Brexit-Chaos: Britisches Parlament stimmt klar für Verschiebung

Brexit-Chaos: Britisches Parlament stimmt klar für Verschiebung
Nein sagten die Abgeordneten im britischen Unterhaus allerdings zu einem zweiten Referendum.

Das britische Parlament hat für einen längeren Verbleib in der Europäischen Union gestimmt. 412 Abgeordnete sprachen sich am Donnerstagabend dafür aus, den eigentlich für den 29. März geplanten Abschied von der EU zu verschieben, 202 Parlamentarier stimmten dagegen.

Einem Brexit-Aufschub müssen aber auch die EU-Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfel in der nächsten Woche einstimmig zustimmen.

Brexit: Britisches Unterhaus votiert für Verschiebung

Das Votum ist juristisch nicht bindend, ihm kommt allerdings politisch erhebliche Bedeutung zu. EU-Ratspräsident Donald Tusk schlug zuvor eine deutliche Verlängerung der EU-Mitgliedschaft Großbritanniens von mindestens einem Jahr vor. Damit soll das Land ausreichend Zeit bekommen, um seine Brexit-Strategie zu überdenken.

Das britische Parlament hatte am Mittwoch gegen einen ungeordneten Brexit gestimmt und einen Tag zuvor den zwischen Premierministerin Theresa May und der EU ausgehandelten Ausstiegsvertrag mit großer Mehrheit abgelehnt.

Zweites Referendum vorerst klar abgelehnt

Mehrere Änderungsanträge waren vor der Hauptabstimmung im Unterhaus zuvor abgelehnt worden: Mit einer überwältigenden Mehrheit sprachen sich die Abgeordneten gegen eine zweite Volksabstimmung über den EU-Austritt aus. Die Parlamentarier überließen May vorerst auch weiter die Kontrolle über den Brexit-Prozess.

Der ursprüngliche Brexit-Termin in zwei Wochen war nicht zu halten, da Unterhaus und Regierung im Brexit-Kurs heillos zerstritten sind. Das zwischen May und Brüssel vereinbarte Abkommen konnte bisher wegen des Widerstands im Unterhaus nicht ratifiziert werden.

Kurze oder längere Verlängerung?

May verknüpfte die Abstimmung über die Verschiebung indirekt mit einer Entscheidung über ihr Brexit-Abkommen. Ihr zufolge sollen die Abgeordneten die Wahl zwischen einer langen und einer kurzen Verschiebung haben. Nur wenn die Parlamentarier dem inzwischen zwei Mal abgelehnten Brexit-Abkommen bis zum 20. März - also einen Tag vor dem nächsten EU-Gipfel - doch noch zustimmen, soll es eine kurze Verlängerung der Austrittsfrist bis zum 30. Juni geben.

Die Abstimmungen zum Nachlesen:

Die Abstimmung über eine Brexit-Verschiebung im Liveticker

  • |Peter Temel

    Herzlich willkommen!

    Es kommt wieder einmal Spannung auf im Londoner Brexit-Poker: Heute wird über eine mögliche Verschiebung des EU-Austritts entschieden. Wie aber soll diese Verschiebung stattfinden, wie lange soll sie sein? Herzlich willkommen bei unserem Live-Ticker!

  • |Peter Temel

    Tusk würde längeren Aufschub unterstützen

    Ratspräsident Donald Tusk will in der Europäischen Union für einen längeren Aufschub des Brexits werben. Voraussetzung dafür sei, dass Großbritannien eine längere Verschiebung für nötig hält und darüber in London Konsens herrscht, teilte Tusk am Donnerstag im Kurznachrichtendienst Twitter mit.

  • |Peter Temel

    Die Debatte über die Verschiebung des EU-Austritts hat bereits am Nachmittag begonnen. Den Livestream aus dem Britischen Unterhaus finden Sie entweder hier oder oben im Artikel.

