparkten Flugzeugen 

Die Hotels sind ohnehin seit Monaten geschlossen. Eine Saison nach der anderen ist in diesem Corona-Jahr ausgefallen. Auf dem Flughafen verstauben endlose Reihen von Passagiermaschinen, die sonst Touristen aus ganz Europa nach Mallorca bringen.

Covid-Katastrophe auf Mallorca: Die neuen Armen am Ballermann

Inzwischen aber hat die Pandemie auch den letzten Rest von lokalem Leben stillgelegt. Zu Jahresbeginn verzeichnete Mallorca mit einer 14-Tages-Inzidenz von über 500 die höchsten Zahlen von ganz Spanien. Cafés und Bars, die bis dahin zumindest untertags offen halten konnten, ließen endgültig die Rollbalken herunter. Die arbeitslosen Angestellten gehen seit Wochen auf die Straße, um gegen die Maßnahmen zu protestieren und um auf ihre hoffnungslose Lage aufmerksam zu machen.

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Einbrechen als letzte Chance

Dass sich das bis zum Sommer ändert, wagt kaum einer zu hoffen. Auf der Insel boomt derzeit nur ein Wirtschaftszweig: Einbrüche. Verzweifelte Amateure seien da am Werk, berichtet eine Lokalzeitung, Fenster würden mit Ziegelsteinen eingeschlagen. Wer nicht einbrechen will, steht eben Schlange vor der Kapuzinerkirche – und die wird immer länger. Ständig müssten die Ausgabezeiten für Essen verlängert werden, erzählt ein Helfer: „Und die Schlange reißt nie ab.“

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