China: 34 Tote bei Angriff auf Bahnhof

Ein abgesperrter Bereich in einem Bahnhof mit Gepäck und Personen.
Die Regierung macht Separatisten aus Xinjiang verantwortlich. 130 Menschen wurden verletzt.

Die Zahl der Toten durch das Blutbad auf dem Bahnhof der südchinesischen Metropole Kunming ist auf 34 gestiegen. Nach amtlichen Angaben wurden rund 130 Menschen verletzt. Die Behörden sprachen von einem "Terroranschlag" und machen uigurische Separatisten für das Gemetzel verantwortlich.

Eine Gruppe von schwarz gekleideten Angreifern hat demnach mit langen Messern auf Reisende eingestochen. Mindestens 29 Menschen seien getötet worden. Am Sonntag sei zudem ein Polizist seinen schweren Verletzungen erlegen, wie die Zeitung "Jiefang Ribao" berichtete.

Unruheprovinz Xinjiang

Die chinesische Regierung sprach von einem Terrorakt und machte Separatisten aus der westlichen Unruheprovinz Xinjiang für das Attentat verantwortlich. Am späten Samstagabend seien die Angreifer wahllos auf Reisende und Passanten im Bahnhof losgegangen. Die Angreifer würden zur Rechenschaft gezogen, erklärte Sicherheitschef Meng Jianzhu der Agentur Xinhua zufolge. "Dieser brutale Angriff von gewalttätigen Terroristen auf wehrlose und unschuldige Menschen zeigt ihr unmenschliches und asoziales Wesen", sagte Meng.

Die Regierung in Peking hat in der Vergangenheit oft Islamisten aus der westlichen Unruheprovinz Xinjiang für solche Anschläge verantwortlich gemacht. Kunming, die Hauptstadt der Provinz Yunnan, liegt allerdings Hunderte von Kilometer von Xinjiang entfernt und steht in keinem Zusammenhang mit den Unruhen dort, bei denen im vergangenen Jahr mehr als 100 Menschen ums Leben gekommen sind. Xinjiang ist die Heimat muslimischer Uiguren, die sich immer wieder gegen Diskriminierung zur Wehr setzen.

Schwarz gekleidete Angreifer

Augenzeugen zufolge stürzten die hauptsächlich schwarz gekleideten Angreifer am Samstagabend in den Bahnhof und griffen wahllos Menschen an. "Ich sah einen mit einem langen Messer direkt auf mich zukommen und bin mit allen anderen weggelaufen", sagte Yang Haifei, der zu dem Zeitpunkt eine Fahrkarte kaufen wollte. Viele suchten Schutz in Supermärkten und Geschäften. In Internet-Foren waren Bilder von blutverschmierten Leichen zu sehen, die auf dem Boden des Bahnhofs lagen. Mindestens 29 Menschen wurden getötet. Vier der Angreifer seien von Polizisten erschossen und einer verhaftet worden, berichtete Xinhua. Etwa fünf weitere seien auf der Flucht. "Sie werden hohe Strafen zu erwarten haben", sagte Präsident Xi Jinping. Es werde alles getan, um den Vorfall aufzuklären.

Für die chinesische Regierung ereignete sich der Angriff zu einer empfindlichen Zeit. Am Mittwoch kommt in Peking der Nationale Volkskongress zu seiner jährlichen Sitzung zusammen. Dieser wird üblicherweise von erhöhten Sicherheitsvorkehrungen begleitet.

Uiguren: Chinas muslimische Minderheit

Das Gemetzel im Bahnhof der Metropole Kunming in Südwestchina wirft viele Fragen auf. Chinas Regierung sieht uigurische Separatisten aus dem entfernten Xinjiang am Werk. Sollte sich ihr Vorwurf bestätigen, wäre das Blutbad eine deutliche Eskalation der Gewalt - eine Radikalisierung uigurischer Kräfte weit weg von der Heimat der turkstämmigen, muslimischen Minderheit in Nordwestchina.