  • |Peter Temel

    Regierung vermutlich gegen Abänderungsanträge

    Die britische Regierung lehnt einem Telegraph-Reporter zufolge alle Abänderungsanträge zu der Abstimmung über die Verschiebung des Brexit ab. Am Donnerstag stimmt das Parlament unter anderem über ein mögliches zweites Brexit-Referendum ab. Auch die oppositionelle Labour-Partei wird nach Angaben ihres Brexit-Beauftragten Keir Starmer am Abend den Vorschlag zur Ausrufung eines zweiten Referendums ablehnen.

    Bevor der Vorschlag der Regierung über eine Verschiebung zur Abstimmung gestellt wird, stehen vier Zusatzanträge aus dem Parlament selbst auf der Tagesordnung. Sollten diese eine Mehrheit finden, verändern diese möglicherweise den Wortlaut des Regierungsvorschlags oder machen ihn obsolet.

     

  • |Peter Temel

    Trump nennt Ungewissheit über den Brexit "Schande"

    Donald Trump hat sich einmal mehr in die Brexit-Debatte eingemischt und sich gegen ein denkbares zweites Referendum in Großbritannien ausgesprochen. Dies wäre "sehr unfair" gegenüber jenen Bürgern, die für den Austritt aus der EU gestimmt hätten, sagte Trump am Donnerstag in Washington. Der US-Präsident bezeichnete die entstandene Ungewissheit über den Brexit als "Schande". Er sei "überrascht" davon, wie schlecht die Verhandlungen zwischen Großbritannien und der Europäischen Union verlaufen seien. Er würde es begrüßen, wenn eine Lösung gefunden würde, sagte Trump bei einem Treffen mit dem irischen Regierungschef Leo Varadkar im Oval Office.

    Trump sympathisiert mit den Brexit-Hardlinern in Großbritannien. Er hat die Verhandlungsführung von Premierministerin Theresa May gegenüber der EU bereits in der Vergangenheit kritisiert.

  • |Peter Temel

    Auch die englischen Kirchen erkennen den Ernst der Lage

    Die Spitzenvertreter der christlichen Kirchen in England, unter ihnen Kardinal Vincent Nichols sowie Anglikaner-Primas Justin Welby, wollen am 30. März in London gemeinsam für die "für die Zukunft der Völker und der Nationen auf den Britischen Inseln und in Irland" beten. Das teilte die ökumenische Plattform "Churches together in England" heute mit. Vor dem Hintergrund der politischen Auseinandersetzungen rund um den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union hatte die Ökumene-Plattform zusammen mit ihrer irischen Partnerorganisationschon vor einigen Wochen dazu aufgerufen, von 27. bis 31. März die Kirchen für jene zu öffnen, "die einen Ort suchen, um für unsere Nationen zu beten".

  • |Peter Temel

    "Oooooorder!

    Der mittlerweile legendäre Speaker des britischen Unterhauses, John Bercow, dürfte heute wieder einige Male zum berühmten Ordnungsruf "Order" greifen müssen. 

    Hier weitere Informationen zu den Sitten in der "Mutter aller Parlamente".

  • |Peter Temel

    "Ich habe der Premierministerin Vorschläge zu den Gesprächen gemacht, und ich denke, damit wäre sie erfolgreich gewesen. Sie hat darauf nicht gehört, und das ist in Ordnung.“

    - US-Präsident Donald Trump heute bei einem Treffen mit dem irischen Ministerpräsidenten Leo Varadkar in Washington

  • |Peter Temel

    Abstimmung hat begonnen

    Die Abstimmung im britischen Parlament über diverse Abänderungsanträge hat begonnen. Speaker John Bercow rief "Order!", und dann: "Division! Clear the Lobby!"

  • |Peter Temel

    Traditionelles Abstimm-Ritual

    Beim sogenannten "Division Vote" verlassen die Abgeordneten den Saal und kehren dann einer nach dem anderen wieder zurück. Je nachdem, welchen Eingang sie wählen, wird für "Ja" oder für "Nein" gezählt. Das "Division"-Verfahren wird angewandt, wenn durch das reine Rufen noch keine klare Mehrheit festgestellt werden kann.

