Für die Gewerkschaften ist es ein offener Abwehrkampf. Manche bieten Schulungen an, wie man rechte Argumente am besten kontert, andere verteilen Flugblätter, in denen die Positionen der AfD als Humbug entlarvt werden. Einige haben sogar eigene Ansprechpartner eingestellt, die eine Frage beantworten sollen: Was mache ich, wenn mein Betriebsrat rechtsextrem ist?
Gekommen, um zu bleiben
Zwölf Jahre nach ihrer Gründung ist die AfD in fast alle Gesellschaftsbereiche Deutschlands vorgedrungen. Manchmal dezenter, indem sie sich auf Proteste gegen Windkraft setzt, manchmal lauter, etwa bei neuen Asylheimen. Seit den Wahlen im Osten steht fest: Die AfD ist gekommen, um zu bleiben – auch wenn die Mehrheit der Bevölkerung sie ablehnt.
Wie sie das geschafft hat, beschäftigt Politiker wie Experten gleichermaßen. Eine Erklärung dafür dürfte die Präsenz der AfD in jenen Gebieten sein, wo CDU und SPD nicht mehr hinsehen: „In manchen Regionen gibt es Ortsvereine der beiden Parteien nur mehr auf dem Papier, da sitzt niemand mehr“, sagt Markus Klein, Chef des Brandenburgischen Instituts für Gemeinwesenberatung. Sein Institut berät bei lokalen Konflikten, die AfD ist da Stammgast. „Die AfD ist in den Kneipen, fährt mit dem Bierwagen rum.“
Im Osten nicht verankert
Hintergrund dieser Entwicklung ist auch, dass CDU und SPD gerade im Osten nicht die historische Verankerung wie im Westen haben. Ortsvereine wurden erst in den 1990ern gegründet; sinken Stimmanteile, fehlt irgendwann auch das Geld für Leute vor Ort. Dieses Vakuum nutzt die AfD, sagt Klein. „Die Leute nehmen die AfD vor Ort mehr wahr als die anderen Parteien.“
Eine zweite Erklärung ist eine verschobene Wahrnehmung. Nach den 1990ern, als Rechtsradikale auf der Straße Ausländer verfolgt hatten, war der Rechtsextremismus „gewissermaßen eingehegt“, sagt Klein. „Mit dem Aufkommen der AfD und der Migrationskrise wurde das wieder entgrenzt, Rechtsextreme haben Anschluss an die Bevölkerung gefunden. Die Pandemie war ein zusätzlicher Treiber – jetzt finden viele Leute nichts dabei, dass die AfD rechtsextrem ist. Die sagen: Bekommen die halt den Stempel vom Staat, ich wähl sie trotzdem. Das hat eine ganz andere Qualität.“
Dazu kommt, dass die AfD schon lange nicht mehr die Chaostruppe ist, als die sie lange galt - man erinnere sich an die Parteispaltungen und Austritte der Anfangsjahre. Parteichefin Alice Weidel ist unangefochten; interne Streitigkeiten wegen mancher offen rechtsextremer Sager gibt es nicht mehr. „Die Partei wird professioneller, in den Parlamenten braucht man sie nicht mehr vorführen – sie wissen, wie das funktioniert. Mit der Radikalisierung geht eine Professionalisierung einher“, sagt Klein.
Fragile Allianzen
Auf politischer Ebene werde das zu gehörig Komplikationen führen, sagt der Soziologe Matthias Quent, der an der Uni Magdeburg-Stendal zu Rechtspopulismus forscht. „Um die AfD kommt man auch bei Koalitionsbildungen immer schwerer herum – dieser Debatte muss man sich stellen.“ Durch ihre wachsende Größe in Landtagen und auch bundesweit – in Prognosen liegt die Partei bei 21 Prozent – würden Allianzen, die gegen die AfD möglich sind, immer fragiler; das hat man auch an der Ampel gemerkt. Je gegensätzlicher die Parteien, die sich zu einer Koalition zusammenfinden, desto kleiner die Kompromissbasis - Wahlversprechen zu erfüllen, wird so immer schwieriger.
Quents Prognose: Entweder die Politik erkenne die Verfassungsfeindlichkeit der AfD an und wage ein Verbotsverfahren – „oder sie wird über kurz oder lang zumindest im Osten, wo sie besonders extrem ist, mitregieren.“
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