Allerdings sind die Täter noch nicht identifiziert. Zunächst bekannte sich niemand zu dem Anschlag. Das brutale Verbrechen gegen Reisende und Wanderarbeiter in dem überfüllten Bahnhof war nicht nur durch die Entfernung zu Xinjiang untypisch für die Gewalt, mit der die Uiguren sonst in Verbindung gebracht werden. Üblicherweise handelt es sich dabei meist um Zusammenstöße, die angesichts der Spannungen in tödliche Auseinandersetzungen abrutschen - entweder weil Uiguren dann Ämter oder Polizeistationen attackieren, oder chinesische Sicherheitskräfte das Feuer eröffnen.

Dämonisiert

Die Zahl solcher Zwischenfälle in Xinjiang hat drastisch zugenommen. Nach Angaben der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in Göttingen sind dabei seit Anfang 2013 mindestens 287 Menschen ums Leben gekommen. GfbV-Asienexperte Ulrich Delius warnte nach dem Blutbad in Kunming auch davor, die Uiguren jetzt pauschal zu dämonisieren. Er äußerte die Befürchtung, dass die Vorwürfe gegen die "Separatisten" nur die Vorurteile der Chinesen gegen die Minderheit schüren werden.

Die Spannungen zwischen beiden Volksgruppen haben ohnehin seit 2009 zugenommen, als bei Zusammenstößen zwischen Uiguren und Han-Chinesen in Xinjiang rund 200 Menschen ums Leben gekommen sind. Beide Volksgruppen sind einander fremd. Das muslimische Turkvolk fühlt sich wirtschaftlich, politisch und kulturell diskriminiert - umgekehrt hegen die Chinesen wenig Sympathie für die kulturell so andere Minderheit, die auch nicht wirklich zur Volksrepublik gehören will (siehe Bilderstrecke).

Exil-Uiguren distanzieren sich

Die Exil-Uiguren distanzierten sich am Sonntag sofort von dem Blutbad und sprachen den Familien der Opfer ihr Beileid aus. Ein Sprecher des Weltkongresses der Uiguren forderte eine transparente Aufklärung der Bluttat. Er warnte davor, dass das Verbrechen als Vorwand für neuerliche "Unterdrückung und Diskriminierung" benutzt werden könnte.

Nach dem Blutbad rollte schnell eine Welle von scharfen Reaktionen in Chinas Staatsmedien los. Die Terroristen müssten mit "Null Toleranz" streng bestraft werden. Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua sah einen "Wandel in der Angriffsstrategie", weil die Separatisten sonst eher Symbole der Regierung wie Polizeiwachen und Behörden angegriffen hätten, aber diesmal auf einfache Bürger losgegangen seien.

In einem indirekten Hinweis auf internationale Menschenrechtsgruppen oder Regierungen, die schon lange die chinesische Herrschaftspolitik gegenüber den Uiguren kritisieren, machte die Staatsagentur klar: "Jeder, der Verständnis für die Terroristen hegt und zeigt oder sie als unterdrückt oder schwach bezeichnet, ermutigt solche Angriffe und hilft bei der Verübung von Verbrechen."

Doch die große Mehrheit der Uiguren setze sich friedlich für die Anerkennung ihrer Menschenrechte und grundlegenden Bürgerrechte ein, betont GfbV-Experte Delius. Er fürchtet: "Die Tragödie in Kunming wird den Kreislauf der Gewalt in Xinjiang weiter anheizen." So plane die Autonome Region neue Antiterrorgesetze. Schon heute werden in Xinjiang mehr Menschen wegen "Gefährdung der Staatssicherheit" vor Gericht gestellt als anderswo in China - "und in unfairen Strafverfahren zu langjährigen Haftstrafen verurteilt", so Delius.

Mundtot

Auch werden uigurische Regimekritiker mundtot gemacht. Erst vergangene Woche wurde Anklage wegen "Separatismus" gegen den Pekinger Wirtschaftsprofessor Ilham Tohti erhoben, der als gemäßigte und prominenteste Stimme der Uiguren in China gilt. Ihm droht lebenslange Haft. "Ohne mehr Rechte für Uiguren und ohne einen Dialog der ethnischen Minderheit mit der chinesischen Regierung wird auch die Gewalt nicht enden", sagt Experte Delius.

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