  • |Peter Temel

    So sah es heute Nachmittag vor den Houses of Parliament aus. Eine Brexit-Gegnerin umringt von Brexiteers.

  • |Peter Temel

    Zunächst Abstimmung über zweites Referendum

    Mit der "Division" stimmen die Abgeordneten über den Abänderungsantrag h) ab, der ein zweites Referendum über den EU-Austritt fordert. Weitere Anträge liegen vor.
     

  • |Peter Temel

    Antrag auf Verschiebung und zweites Referendum abgelehnt

    85 Stimmen für "Ja", 334 für „Nein". Der Abänderungsantrag wurde klar abgelehnt.
  • |Peter Temel
    Der nächste Abänderungsantrag i) wird ebenfalls per "Division" entschieden. Die Abgeordneten sind schon wieder da, gleich wird das Ergebnis verkündet. Darum geht's: Eine überparteiliche Gruppe EU-freundlicher Abgeordneter fordert eine Verschiebung des Austritts, um das weitere Vorgehen auszuloten. Dafür soll am Mittwoch der Parlamentskalender freigeräumt werden, um ein Gesetzgebungsverfahren durchzupeitschen. Hier dürfte es auf sogenannte Fingerzeigabstimmungen hinauslaufen, bei denen ausgelotet werden soll, für welche Alternative zum Brexit-Abkommen es eine Mehrheit gibt. Zu diesem Antrag wurde ein zusätzlicher Änderungsantrag angenommen, über den wohl auch abgestimmt werden muss.
  • |Peter Temel

    Auch der zweite Abänderungsantrag abgelehnt - aber knapp!

    311 Stimmen für "Ja", 314 für "Nein". 

    Das war aber noch nicht die Haupt-Abstimmung über eine Verschiebung des Brexit.

  • |Peter Temel

    Mit dem ersten Antrag h) für ein zweites Referendum wollte eine unabhängige Gruppe aus ehemaligen Labour-und Tory-Abgeordneten eine Verschiebung des Brexits erreichen, um ein erneutes Referendum organisieren zu können. Für die Befürworter einer zweiten Volksabstimmung ist das ein Rückschlag. Aufgeben dürften sie dennoch nicht. Der Beschluss hat keine rechtlich bindende Wirkung. Die Abstimmung gilt eher als Testlauf.

  • |Peter Temel

    Mit dem knappen Nein zum zweiten Abänderungsantrag i) behält die britische Premierministerin Theresa May vorerst die Kontrolle über den Brexit-Prozess. Die Abgeordneten stimmten am Donnerstag mit 314 zu 311 gegen einen Antrag, der dem Parlament die Möglichkeit geben sollte, das weitere Vorgehen festzulegen.

  • |Peter Temel

    Noch knapperes "Nein"

    Auch der dritte Abänderungsantrag wurde mehr als knapp abgelehnt. 314 "Nein"-Stimmen" gegen 312 "Ja"-Stimmen.Es war ein Abänderungsantrag zu Abänderungsantrag i) über den vorher abgestimmt wurde.

    Der überparteiliche Antrag j), der weitere Abstimmungen über Mays Brexit-Deal ausschließen sollte, wurde zurückgezogen.

  • |Peter Temel

    May behält Kontrolle: Auch der vierte Antrag wurde abgelehnt

    Das Ergebnis: 302 "Ja"-Stimmen auf der rechten Seite, 318 "Nein"-Stimmen auf der linken Seite.

    Die Labour-Spitze wollte mit Antrag e) eine Verschiebung des Brexit, um dem Parlament mehr Zeit zu geben, das weitere Vorgehen auszuloten. Auch dieser Antrag wäre wohl auf die Forderung nach sogenannten Fingerzeigabstimmungen, oder "Probeabstimmungen", hinausgelaufen. Dabei hätte das Parlament über Alternativen zu Mays Brexit-Abkommen abstimmen können, beispielsweise über einen Brexit mit engerer Bindung an die EU oder ein zweites Referendum.

    Theresa May behält nun - wenn auch knapp - die Kontrolle über den weiteren Brexit-Prozess.


     

  • |Peter Temel

    Jetzt wird es spannend!

    Die Abgeordneten sind wieder nach dem "Division"- oder "Hammelsprung"-Verfahren auf dem Weg zurück ins Plenum. Jetzt wird über den Hauptantrag der Regierung abgestimmt: Ob der Brexit verschoben werden soll.

  • |Peter Temel

    Brexit-Verschiebung klar angenommen!

    Ja-Stimmen: 412

    Nein-Stimmen: 202

  • |Peter Temel

    Corbyn: Mays Deal keine Option mehr

    Unmittelbar nach der Abstimmung ging das Hickhack wieder weiter: Labour-Chef Jeremy Corbyn sagte, weder der Brexit-Vertrag von Premierministerin Theresa May noch ein EU-Austritt ohne Deal seien nun noch eine Option.

    Diese Woche hatte Corbyn schon einmal gesagt, Mays Deal sei "tot".

  • |Peter Temel

    EU-Kommission: "Sache des Europäischen Rates"

    Die EU-Kommission hat nach der jüngsten Brexit-Abstimmung im britischen Parlament daran erinnert, dass eine Verschiebung des britischen EU-Austritts nur mit Zustimmung aller anderen 27 Staats- und Regierungschefs möglich ist. „Es wird Sache des Europäischen Rates sein, einen solchen Antrag zu prüfen“, sagte eine Kommissionssprecherin am Donnerstagabend in Brüssel. Vorrang müsse haben, das Funktionieren der EU-Institutionen zu gewährleisten. Zudem werde man die Gründe für den Wunsch auf Verschiebung sowie deren Dauer zu berücksichtigen haben.
  • |Peter Temel

    Wir beenden die Live-Berichterstattung an diese Stelle. Über weitere Reaktionen werden wir natürlich trotzdem an dieser Stelle berichten. Wir wünschen Ihnen einen schönen Abend - ob verlängert oder nicht.

Briten "droht" Teilnahme an Europawahl

Lehnen die Abgeordneten Mays Deal noch einmal ab, müssen sie sich auf eine lange Wartezeit einstellen, einschließlich der Teilnahme Großbritanniens an der Europawahl, wie aus der Beschlussvorlage der Regierung hervorgeht.

Für ein zweites Brexit-Referendum wären nach Angaben der britischen Wahlkommission mindestens vier, eher sechs Monate an Vorbereitungen notwendig. Damit wäre also eine längerfristige Verschiebung des Brexits notwendig.

Hier sehen Sie den Fahrplan im Detail:

EU-Kommission: Funktionieren der EU hat Vorrang

In Brüsssel erinnert man nach der jüngsten Brexit-Abstimmung daran, dass eine Verschiebung des britischen EU-Austritts nur mit Zustimmung aller anderen 27 Staats- und Regierungschefs möglich ist. "Es wird Sache des Europäischen Rates sein, einen solchen Antrag zu prüfen", sagte eine Kommissionssprecherin am Donnerstagabend.

Vorrang müsse haben, das Funktionieren der EU-Institutionen zu gewährleisten. Zudem werde man die Gründe für den Wunsch nach Verschiebung sowie deren Dauer zu berücksichtigen haben.

Ein Sprecher von EU-Ratspräsident Donald Tusk verwies auf eine Mitteilung Tusks vom Vormittag. In dieser hatte er angekündigt, für einen langen Aufschub des Brexits werben zu wollen. Vor dem EU-Gipfel Ende nächster Woche "werde ich an die EU27 appellieren, für eine lange Verlängerung offen zu sein, wenn Großbritannien es für nötig hält, seine Brexit-Strategie zu überdenken und Konsens herzustellen", schrieb Tusk.

Weber reagiert reserviert

EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber (CSU) hat reserviert auf die Entscheidung des britischen Parlaments reagiert. "Es reicht nicht, wenn das britische Parlament sagt, wir möchten verlängern. Wir müssen auch wissen, zu welchem Ziel", erklärte Weber auf Twitter. "Die EU darf nicht ins britische Durcheinander hineingezogen werden."

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